Das Imperium zieht nach

Nach fast 18 Monaten Entwicklungszeit hat Microsoft den ersten Release Candidate des Internet Explorer 8 veröffentlicht, und der bringt die Redmonder ein gutes Stück nach vorne. Aber reicht das, um in den vorderen Browser-Rängen den Ton anzugeben?

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Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Vladimir Simovic
Inhaltsverzeichnis

Am 27. Januar 2009 hat Microsoft den Release Candidate 1 des Internet Explorer 8 zum öffentlichen Download freigegeben. Schon Mitte Dezember hatte der Hersteller diese Version ausgewählten Partnern zum Testen zur Verfügung gestellt, und die Beta-Release war seit vorigem Sommer verfügbar [1]. Wann sie die finale Version veröffentlichen, sagen die Redmonder noch nicht, aber in Anbetracht der Tatsache, dass der RC1 als „Feature-komplett“ gilt und der IE8 Bestandteil von Windows 7 sein soll, kann man davon ausgehen, dass der endgültige IE8 im Laufe des Jahres 2009 das Licht der Webwelt erblickt.

Schon während des Installationsprozesses bietet der IE8 viele Einstellungsmöglichkeiten. Sie verteilen sich auf maximal sieben Fenster beziehungsweise Installationsschritte. Hier entscheiden Anwender unter anderem darüber, ob der Browser ihnen beim Besuch einer Website „ähnliche Websites“ vorschlagen soll, ob sie die Voreinstellungen („Expresseinstellungen“) übernehmen oder selber die einzelnen Einstellungen, etwa für den Standard-Suchanbieter, vornehmen, ob sie den Standard-Suchanbieter – Live Search von Microsoft – übernehmen oder am Ende des Installationsvorgangs eine Website für die Auswahl eines alternativen Suchanbieters erscheinen soll, oder ob sie die Updates für die Kompatibilitätsansicht verwenden möchten oder nicht (die Kompatibilitätsansicht sorgt für eine bessere Darstellung von Websites, die für ältere IE-Versionen konzipiert wurden).

Eine für Webworker wichtige Neuerung: die Entwicklerwerkzeuge, wie sie der iX-Artikel in der 1/09 schon andeutete [2]. Mit der Betätigung der F12-Taste oder über den Umweg über „Extras > Entwicklertools“ öffnet sich ein neues Browserfenster mit den Hilfsmitteln für Webworker.

Über F12 erreichbar: die Entwickler-Werkzeuge des Internet Explorer 8 (Abb. 1)

Wer schon mit dem Firefox-Add-on Firebug gearbeitet hat, dürfte sich bei den IE8-Entwicklertools schnell zurecht finden. Beigelegt sind außer einer HTML- und einer CSS-Ansicht sowie der Skript-Debugger einige Werkzeuge, die man aus der IE Developer Toolbar kennt: Farbpicker, Visualisieren von HTML-Elementen, Bild-Informationen et cetera.

Die HTML-Ansicht der IE8-Entwicklertools zeigt den Code „gefaltet“ und farblich hervorgehoben. Sie geben den „wirklichen“ Zustand des Dokuments wieder. Sind JavaScript-Funktionen im Dokument referenziert, die beispielsweise dazu dienen, den HTML-Code zu manipulieren oder auszugeben, zeigt der IE8 auch deren Ergebnis an. Außer den Attributen kann man in der HTML-Ansicht die Layout-Eigenschaften manipulieren und in der CSS-Ansicht die Werte der Eigenschaften in der CSS-Datei ändern sowie die Auswirkungen auf die Website live beobachten.

Zwar sind die Entwicklertools des IE8 nicht so leistungsfähig wie Firebug, aber sie bieten unter anderem den Vorteil, dass sie im Browser integriert sind. In den Tools kann man außer zwischen den aufgeführten Webworker-Funktionen zwischen den verschiedenen Browser- und Dokumentmodi wechseln (siehe die Tabelle).

Browsermodus Dokumentmodus
IE7 Quirksmodus
E8 IE7-Standards
IE8-Kompatibilitätsansicht IE8-Standards

Schon seit seiner ersten Beta-Version besteht IE8 den Acid2-Test (siehe den Screenshot, S. 55 der Printausgabe). Diesen Test hat das Web Standards Project im April 2005 fertig gestellt; er prüft hauptsächlich die CSS-Fähigkeiten des Browsers sowie weitere Webstandards beziehungsweise Teile davon wie die Unterstützung von Alpha-Blending für PNG-Grafiken.

Zwar ist es gut, dass der IE8 diesen Test besteht. Aber die anderen Browser waren hier um einiges schneller: Safari konnte dies schon im April 2005, Opera im März 2006 und Mozilla Firefox im Juni 2008 mit dem Erscheinen der Version 3.0.

Nach den Angaben im IE-Weblog (in den iX-Links online zu finden) bietet der IE8 RC1 nicht nur die beste Unterstützung für CSS 2.1, sondern soll momentan als einziger Browser diesen Webstandard komplett implementieren. Hier haben die Entwickler seit der ersten Beta-Version ordentlich nachgelegt. Um diese Aussage zu untermauern, haben sie weitere 3784 Tests an das World Wide Web Consortium gesendet. Somit sind es bis jetzt insgesamt mehr als 7000 CSS-2.1-Tests, die sie an das W3C geschickt haben – und die der IE8 bestanden hat.

