An einer Hand

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Von
  • Jürgen Seeger

Unix ist wieder ein bißchen einheitlicher geworden. Erreicht haben das dieses Mal nicht Standardisierungsgremien und -organisationen, Grund ist eine ganz normale Marktentwicklung: Konzentration. Europas größter Unix-Lieferant, Siemens Nixdorf, stellt langfristig sein Reliant-Unix (vormals Sinix) ein und kauft statt dessen Solaris-Lizenzen. Hitachi, NEC und Stratus beziehen auch künftig ihr Unix von Hewlett-Packard. In beiden Fällen sind die Motive nicht im Markt der Betriebssysteme zu suchen.

Im Hintergrund steht eine noch wesentlich radikalere Konzentration im Prozessormarkt. Stichwort: Intels IA64-Linie mit dem ersten Sproß Merced, erwartet zum Jahresanfang 1999. Sun hat es nicht etwa geschafft, mit Solaris seine SPARC-Architektur an die künftig ohne das 'Nixdorf' im Namen agierende Company zu lizenzieren. Die Münchner wollen das zur Zeit in Mountain View bewußt am Rande abgehandelte Solaris für IA64 haben, die bislang eingesetzte Mips-CPU fliegt komplett raus. Auch die aktuellen SPARC-Solaris-Lizenznehmer Fujitsu und NCR werden die IA64-Version des Sun-Unix einsetzen.

Mips-Eigner Silicon Graphics hat zwei Wochen nach der offiziellen Ankündigung seiner NT-Linie ebenfalls ein Bekenntnis zu IA64 abgegeben: SGIs Unix-Derivat Irix soll darauf portiert werden. In der NT-Ankündigung war noch von einer Dual-Plattform-Strategie die Rede gewesen: NT auf Intel-, Iris auf Mips-CPUs. Spötter fragen schon, ob sich das eigene 64-Bit-Unix-Angebot überhaupt noch rechnet, wenn es fertig ist.

An Digitals Unix-Portierung auf Merced (Arbeitstitel: Bravo) haben Sequent und Tandem Interesse bekundet. Tandems Eigentümer heißt Compaq, zudem will Digital mit der Weiterentwicklung des Alpha Performance-mäßig mit der Intel-Konkurrenz Schritt halten.

Die Hüter der Unix-Quellen in Santa Cruz verweisen auf Compaq, Data General, ICL und Unisys als mögliche Lizenznehmer für ihr IA64-Unix. (Die gemeinsame Entwicklung mit HP in dieser Angelegenheit haben beide Seiten für beendet erklärt, das früher einmal propagierte Zusammenwachsen der Betriebssysteme UnixWare und HP-UX ist zu den Akten gelegt.)

Wer aufmerksam mitgelesen hat, stößt auch hier sofort auf zwei unsichere Kantonisten: Compaq hat bekanntlich Digital übernommen, somit wäre Bravo die naheliegendere Wahl, und ICL gehört Solaris-Anhänger Fujitsu. Data General und Unisys wiederum zählen nicht gerade zu den nach Installationszahlen führenden Firmen im Servermarkt.

Was bleibt sicher? HP-UX allemal, weil man sich in Palo Alto nicht mit zwei Prozessorplattformen herumschlagen muß. Solaris auch, aber langfristig kaum für RISC (SPARC) und 'Post-RISC' (Merced). Dito Bravo. Noch jemand? IBM natürlich. Von Plänen, für AIX neben dem PowerPC als zweite CPU-Basis IA64 einzuführen, war bis Redaktionsschluß nichts bekannt. IBM-Hardware mit Intels 64-Bit-CPU wird auf jeden Fall angeboten. Wie auch immer Big Blue sich entscheidet, die Firma ist groß genug, um AIX notfalls bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag im Portfolio zu halten.

Ebensowenig bekannt ist, wann es das erste Linux für den Merced gibt. Aber das dürfte nur eine Frage der Verfügbarkeit von IA64-Systemen sein. Das Gerücht, bei Intel existiere bereits ein Linux-IA64, ist jedenfalls nicht totzukriegen. Noch ein sicherer Kandidat also. (js)