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Test: Mercedes E 300 de

Fahrberichte Clemens Gleich
Mercedes

(Bild: Gleich)

Der Hybridantrieb kann bei ungleichmäßigen Fahrprofilen Energie und Bremsbeläge sparen. Plugin-Hybride wie der Mercedes E 300 de erlauben Interessenten auch, die Füße ins kalte Wasser "Elektroantrieb" zu stecken, ohne Langstreckenreichweite aufzugeben

Ich erinnere mich an meine erste Fahrt in einem Mercedes E 350 e: leise, entspannt, intelligent gesteuert. So fährt also ein Mercedes elektrisch, dachte ich und freute mich auf das, was da kommen werde, bis nach 15 Kilometern auf der Schnellstraße der Hubkolbenmotor brummend anlief. Mercedes baut das Konzept seitdem schrittweise aus, zum Beispiel im aktuellen E 300 de: Diesel-Vierzylinder, 90-kW-Elektromotor, Automatikgetriebe, Wandler, Li-Ion-Batterie mit 13,6 kWh Kapazität. Dieses Auto dürfte zu den beliebtesten großen Firmenautos der nächsten Zeit gehören, denn mit 0,5 statt 1 Prozent des Bruttolistenkaufpreises „geldwerten Vorteil“ [1] angerechnet ist er für Angestellte steuerlich deutlich günstiger als vergleichbare Fahrzeuge.

Diese Zielgruppe erhält das, was die E-Klasse bei Vielfahrern so beliebt gemacht hat: eine der komfortabelsten Reisemaschinen überhaupt. Und dann noch ein bisschen Elektroauto [2] dazu. Ich habe mich selber mehrfach als Fan der aktuellen E-Klasse geoutet, weil sie zum Reisen noch einen Schuss Rasen gibt, und ich meine nicht den grünen: Fahrwerk und Bremsen sind mittlerweile so, dass es ab und zu ungeheuer Freude macht, das Auto zu treten, als ob die Hose brennt.

Die elektrische Schleichfahrt passt sowieso perfekt zur leisen E-Klasse. Der Sound-Ingenieur für den Bereich Innenraum war vielleicht schon etwas älter, denn ihm fiel das recht laute hochfrequente Fiepen des E-Antriebs im Innenraum nicht als negativ auf. Das wird Kunden seiner Ohr-Altersklasse ähnlich gehen, doch wen diese Wühlmausfieper stören, der wird hier auf Langstrecke längst nicht so glücklich werden wie in der normalen E-Klasse [3]. Fiepen und dazugehörige merkwürdige Subharmonien übertönen selbst auf der Autobahn noch Dieselmotor, Wind, Reifen und Musikanlage.

Rein elektrisch

Am meisten hat mich die 13,6 kWh große Batterie interessiert. Sie hat den Nachteil, dass sie quer im Kofferraum liegt, den sie zerklüftet und dem sie Nutzraum nimmt. Sie hat den Vorteil, dass man den E-de damit auf kurzen Fahrten rein elektrisch betreiben kann. Der Hybridantrieb [4] schlägt meistens genau das vor. 90 kW reichen im Stadtbetrieb völlig aus, vor allem, weil der E-Motor ja an einem Mehrgang-Automatikgetriebe hängt, also von der Ampel weg besser zieht, als wenn er mit langem Einganggetriebe ziehen müsste.

Damit das erhöhte Gewicht nicht zu sehr auf den Verbrauch schlägt, kann die Batterie volle 90 kW elektrische Bremsleistung aufnehmen – ein sehr respektabler Wert für diese Batteriegröße und eine erhebliche Steigerung gegenüber der Vorgängerversion des Hybridantriebs. Die Ladeelektronik lädt mit maximal 7,4 kW AC zweiphasig. Alternativ kann der Kunde die Batterie vom Dieselmotor her laden, zum Beispiel, wenn er am Ende der Fahrt rein elektrisch fahren möchte.

Enttäuschung jedoch: Der elektrische Verbrauch steigt sehr schnell sehr steil an, wenn das Auto den optimalen Temperaturbereich für den E-Antrieb verlässt. Mercedes spricht von etwa 25 kWh Realverbrauch in der Stadt, ein Wert, mit dem ich auch gerechnet hatte. Geschätzt war ich jedoch nie unter 30 kWh unterwegs und als ich nachmaß, kamen 43 kWh auf 100 km heraus. Ich habe am Ladegerät gemessen, weil die Onboard-Anzeigen in meiner Erfahrungen dem Fahrzeugführer genau solche Ausreißer gern verschweigen. Die Messung enthält also geringe Ladeverluste. Da der E-de die Batterie nie ganz entleert, damit er sie für den Hybridgebrauch verwenden kann, endet die elektrische Reichweite bei kalter Witterung bei 20 bis gut 30 Kilometern. Ab etwa -5° C startet das Auto gleich den Dieselmotor, weil keine sinnvollen Betriebszustände des reinen E-Antriebs erwartet werden.

