Bush vs. Kerry

Ein Blick über den großen Teich zeigt, dass dort wieder die Präsidentschaftswahlen vor der Tür stehen. Es ist also an der Zeit, das Web nach den aktuellen Geschehnissen zu durchforsten.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 2 Kommentare lesen
Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Diane Sieger

Will man sich über die anstehende Präsidentschaftswahl in den USA informieren, bietet die Projekt-Homepage der Staatlichen Realschule Grafenau einen hervorragenden Einstieg. Knapp und übersichtlich stellt sie das parlamentarische System der USA sowie das Wahlverfahren dar. Zwar beziehen sich die Inhalte eher auf die vorherige Wahl im Jahr 2000, aber da sich das Verfahren schließlich nicht geändert hat, bietet die Schülerseite genug für einen ersten Schritt, um sich dem Thema anzunähern. Eine gute Ergänzung zu dieser Übersicht ist ein Lehrerinformationssystem des Projekts „Schulen ans Netz e. V.“, wo man endlich auch mal erfährt, was es eigentlich mit den Wahlmännern auf sich hat.

Wer tiefer ins Thema eintauchen möchte, kann sich das nicht kommerzielle Angebot von Wahlrecht.de rund um Wahlrecht und -prognose anschauen, das auch erklärt, wieso die Präsidentschaftswahl 2000 so kompliziert und mit Unregelmäßigkeiten gespickt war.

Natürlich lässt sich auch die Bundeszentrale für politische Bildung nicht lumpen und bietet eine kostenlose Print-Version der Informationen zur politischen Bildung mit dem Titel „Politisches System in den USA“ an. Aber wer hat schon die Zeit und die Muße, sich mit jedem kleinen Detail der Wahlprozedur zu beschäftigen?

Die Homepages der beiden Kandidaten vermitteln bereits ein Gefühl für die Euphorie rund um die Wahl des US-Präsidenten. Auf der ziemlich überladenen Startseite des amtierenden Präsidenten findet sich alles, was der Wähler wissen muss und was ihn vielleicht mitreißen könnte. Ob man sich die Werbevideos zur Wahl anschauen, ehrenamtlich beim Wahlkampf helfen, einen Leserbrief an die lokale Zeitung schreiben oder eine Wahlparty ausrichten möchte - alles bietet die Startseite an.

Besonders die Wahlparties sind faszinierend. Bereits Anfang August waren fast 20 000 Feten für Bush im Land der unbegrenzten Möglichkeiten geplant. Die Homepage präsentiert einen Party-Finder, ein Create-a-Poster-Tool sowie einen Shop für Party-Packs, der neben Kappen, Aufklebern, Bechern und Buttons metergroße Banner zum Aufstellen im Garten anbietet. Und auch für die jüngsten Bush-Anhänger ist gesorgt. Eltern können für ihren Nachwuchs Shirts, Schlabberlätzchen und Strampler mit Bush-Motiven erwerben. Und damit sich selbst der einsamste texanische Reiter von der Euphorie anstecken lassen kann, bietet eine spezielle Farmedition der Fanprodukte Cowboyhüte, Jeanshemden und Gürtelschnallen an. Die Merchandising-Maschinerie scheint perfekt angelaufen zu sein.

Schaut man etwas genauer hin, entdeckt man sogar die Reiterchen, die auf inhaltliche Themen hinweisen - schließlich soll es ja Menschen geben, die sich auf Basis der Wahlprogramme für einen Kandidaten entscheiden und sich nicht ausschließlich feiernden Massenbewegungen anschließen.

Und schaut man noch etwas genauer hin, findet man auf der Homepage des amtierenden Präsidenten neben all den Wählt-Bush-Aktionen einige kleine Hinterlistigkeiten, die Kerry als ernsthaften Kandidaten in Frage stellen. Beispielsweise berechnet ein Gas Tax Calculator die Erhöhung der Benzinpreise für diverse Automarken in jedem einzelnen Bundesstaat, und eine Wegkostenberechnung ermittelt, um wie viele Dollar der Besuch bei der Tante im benachbarten Bundesstaat unter einer potenziellen Führung Kerrys steigen würde.

