Bankrotterklärung

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Von
  • Achim Born

Geschichte wiederholt sich anscheinend doch: Bis zu 50 Mrd. $ wollte Microsoft im Frühjahr 2007 angeblich für Yahoo bezahlen. Aber die Betreiber des Internet-Portals waren an einer Übernahme nicht interessiert. Man wolle lieber eigenständig bleiben und mit der Werbeplattform Panama an bessere Zeiten anknüpfen. Jetzt, knapp ein Jahr später, unternimmt Steve Ballmer einen neuen Anlauf – allerdings bot er im ersten Schritt nur noch knapp 45 Mrd. $ an (s. Seite 16 der Printausgabe).

Doch noch ist die Übernahme nicht in trockenen Tüchern: Als Verfechter der Selbstständigkeit von Yahoo brachte sich Google in Stellung – was nicht einer gewissen Pikanterie entbehrt. Denn zum einen ist Google der ursächliche Auslöser der Microsoft-Offerte. Zum anderen hatte Yahoo einst dem Suchmaschinenkonzern das Terrain kampflos überlassen. Bevor Yahoo zum heutigen Gemischtwarenladen mutierte, hatte das Unternehmen eindeutig den Fokus auf seinem Kerngeschäft Portal mit vorsortierten Inhalt, das möglichst viele Nutzer zum Webeinstieg ansteuern sollten. Für die im Portal eingebundene Suche nutzte Yahoo jedoch lieber externe Dienstleister. Die wechselnden Partner waren unter anderem Opentext, Altavista, Inktomi und – Google.

Das Anzeigengeschäft für das Yahoo-Portal lag dagegen in Händen des Erfinders kontextabhängiger Werbung, Overture. Yahoo übernahm 2003 das Unternehmen, womit im Übrigen auch Altavista in seinen Besitz kam. Zuvor war bereits Inktomi gekauft worden, nur mit Google konnte man sich nie über einen Kaufpreis einigen. Als dann Google das Anzeigen- und das Suchgeschäft miteinander verband und damit sogar Patente von Overture verletzte, fand man eine außergerichtliche Einigung. Für den vollständigen Forderungsverzicht erhielt Yahoo ein Prozent Firmenanteil.

Den verkaufte Yahoo allerdings nach dem 2004 erfolgten Börsengang von Google umgehend wieder, für vergleichsweise mickrige 223 Mio. $. Heute wäre das Aktienpaket Milliarden wert. Die verschobenen Machtverhältnisse – der Börsenwert von Google liegt um Faktoren über dem von Yahoo – sind die Strafe für die zögerliche und wenig stringente Strategie des Unternehmens.

Zu spät entschloss man sich, mit Panama nun Suchen und Platzieren enger zu integrieren. Mit Flickr und Del.icio.us mischt man zwar im Web 2.0 mit; Youtube gehört allerdings Google, Myspace zum Murdoch-Imperium. Bei Facebook wiederum ist Microsoft eingestiegen. Falls Yahoo das Werbegeschäft an Google auslagern würde, könnten zudem die Wettbewerbshüter ernsthafte Bedenken anmelden.

So scheint bis Redaktionsschluss alles auf einen Preispoker hinauszulaufen. Bereits heute lässt sich zudem erkennen, dass die Übernahme für so manchen Yahoo-Mitarbeiter bittere Konsequenzen nach sich zöge. Zum einen sind die Überschneidungen im Portfolio (zum Beispiel Microsofts Aquantive versus Panama) so groß, dass sie einen deutlichen Stellenabbau nahelegen. Zum anderen lassen sich die Firmenkultur und Open-Source-Affinität der Yahoo-Mitarbeiter kaum reibungslos in die Microsoft-Organisation überführen.

Und noch etwas lässt sich aus dem Microsoft-Angebot ablesen: Es stellt im Grunde die Bankrotterklärung für die Milliardeninvestitionen in MSN dar. (ole)