Ausfahrt im Hyundai Ioniq

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Amsterdam, 11. Juli 2016 – Umsteigen, bitte! Irgendwo zwischen Wiesen und Kanälen, rund 100 Kilometer von der niederländischen Hauptstadt entfernt, können die Journalisten wechseln: Vom Batterie-elektrischen Hyundai Ioniq electric in den ausschließlich mit Benzin betriebenen Ioniq hybrid. Die Tour führt zurück nach Amsterdam. Ich teile das Auto mit einem Hamburger Kollegen, wir haben unser Reisegepäck in den Kofferraum gelegt und sind uns einig: Subjektiv ist das reine E-Auto die bessere Wahl.

Ab 33.300 Euro minus 4000 Euro staatlicher Bonus steht der Ioniq electric in der ersten Novemberwoche 2016 bei mindestens 30 Händlern der Marke. Die Rahmendaten des Ioniq electric in Kurzform: 28 kWh Batteriekapazität vom Zellzulieferer LG Chem, 88 kW (120 PS) E-Motorleistung und 295 Nm Drehmoment. Standardspurt in etwa zehn Sekunden, Spitzengeschwindigkeit 165 km/h. Die AC-Ladeleistung (also zu Hause und an den meisten öffentlichen Säulen) beträgt serienmäßig 6,6 kW (4,5 Stunden); die DC-Ladeleistung liegt bei 50 kW (30 Minuten bis 80 Prozent SOC). Und anders als der zum gleichen Konzern gehörende Kia Soul EV setzt der Hyundai nicht auf den Chademo-, sondern auf den CCS-Standard.

Ruckfrei, kraftvoll, komfortabel, leise

Der Ioniq electric fährt sich so, wie man es von einem Batterie-elektrischen Auto kennt. Ruckfrei, kraftvoll, komfortabel und leise. Nur das relativ harte Abrollen der Leichtlaufreifen stört den positiven Eindruck ein wenig. Dabei ist die Karosserie frei von Knistergeräuschen. Die Verarbeitung wirkt solide bis ins Detail. Man sitzt bequem in der fünftürigen Schräghecklimousine. Okay, auf den Rücksitzen wird es für Große eng überm Scheitel, und der Kofferraum ist mit 350 Litern nicht gigantisch. Formal zielt Hyundai eindeutig auf den Toyota Prius, ohne beim Design so stark zu polarisieren. Leider haben die Koreaner auch die Zweiteilung der Heckscheibe übernommen, was die Sicht nach hinten einschränkt. Die Instrumente dagegen sind ganz konventionell, man findet sich schnell zurecht und blickt durch den Lenkradkranz auf den Rundtacho und nicht wie beim Prius auf ein mittiges Zentraldisplay mit Digitalanzeige.

Unrealistisches Reichweitenversprechen

Die Reichweite nach NEFZ gibt Hyundai mit 280 km an. Dass das nicht realistisch ist, zeigt bereits der Normverbrauch (ebenfalls nach NEFZ) von 11,5 kWh / 100 km – um bei 28 kWh Akkugröße auf diesen Aktionsradius zu kommen, müsste der Laborwert mal eben um 13 Prozent unterboten werden. Auf der Ausfahrt in den Niederlanden kam ich auf 13,1 kWh / 100 km. Dabei war die Klimaautomatik permanent auf 21 Grad gestellt. Die äußeren Bedingungen waren äußerst günstig für niedrige Verbrauchswerte: Es gab weder hohe Autobahngeschwindigkeiten noch Stadtgehoppel; der Großteil der Strecke war topfeben und wurde bei mittleren Tempi gefahren. Der von mir erfahrene Realverbrauch ist fraglos ein guter Wert – in diesem Rahmen und bei unseren insgesamt gelassen fahrenden Nachbarn landet man allerdings mit jedem Auto im besten Drittel des jeweils Möglichen.

Besonders positiv ist mir die serienmäßige Advanced Smart Cruise Control (ASCC) aufgefallen. Im Unterschied zur Auslegung im Ioniq Hybrid (dort: SCC) erlaubt dieser adaptive Tempomat das Bremsen bis zum Stillstand mit der Option zum automatischen Wiederanfahren in einer Karenzzeit von fünf Sekunden, was sehr angenehm im Stop-&Go-Verkehr ist. Überhaupt arbeitet ASCC sehr natürlich, man lässt sich sofort darauf ein, was den komfortbetonen Gesamteindruck unterstreicht.

Benzinhybrid: 5400 Euro günstiger

Der Ioniq hybrid ist bereits ab 23.900 Euro zu haben, und Hyundai prognostiziert für diese Version den höchsten Marktanteil innerhalb der Baureihe. Es mag ungerecht erscheinen, aber beim direkten Umstieg vom electric in den hybrid ist Letzterer weniger überzeugend. Hier werkelt er eben wieder, der klassische Verbrennungsmotor mit Brummen und Schalten. Das Layout: Ein Benzindirekteinspritzer (ohne Turbo) mit 1,6 Litern Hubraum kombiniert seine Kraft mit einer E-Maschine zu 104 kW (141 PS) Systemleistung (max. Drehmoment: 265 Nm). Bis 100 km/h vergehen minimal 10,8 Sekunden, und erst bei 185 km/h ist Schluss.

Der Hyundai Ioniq hybrid ist ein Parallelhybrid; vereinfacht gesagt sitzt der Elektromotor zwischen Benziner und dem 6-Gang-Doppelkupplungsgetriebe. Ein ähnliches Prinzip verwendet Volkswagen beim Jetta Hybrid, dessen Verkauf in den USA übrigens jüngst eingestellt wurde. Auch im deutschen Konfigurator ist das Modell neuerdings unauffindbar.

Lauter als ein Toyota Prius

Im Aufbau unterscheidet sich der Ioniq hybrid noch durch die Pufferbatterie auf Lithium-Ionenbasis vom Millionenseller Toyota Hybrid. Die Erwartung, die ich mit diesem Antriebsstrang verbunden hatte, konnte der Ioniq auf der ersten Ausfahrt nicht erfüllen: Der Verbrauch lag mit 4,6 Litern über dem, was ich bei dieser Fahrweise vermutet hätte. Das Ansprechverhalten des Antriebsstrangs war eher träge, und der Verbrennungsmotor – auch das kam überraschend – wird relativ schnell laut, gefühlt lauter jedenfalls als im neuen Toyota Prius. Und der Japaner kostet nur scheinbar 4250 Euro mehr. Toyota bietet einen Dauerrabatt von 3000 Euro als firmeneigene E-Prämie, wodurch sich die Differenz auf 1250 Euro reduziert. Ich würde den Prius nehmen, was zugegeben nicht nur eine rationale Frage, sondern auch Geschmackssache ist.

Zurück zu Hyundai: Wegen der Preisdifferenz von 5.400 Euro zwischen Ioniq electric und hybrid werden die meisten Kunden wohl zum Benzinhybrid greifen. Die Koreaner wollen 2018 2000 Autos verkaufen: 1000 hybride, 500 Batterie-elektrische und 500 Exemplare des im Herbst 2017 erscheinenden Plug-In-Hybrid-Ioniqs. Meine Empfehlung bleibt der electric. Er fühlt sich am besten an. Beinahe hätte ich es vergessen: Die Rekuperation ist wie im VW e-Golf in vier Stufen (Level 0 bis 3) über Wippen am Lenkrad verstellbar. Level 0 ist faszinierend, dann rollte der Ioniq electric ohne Motorwiderstand. Hier erlebe ich mich wie in der alten Werbung für den VW Käfer: Er rollt und rollt und rollt …