Ein Blick auf den Webauftritt des Konkurrenten soll klären, ob dieser mit gleichen Mitteln kämpft. Vom Erscheinungsbild her ist die Homepage des Herausforderers eine Kopie der Bush-Seiten. Zwar wirkt alles ein bisschen gediegener, da auf Unnötiges wie Blinken und bewegte Bilder verzichtet wird, aber es dauert schon eine Weile bis man gemerkt hat, dass man sich nun auf den Seiten der Demokraten befindet. Inhaltlich bietet dies Site vieles an, das auch die des Konkurrenten präsentiert, beispielsweise die Möglichkeit, sich online als ehrenamtlicher Helfer zu registrieren. Zwar gibt es von Kerry keine Farmedition, aber ein Shop mit Merchandising-Produkten, der unter anderem Zugriff auf Videos bietet, darf natürlich nicht fehlen.

Alle Inhalte sind, wie bei Bush, für die spanischsprechende Bevölkerung übersetzt. Sollten Amerikaner wirklich dem gängigen Klischee entsprechen und auf alles, was bunt ist und sich in Bewegung befindet, stehen, werden sie sicherlich die Seite von George W. Bush der des Konkurrenten vorziehen.

Aber die Vorwahlzeit bietet nicht nur eine Präsentationsplattform für die Kandidaten, sondern auch für deren Kritiker. Auch wer den Buchstabendreher in "Buckfush" verweigert, wird automatisch weitergeleitetund findet alles, was der Anti-Bush-Akteur für seinen Feldzug benötigt. Leider ist die Site häufig so überlastet, dass sie nicht immer erreichbar ist ...

Neben zahlreichen Cartoons gegen Bush führen unzählige Links zu Gedichten und kritischen Berichten. Hier führt auch ein Link auf eine schlichte Seite, die Anti-Bush-Lieder zum Download anbietet. Dazu zählen so vielsagende Titel wie „Go home and watch the war!“, „Beat the Bushes“ und „One Big Texas“. Wo wir schon beim Thema Musik sind, sollte an dieser Stelle ein unterhaltsames Video nicht unerwähnt bleiben, das beide Kandidaten auf den Arm nimmt. Allerdings zieht sich bei Modemverbindungen der Download schier unendlich in die Länge. Aber es lohnt sich.

Noch etwas für Videofans. Unterstützt von einer neuen Generation der Graswurzelbewegung, die es sich zum Ziel gesetzt hat, in Otto Normalbürger wieder ein politisches Gewissen wachzurufen, werden die Ergebnisse einer (Anti-)Werbekampagne präsentiert: 150 von der Jury als beste Einsendungen ausgewählte Videos, versuchen in 30 Sekunden rüberzubringen, warum man Bush nicht wählen sollte.

All denen, die sich tagesaktuell über die Wahlgeschehnisse informieren möchten, bieten die größeren amerikanischen Zeitungen umfassende Berichterstattungen. Beispielhaft seien hier die New York Times, Washington Post und USA today genannt. Die Bandbreite aller amerikanischer Seiten ist bei Paperboy zentral abrufbar - einfach in den Suchkriterien USA angeben und schon erhält man Links zu mehr als 2600 Zeitungen, von denen die meisten mehr oder weniger intensiv über die Wahlen berichten.

Nach dem vielfach im Web kommentierten Trend zu Company-Weblogs zeigt sich nun auch die Politik von der Blog-Welle erfasst. US-Demokraten schreiben über die Bemühungen, ihr Land aus republikanischer Hand zu befreien. Bush und Kerry selbst bloggen selbstverständlich ebenfalls, man sollte aber wohl davon ausgehen, dass die Wahlkampfteams zu diesem Zweck eigene Mitarbeiter beschäftigen. Yahoo führt eine eigene Kategorie mit bei Redaktionsschluss 42 Einträgen. (ka)