Hauptsächlich zeigt die Messung, wie empfindlich der Antrieb auf Kurzstreckenbetrieb bei 6° C mit Märzregen reagiert: Die Heizung (ohne Wärmepumpe) muss nach typischen Stadt-Etappen von 5 bis 15 km jeweils komplett aus der Batterie durchheizen. Dazu kommen das zähere Öl, das in der Automatik und der Lamellenkupplung am Diesel für Widerstand sorgt, Winterreifen und der Innenwiderstand der Batterie. Das alles heißt aber: Dieses Auto fährt elektrisch die meiste Zeit des Jahres teurer als mit Diesel – im Winter wegen Heizung und Kälte, im Sommer wegen Hitze und Klimaanlage. Elektrisch fahren lohnt sich also finanziell nur, wenn der Strom kostenlos oder sehr billig ist. Das hört schon bei Haushaltsstrompreisen auf.

Hybrid

Im Hybrid-Modus schaut das Auto weit nach vorne, nach Navi (wenn eine Route eingestellt ist), Geschwindigkeits-Begrenzung (von Schildern oder aus dem Kartenmaterial gelesen) oder nach dem Fernbereichs-Radar. Verlässt der Fuß das Fahrpedal, stellt die ECU eine situativ passende Bremsleistung auf der elektrischen Bremse ein – wenn der Abstand zum Vordermann zu gering wird, wenn das Tempolimit überschritten wurde, an Gefällen oder wenn die Straßenführung nahelegt, dass demnächst eine Reduzierung der Geschwindigkeit fällig ist.

Das funktioniert so gut, dass ruhige Fahrer bis zum Stillstand praktisch nie auf die Scheibenbremsen angewiesen sind. Wohl sind sie aber gelegentlich auf das Bremspedal angewiesen, denn erst ein sanfter Druck darauf leitet in den meisten Fahrsituationen erst die maximale elektrische Bremsstärke ein. Wegen mir dürfte das System also noch stärker situativ rekuperieren – vor allem, weil man sie ja jederzeit mit dem Fahrpedal übergehen kann. Ein ganz so gutes intuitives Gefühl für die Rekuperation wie bei BEV-Einganggetrieben stellt sich jedoch nicht ein, weil der Fahrer ja nie genau weiß, wann die Getriebesteuerung die Übersetzung ändert.

Gut gelöst: Beim Ampelstart schleppt der E-Motor den Diesel an und stellt gleichzeitig über den Wandler Drehmoment zum Losfahren bereit. Sie können also anfahren, noch während der Verbrenner startet. Zum Thema Kaltstart auf der Autobahn gibt Mercedes Entwarnung: „Erst auf der Schnellstraße angeworfen werden, wo sie gleich 20 bis 30 kW leisten müssen, ist für diese modernen, effizienten Motoren gesünder, als im Stau zu stehen, wo sie nicht warm werden.“ Ungewohnt ist es zunächst trotzdem, weil die meisten von uns ja damit sozialisiert wurden, langsam steigend Temperatur in den Motor zu bringen.

All die Steuerungstechnik-Zauberei verhilft dem E-de leider nur zu geringen Vorteilen im Verbrauch. In der reinen Dieselmessung verbrauchte der Wagen im Betrieb „Stadt und bis 130 km/h überland“, wie er bei den meisten Pendlern vorkommt, 5,6 Liter auf 100 km. Mit zum Start voller Batterie und am Ende fast leerem Akku waren es 4,7 Liter . Auf der Langstrecke mit nie Vollgas, hauptsächlich Autobahn bis Volvomax 180 km/h und etwas Landstraße lag der Verbrauch bei 7,0 Litern.

Diese Verbräuche entsprechen ziemlich genau meinen des reinen Dieselantriebs (E 220) auf Sommerreifen. Der Verbrauchsvorteil gegenüber dem sparsamen Vierzylinder-Diesel ist also verschwindend gering. Mercedes weist auf die höhere Systemleistung hin: Der Kunde erhalte ja das Drehmoment eines wesentlich größeren Motors zum Verbrauch des Vierzylinders. Wo die laut Mercedes „20 bis 30 Prozent“ maximale Ersparnis gegenüber dem reinen Diesel herkommen sollen, ist mir unklar. Taxibetrieb könnte ich mir vorstellen: Motor nie kalt, hauptsächlich Stadtverkehr, geübte, ruhige Fahrer. Otto Normalpendler hat schon rein des typischen Streckenprofils wegen schlechte Karten.


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[1] https://www.heise.de/autos/artikel/0-5-Prozent-Regelung-fuer-elektrische-Dienstwagen-4210485.html
[2] https://www.heise.de/autos/thema/Elektroautos
[3] https://www.heise.de/autos/artikel/Test-Mercedes-E-200-T-Modell-3656357.html
[4] https://www.heise.de/autos/thema/Hybridantrieb