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Lang erfolgreich?

Test: Opel Insignia Sports Tourer

Fahrberichte Martin Franz
Opel Insignia Sports Tourer

Der neue Opel Insignia Sports Tourer ist einer der längsten Kombis, die in Europa angeboten werden. Dazu ist er leichter als sein Vorgänger. Ein Test sollte klären, wie gut Opel diese besseren Vorzeichen nutzt. Unterwegs waren wir mit dem 1,5-Liter-Benziner mit 165 PS

Wenn man Gerüchten Glauben schenken mag, gehören Bedienungsanleitungen zu jener Literatur, die meist zusammen mit dem Auto entsorgt wird – ungelesen. Das ist ausgesprochen schade, steckt doch oft genug ein tiefgründiger Humor in diesen Büchern. Skoda erklärt beispielsweise, wie die Fensterkurbeln zu bedienen sind. Etwas subtiler macht es Subaru im XV [1], wo ein Bordcomputer so verschachtelt und verteilt ist, dass auch mit Anleitung in der Hand nicht jedermann alle Funktionen finden wird. Zugegebenermaßen ist der Spaß dann etwas einseitig angeordnet. Opel versucht sich im neuen Insignia in einem Mittelweg. So wird auch hier erklärt, wie der Warnblinkschalter zu betätigen ist, was dem Skoda-Humor schon nahe kommt. Bei der Bedienung des Kombiinstrumentes schafft es die Autoren der Insignia-Anleitung, mich an mir zweifeln zu lassen. Dabei ist die Lösung denkbar einfach.

Nach einiger Zeit in einer Autoredaktion ist einem kaum noch eine Bedienschrulle wirklich fremd. Vielmehr stellt man fest, dass der Mensch als Gewohnheitstier sich an fast alles gewöhnt – im Normalfall hat man dafür ja auch Jahre Zeit. Hartnäckige Ausnahmen wie der Bordcomputer des Subaru XV sind selten geworden, obwohl die Komplexität zugenommen hat. Opel hat die Bedienung der gesamten Infotainment-Abteilung mittlerweile gut im Griff, finde ich. Auch das Kombiinstrument und der dort untergebrachte Bordcomputer sind vergleichsweise einfach zugänglich. Opel hat sich gegen ein Volldisplay entschieden und einige Anzeigen mit richtigen Zeigern gelassen – auch in der höchsten von drei Ausbaustufen des Kombiinstrumentes. Rechts und links waren im Testwagen Anzeigen für Öltemperatur und Batteriespannung eingeblendet. Eigentlich sollte möglich sein, in den Tiefen der Menüstruktur alternativ auch “Öldruck” und “Motoraufladung” auszuwählen. Doch den auf Seite 124 der Anleitung beschriebenen Punkt gab es im Testwagen schlicht nicht. Alle Versuche, irgendwie ans Ziel zu kommen, scheiterten.

Intuitive Bedienung

Davon abgesehen hat sich Opel viel Mühe gegeben, die Bedienung insgesamt intuitiv zu gestalten. Fast alles erschließt sich ohne Anleitung, was angesichts der Funktionsfülle ausdrücklich positiv zu sehen ist. Allerdings ist bei einigen Spielereien noch Luft nach oben. Ich habe statt des eingebauten Navigationssystems einmal über Android Auto die Google-Navigation genutzt. Nach einem Stopp an der Tankstelle war die Bluetooth-Verbindung auf einmal weg und die Navigation damit auch. Schade auch, dass bei Nutzung dieser alternativen Navigation die Hinweise nicht auf das Kombiinstrument oder Head-up-Display übertragen werden. Auch das Telefonbuch des Handys war sporadisch nicht zu finden. Möglich ist natürlich, dass es am Handy lag, einem Samsung S5 Mini [2] mit Android 6.0.1.

Bei den Assistenten bieten einige Konkurrenten zum Teil mehr – ein ewiger Kreislauf, bei dem die neuesten Autos eigentlich ganz vorn sein sollten. Die Verkehrszeichenerkennung im Insignia gehört zu den weniger schlechten, doch perfekt ist sie auch hier nicht. Eine Funktion, bei der der Tempomat die Geschwindigkeit allein auf das erkannte Tempolimit einstellt, gibt es hier nicht. Der Abstandstempomat betätigt die Bremse mitunter etwas forsch, meistens aber passend. Dass sich im Stau die Einparkhilfe allein zuschaltet, mag einen kurzzeitigen Unterhaltungswert haben, nervt aber schnell.

