Damoklesschwert

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Von
  • Jürgen Seeger

Alle reden vom Boom des Internet, Wirtschaftswachstum durch Electronic Commerce, von weltweiter Kommunikation et cetera. Politiker werden nicht müde, sich als Vorkämpfer für den technischen Fortschritt zu profilieren.

Abseits der Sonntagsreden aber werden die Gesetze und Verordnungen gemacht, die den Geschäftsbetrieb tagtäglich bestimmen - ermöglichen, fördern, behindern, verhindern. Wegen der Diskussionen um das 630-Mark-Gesetz und die neuen Regelungen zur Scheinselbständigkeit ist ein alter Bekannter aus dem Blickfeld gerückt: die TKÜV.

Das Kürzel steht für Telekommunikations-Überwachungsverordnung und machte vergangenen Sommer, noch unter der alten Bundesregierung also, Furore. Nicht nur Provider, sondern sogar Firmen mit vernetzten Filialen sollten auf eigene Kosten Überwachungsanlagen installieren, um den Forderungen des Telekommunikationsgesetzes sowie der europäischen ENFOPOL-Regelungen nachzukommen. Die geschätzten Kosten bewegten sich im fünf- bis sechsstelligen Bereich, die Branche reagierte mit empörter Ablehnung, der damalige Wirtschaftsminister stoppte erst einmal die Arbeit seiner Abteilung VII. Die Bedenken der Interessenverbände sollten berücksichtigt werden.

Neue Regierung, kein neues Glück. Seit wenigen Tagen liegt der Entwurf für eine neue Verordnung auf dem Tisch. Geändert haben sich im wesentlichen die Bestimmungen für Firmen, die eigene Netze oder Nebenstellenanlagen betreiben. Diese müssen nur noch im Bedarfsfalle Überwachungsschnittstellen einrichten. Für Provider allerdings stellt sich die Lage kaum anders dar als im Sommer 1998: Sie sollen auf eigene Kosten genormte Schnittstellen zum Abhören des Internet-Verkehrs entwickeln und installieren (Details).

Geschätze Kosten: ab 15 000 DM für kleine, um 100 000 DM für große Provider. Weiteres Problem: Eine normierte Abhörschnittstelle ist geradezu eine Einladung für Hacker.

Dabei trifft jede Kritik an dem Entwurf den Sack und nicht den Esel. Die Beamten des Wirtschaftsministeriums haben lediglich die bestehenden Gesetze ausgelegt, speziell den § 88 des Telekommunikationsgesetzes. Immerhin gibt es mittlerweile politische Initiativen, diesen zu ändern. Allerdings könnte das zu der paradoxen Situation führen, daß die Verordnung in Kraft tritt, die Provider investieren müssen, und es anschließend heißt: wär’ gar nicht nötig gewesen. (js)