Ausgependelt

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Von
  • Jürgen Seeger

Am Vorabend des 1. Mai feiern heuer in Deutschland nicht nur Gewerkschaftsmitglieder. In Berlin ist eine so genannte Pink-Slip-Party angekündigt. Es geht dabei nicht um eine Werbeveranstaltung für Dessous; ‘pink slips’, rosa Briefumschläge, enthalten in den USA Kündigungsschreiben. Auch die Idee entstand jenseits des großen Teichs: die Arbeitslosen der Dot.Coms organisieren private Arbeitsvermittlungspartys.

Wahrlich Wasser auf die Mühlen der Kritiker des New Economy Hype. Nach der Vermögensvernichtung an den Börsen sind die Arbeitnehmer dran, oft mit der Aussicht auf enorme Aktiengewinne statt mit hohen Gehältern geködert. Der direkte Weg von der Aussicht auf die schnelle Million auf die Flure des Arbeitsamtes.

Alles nur heiße Luft, was da im Fahrwasser des Internet auf uns zukam? Eher der übliche Gang der Dinge. Wenn die Aussicht auf neue Märkte kein Gründungsfieber mehr nach sich zöge, hieße das System nicht Kapitalismus. Dass dabei nicht jede Geschäftsidee erfolgreich sein kann - auch keine neue Erkenntnis. Und dass Erfolg zu 90 Prozent aus Transpiration und nur zu 10 Prozent aus Inspiration besteht, brachte schon in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts der Erfinder Thomas A. Edison auf den Punkt. (Sein Zeitgenosse, der Maler Adolph von Menzel, setzte die beiden Erfolgsfaktoren sogar in das Verhältnis 99 : 1.)

Der Pendelschlag der Meinungsmacher zwischen New-Economy-Euphorie und Dot.Com-Schelte geht an der Sache vorbei. Immerhin hat die Aufbruchsstimmung der ‘Internetbuden’ die mentale Frühverrentung deutscher Uni-Absolventen aufgebrochen. Der sichere Arbeitsplatz bis zur Pensionierung gilt bei vielen nicht mehr als allein seligmachend, der Internetboom brachte die dringend notwendige Wiederentdeckung der Selbstständigkeit.

Wenn dann noch der Gedanke an die eigene Firma nicht das Vordiplom ersetzt, sondern nach dem Studium erst einmal ein paar Jahre Business-Erfahrung gesammelt werden, stimmen auch die Know-how-Voraussetzungen. (js)