Etwas mehr Liebe zu Detail können die Opel-Entwickler noch an zwei Stellen nachreichen. Wenn die Zeiger auf dem Display eine schnelle Änderung vollziehen müssen, zittern sie leicht. Und wenn man sich die Mühe macht, eine Kartendarstellung ins Kombiinstrument zu holen, wäre es nett, wenn diese ein deutlich größer als eine Briefmarke ist. Gegenüber dem, was VW gegen Aufpreis in den Passat einbaut, wirkt die Opel-Lösung etwas frugal. Dafür wurde mehr Arbeit in das Head-up-Display gesteckt – eine gute Entscheidung. Es lässt sich über drei Tasten sehr einfach bedienen und ist gestochen scharf. Dazu ist es nicht so überladen, was das Ablesen zusätzlich erleichtert. Leider spiegelt sich die Umrandung in der Frontscheibe.

Gut verarbeitet

Gut gefallen hat uns insgesamt die Verarbeitung, doch – Fluch der guten Tat – fallen in so einer sorgsam eingerichteten Umgebung Kleinigkeiten umso mehr auf. Der Testwagen hatte oben auf dem Armaturenbrett eine Naht, die wohl andeuten soll, dass die Leder vernäht ist. Leider hat die Naht ein paar Lücken. Es ist wie die Lautsprecherabdeckung im Focus [3]: Wenn man es einmal entdeckt hat, bleibt der Blick immer wieder daran hängen. Beim Außencheck fällt dagegen nur auf, dass der hintere Stoßfänger nicht überall vollkommen in einer Flucht mit der Rückwand ist – nicht ganz so dramatisch wie im Falle des Volvo V90, aber eben doch sichtbar.

Opel hat schon seit vielen Jahren einen guten Ruf hinsichtlich seiner Sitze. Der Testwagen war mit den AGR-Sitzen (Aktion gesunder Rücken) ausgestattet, die wir jedem Insignia-Käufer wärmstens ans Herz legen. Sie bieten nicht nur viel Seitenhalt, sondern stützen den Fahrer auch an den richtigen Stellen. Dazu kommen weit nach oben reichende Kopfstützen mit einer stabilen horizontalen Verstellung. Wer mag, bekommt auch eine Sitzbelüftung für beide Vordersitze und eine Massagefunktion für den Fahrersitz.

Ein Riese

Der öffentliche Raum kommt mit dem Wachstum der Autos teilweise kaum noch hinterher. Das wird einem bewusst, wenn man Autos vom Schlage eines Insignia durch enge Parkhäuser rangiert. Gerade in älteren Parkhäusern kann das schon mal etwas aufregender sein, als manch ein Fahrer das braucht. Das wäre für die meisten Menschen wohl noch akzeptabel, wenn denn das Verhältnis von äußeren Abmessungen und innerem Platzangebot als gut empfunden wird.

Bei der Vorstellung des Insignia Sports Tourers haben wir den Wagen für seine Raumausnutzung heftig kritisiert. Opel hat gegenüber dem gewiss nicht zierlichen Vorgänger nochmals deutlich zugelegt und übertrifft in der Länge mit 4,99 Metern nun nicht nur direkte Konkurrenten wie VW Passat, Ford Mondeo, Mazda 6 oder Renault Talisman [4] deutlich, sondern auch Kombis wie den BMW 5er oder eine Mercedes E-Klasse [5]. Gegenüber seinem Vorgänger bietet der neue Insignia besonders den Insassen mehr Bewegungsfreiheit. Doch auch wenn manch einem der Vergleich zu den Ohren wieder herauskommen mag: An die Raumfülle eines Skoda Superb Combi – immerhin gut 13 cm kürzer als der Opel – kommt der Insignia nicht heran.

Das gilt auch für den Laderaum. Wir haben 1,13 m in der Länge gemessen, wenn die Rücksitze nicht weggeklappt sind. Zwischen den Radhäusern sind es minimal 1,03 m. Während die Konkurrenz den mehr oder minder großen Raum unter dem Ladeboden mitzählt, unterlässt Opel das. Unter dem Teppich ist im Insignia nur ein flaches Fach. Opel hat seine anfänglichen Angaben inzwischen korrigiert und nennt nun 560 statt 520 Liter. Der Insignia ist damit nicht eng, aber angesichts seiner üppiger Ausmaße hätten wir mehr erwartet.

