Die Danaer schenken wieder

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Von
  • Christian Kirsch

Rockefeller hat vorgemacht, wie sich durch Verschenken ein riesiges Vermögen anhäufen lässt. Er verteilte Petroleumlampen, um anschließend mit dem Verkauf des Brennstoffs das Standard-Oil-Imperium aufzubauen. Gegen das, was sich jetzt in seinen Fußstapfen tummelt, wirkt sein Reich jedoch wie ein Tante-Emma-Laden.

Eine andere US-Firma zeigt, wie man nicht nur durch kostenlose Angebote groß und reich wird, sondern auch ganz unauffällig mehr Macht und Einfluss gewinnt als Microsoft und IBM in ihren besten Tagen je hatten.

Am Anfang stand ganz harmlos eine Suchmaschine. Schneller als die Konkurrenz, mehr Ergebnisse und dank Anzeigenverkauf mit einem tragfähigen ökonomischen Konzept. Inzwischen sind dazugekommen: ein Mail-Service, ein Browser, eine Datenbank, ein Betriebssystem sowie Office-Anwendungen. Anders als bei Microsoft, das all dies und noch ein bisschen mehr anbietet, kostet das meiste davon kein oder nur wenig Geld.

Außerdem gibt es unter anderem einen Karten- und Navigationsdienst mit integrierter Verkehrsinfo (zumindest in den USA) und Häuseransichten sowie die umstrittenen digitalisierten Bücher – man erinnere sich: Microsoft hat seine Encarta inzwischen eingestampft.

Vom Credo „Don’t be evil“, dem Firmenmotto aus den Anfangstagen, hat sich Google offiziell noch nicht verabschiedet. Aber es überzeugt schon längst nicht mehr jeden. Vor Kurzem zwang wachsendes Unbehagen der Nutzer die Firma in die Offensive, und sie gewährte Einblick in ihre gespeicherten Daten. Jedenfalls in einige. Denn weder gibt es eine Zusicherung, dass das Veröffentlichte komplett ist, noch eine unabhängige Kontrolle. Und ein Datenschutzgesetz, das zur Auskunft über alle gespeicherten Informationen verpflichtet, fehlt in den USA.

Was Google selbst vom Datenschutz hält, verriet sein Geschäftsführer Eric Schmidt vor Kurzem dem US-Sender CNBC: „Wenn es etwas gibt, das niemand von Ihnen wissen soll, dann sollten Sie so etwas besser gar nicht tun.“ Prägnanter bringt es nur der Berliner Stammtisch auf den Punkt – „Ick hab doch nüscht zu vaberjen.“

Und weil der große Bruder eben alles wissen möchte, hat er kurz vor Weihnachten als nächstes Geschenk einen freien DNS-Server aus dem Sack geholt. Damit die Kinder viel mit dem Geschenk spielen, klebte er große „Sicherer“- und „Schneller“-Schilder drauf. Und flugs, so hofft Google, tragen allüberall die Kleinen in ihre Internet-Einstellungen 8.8.8.8 als DNS-Server ein. Endlich muss sich die Firma nicht mehr darauf beschränken, das Suchverhalten auszuwerten, sondern kann fast jede Art von IP-Verkehr rekonstruieren: Wer hat wann was gesucht, auf welches Suchergebnis geklickt und dann letztlich wo eingekauft? Welche Mail-Server hat er verwendet?

Dieselbe Namensauflösung bietet OpenDNS schon lange an, für Privatpersonen ebenfalls kostenlos. Allerdings fehlt die Marktmacht und das publizistische Geklingel, mit dem Google den Erdball überzieht.

Es gibt also Alternativen – sowohl zur Suchmaschine als auch zu anderen Diensten. Dass einige davon von Microsoft stammen, sollte niemanden übermäßig beunruhigen. Denn dort gibt es wenigstens noch ein Geschäftsmodell, das nicht auf dem Verhökern von Kundendaten beruht. Googles geschenkter Gaul jedenfalls stinkt heftig aus dem Hals. (bs)