In der Dreierversion geht der Acid-Test unter anderem künftig vielleicht kommende Techniken an. Im Februar 2008 veröffentlicht, prüft er in 100 Tests den Browser auf seine Unterstützung für Web-2.0-Techniken (DOM Level 2, ECMAScript et cetera) und einige „alte Bekannte“ wie SVG und XML. Momentan schafft kein aktueller Browser die volle Punktzahl bei diesem Test. Opera 9.6x bringt es auf 85/100, Googles Chrome 1.0 auf 79/100, Safari 3.2 auf 75/100 und Mozilla Firefox kommt immerhin noch auf 71/100 Punkte. IE8 erreicht momentan nur 20 der maximal 100 Punkte.

Schaut man sich dagegen die Entwicklerversionen anderer Browser-Anbieter an, ist der Abstand sogar noch größer. Die Entwicklerversionen von Opera, Google Chrome und Safari kommen auf 100/100 Punkte und die Testversion von Firefox auf 93/100 Punkte. Hier müssen die IE-Entwickler in Zukunft massiv nachlegen, wenn sie in diesem Segment noch mitmischen wollen. Eine politische Einschränkung sei nicht verschwiegen: Bislang hat Microsoft „programmatisch“ jede SVG-Unterstützung vermieden (unter anderem wegen der hauseigenen Vector Markup Language, VML), sodass es logisch erscheint, dass der IE8 hier keine Punkte erzielt.

Anhand der hervorgehobenen Domain erkennt man, auf welcher Domain man sich tatsächlich befindet (Abb. 2)

Schon seit den Beta-Versionen verfügt der IE8 über eine Domain-Hervorhebung (siehe Abbildung 2). Diese Funktion soll Phishing-Attacken verhindern, weil der Besucher einer Website anhand der gekennzeichneten Top-Level-Domain sofort sieht, ob er sich auf der richtigen Website befindet.

Zusätzlich zum Schutz vor Phishing-Angriffen ist der XSS-Filter (siehe den iX-Link dazu unten) integriert, der vor den XSS-Attacken – dem Ausführen von bösartigem Code auf den manipulierten Websites – schützen soll.

InPrivate-Filterung war schon in der Beta-Phase dabei und ist seit dem RC1 in zwei Funktionen aufgeteilt: Filterung und Browsen. Ist die InPrivate-Filterung aktiviert, verhindert der IE dass beispielsweise kommerzielle Websites und Anbieter durch gesammelte Informationen Besucherprofile erstellen können.

Bei aktiviertem InPrivate-Browsen öffnet sich ein neues Fenster, das es Nutzern ermöglicht, anonym zu surfen. Dies wird dadurch realisiert, dass der IE in diesem Bereich weder Cookies noch temporäre Internetdateien speichert und keinen Verlauf anlegt. Zudem sind jegliche Erweiterungen deaktiviert.

IE8 kommt mit einigen weiteren interessanten Funktionen, so die viel besprochenen Webslices, die es ermöglichen, Teile einer Website zu abonnieren, um über die Aktualisierungen in einem bestimmten Bereich informiert zu werden.

Weitere Neuerungen sind ein vollwertiger Seiten-Zoom, die automatische Wiederherstellung nach einem Absturz, eine intelligente Adressleiste, die schon während der Eingabe hilfreich zur Seite steht, verbesserte Übersicht bei vielen gleichzeitig geöffneten Tabs und die Fähigkeit zu Cross-Domain Requests in Ajax-Skripten.

Obwohl Microsoft mit dem IE8 einen großen Schritt nach vorne getan hat, hat er im Vergleich zu den anderen Browsern noch nicht die Spitzenposition erreicht, sondern lediglich den Abstand zu den Führenden verringert. Hier rächt sich der Dornröschenschlaf, den sich der Hersteller lange Zeit mit dem IE6 geleistet hat. Sicherlich ist es zu begrüßen, dass der IE8 CSS 2.1 vollständig beherrscht und einige Eigenschaften aus CSS3 interpretieren kann, aber die Konkurrenz ist auch in diesem Feld dem IE um einiges voraus. Vom schlechten Abschneiden bei den beiden JavaScript-Benchmarks Sunspider und Googles V8 (siehe den letzten Eintrag im iX-Link) ganz zu schweigen.

In diesen Bereichen müssen die Redmonder in der Zukunft immer noch nachbessern, wenn man in dem Segment der modernen Webanwendungen mithalten will. Allein auf die noch bestehende, aber nachlassende Marktdominanz sollte sich der Hersteller nicht verlassen.

Dennoch: Microsoft hat mit dem IE8 ein gutes Fundament gelegt, und es bleibt zu hoffen, dass die Redmonder auch weiterhin am Ball bleiben und in regelmäßigen und kürzeren Zeitabständen Updates für den IE nachliefern, um den Abstand zur Spitze zu verkleinern. Der Konkurrenz auf dem Browsermarkt würde es gut tun.

Vladimir Simovic
ist Geschäftsführer der perun.net webwork gmbh und Autor mehrerer IT-Fachbücher.

[1] Michael Jendryschik; Webbrowser; Kernsanierung; Internet Explorer zwischen 7 und 8; iX 5/2008, S. 52

[2] Vladimir Simovic; Webentwicklung; Wanze gegen Libelle; Werkzeuge für Webworker: Firebug, Dragonfly und mehr; iX 1/2009, S. 85

iX-Link (hb)