Gegenüber seinem Vorgänger ist der zweite Insignia leichter geworden, was Handling, Fahrleistungen und Verbrauch begünstigen sollte. Beim Fahrwerk ist das vollständig gelungen: Er fährt sich nicht mehr so träge wie der Vorgänger, vom Handling her würde ich ihn zwischen Mercedes E-Klasse T-Modell und BMW 5er Touring [6] einordnen. Dabei ist der Restkomfort ordentlich. Der Insignia ist dankenswerterweise nicht darauf optimiert, das Hütchenspiel mit möglichst hohem Tempo zu absolvieren. Ein Kollege fand das Fahrwerk etwas zu weich, mir hat der Kompromiss gut gefallen. Wer sich nicht entscheiden kann, findet in der Preisliste ein verstellbares Fahrwerk für 980 Euro. Der Testwagen hatte es nicht, insofern können wir zum Unterschied zwischen Komfort und Sport nichts sagen.

1,5-Liter-Benziner: Kein Highlight

Bei den Motoren ist bei Opel derzeit keine einheitliche Linie zu erkennen. Die Einstiegsbenziner des Insignia unterscheiden sich von denen ähnlich starken Maschinen im Astra. Im Testwagen war ein 1,5-Liter-Benziner mit 165 PS eingebaut, was potentiell locker ausreichen sollte, um den großen Kombi temperamentvoll anzutreiben. Ein geringeres Gewicht sollte es auch dem Motor insgesamt etwas leichter machen. Im Vorgänger gab es seit 2013 einen 170-PS-Turbobenziner, der sich recht gut mit der neuen Maschine vergleichen lässt. Diese liefert zwar 5 PS und 30 Nm weniger, doch die reinen Fahrleistungen sind nahezu unverändert. Für sich betrachtet setzt der neue Motor kaum Highlights. Unter 2000/min wirkt er flau, erst darüber wird er etwas energischer. Besonders drehfreudig oder elastisch wirkt er in keinem Drehzahlbereich. Obwohl sich Opel mit der Dämmung hörbar Mühe gegeben hat, brummt der Motor vor allem beim Beschleunigen recht erfolgreich dagegen an. Der Wechsel der Gänge erfordert nicht viel Kraft, vom knackigen Schaltgefühl eines Mazda 6 bleibt der Insignia aber weit entfernt.

Insgesamt könnte man sich mit dem etwas zurückhaltenden Antrieb schon anfreunden, doch der Verbrauch der brandneuen Maschine hat uns nicht überzeugt. Mit viel Zurückhaltung kamen wir auf minimal 6,4 Liter, im Alltag dürfte es bei den meisten Fahrern locker ein halber Liter mehr sein. Mein Kollege Christian nahm dem Opel ohne Probleme 10 Liter/100 km plus X aus dem Tank, wobei zur Ehrenrettung des Insignia schon erwähnt sein soll, dass er innerhalb unserer Redaktion Experte dafür ist, wenn es darum geht, den Verbrauch anzuheben. Dennoch: Als besonders sparsamer Antrieb qualifiziert sich die Maschine nicht.

Faire Preise

Über manch kleine Schwäche lässt sich locker hinwegsehen, wenn der Preis angemessen ist. Opel preist den Insignia zwar nicht ganz so günstig ein wie Renault den Talisman, unterbietet aber viele Konkurrenten deutlich. In der empfehlenswerten Ausstattungslinie “Business Edition” kostet der Insignia Kombi mit dem 165-PS-Benziner 28.850 Euro. Mit dabei sind dann schon Dinge wie Sitzheizung, Einparkhilfe an Front und Heck, Navigationssystem und der AGR-Sitz für den Fahrer. Um das einmal ins Verhältnis zu setzen: Ein deutlich knapper geschnittener VW Golf Variant ist mit 150 PS und einer vergleichbaren Ausstattung kaum billiger, vom Passat ganz zu schweigen. Das trägt auch zum Eindruck bei, dass der Opel Insignia alles in Allem ein gutes Angebot ist.


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[1] https://www.heise.de/autos/artikel/Zwei-Wochen-im-Subaru-XV-3508867.html
[2] https://www.heise.de/preisvergleich/?in=&fs=Samsung+S5+Mini&cs_id=1206858352&ccpid=hocid-autos
[3] https://www.heise.de/autos/artikel/Ford-Focus-Mk3-im-Gebrauchtwagen-Check-3610753.html?bild=9&view=bildergalerie
[4] https://www.heise.de/autos/artikel/Im-Test-Renault-Talisman-Grandtour-TCe-200-3349793.html
[5] https://www.heise.de/autos/artikel/Test-Mercedes-E-200-T-Modell-3656357.html
[6] https://www.heise.de/autos/artikel/Im-Test-BMW-520d-Touring-3765507.html