Ein kleiner Schritt

Für Googles Android-Betriebssystem hagelte es Vorschusslorbeeren, viele sahen es als iPhone-Killer. Im Test zeigt das Magic von HTC mit dem brandneuen Android 1.5, ob es die Erwartungen erfüllt.

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Von
  • Christian Kirsch
Inhaltsverzeichnis

Mit seiner Marktmacht hat Google in kurzer Zeit erreicht, woran etliche Initiativen vor ihm scheiterten: Smartphones mit freiem Betriebssystem zu Endkunden zu bringen. Vor Kurzem erschien mit dem von Vodafone angebotenen HTC Magic das zweite Gerät dieser Art in Deutschland. Es verwendet Android 1.5 samt Linux-Kern 2.6.27.

Auf den ersten Blick ähnelt das Telefon mit seinem großen Touchscreen Apples iPhone. Allerdings bescheidet es sich nicht wie jenes mit einem einzigen Knopf, sondern bringt unter dem Bildschirm sechs davon unter: Je einer zum Ein-/Ausschalten, für die Anzeige des Startbildschirms und des Menüs, zum Annehmen von Gesprächen, zum Suchen sowie zum Zurückgehen. Zentral zwischen ihnen befindet sich ein Trackball. Damit lässt sich ebenso wie mit den Fingern innerhalb und zwischen Anwendungen navigieren. Auf der Rückseite ist die inzwischen unvermeidliche Kamera angebracht. Am unteren Rand befinden sich eine USB-Buchse für die Verbindung zum Rechner und zum Ladegerät sowie eine nicht standardisierte Buchse für Kopfhörer und Freisprechset.

Verbindungen zur Außenwelt stellt das Magic via UMTS, WLAN oder USB her. Bluetooth gibt es zwar nominell, aber genauso eingeschränkt wie beim iPhone: Es lässt sich nur für den Anschluss von Headsets verwenden. Ein GPS-Empfänger ist im Telefon integriert. Im Test funktionierte die Bestimmung der eigenen Position zumindest in der Innenstadt sogar bei abgeschaltetem GPS recht zuverlässig. Wer jedoch UMTS, WLAN und GPS und womöglich Bluetooth nutzt, dürfte nach ein paar Stunden zum Ladegerät greifen. Im Test hatte der Akku bereits nach rund drei Stunden Internet- und Mail-Spielerei samt ein paar wenigen Telefongesprächen die Hälfte seiner Ladung abgegeben.

Nach dem Entfernen des Gehäusedeckels ist der Schlitz für die microSD-Karte zugänglich. Bei anderen Geräten lassen sich die Karten zwar wechseln, ohne das Gehäuse öffnen zu müssen. Da Vodafone allerdings schon eine 8-GByte-Karte mitliefert, dürfte so ein Austausch wohl nur noch selten erforderlich sein.

Die Bedienung durch Antippen und Wischen ähnelt dem vom iPhone Bekannten, ebenso die automatische Neuorientierung des Bildschirminhalts, wenn der Anwender das Gerät dreht. Allerdings bietet Android bislang keine Geste für das Vergrößern der Anzeige, etwa im Browser. Am oberen Bildschirmrand befinden sich Statusanzeigen für Nachrichten, Bluetooth, WLAN, Mobilfunk, Ladestand und die Uhrzeit. Streicht man von oben nach unten über die Leiste, klappt sie auf (siehe folgende Abb.) und zeigt Details zu entgangenen Anrufen, E-Mail-Empfang et cetera an. An dieser Stelle auch das Ein- und Ausschalten von Bluetooth und WLAN vorzusehen, ist den Android-Entwicklern leider nicht eingefallen. Dafür muss man über "Einstellungen/Wireless" gehen.

In jeder Anwendung erscheint durch Drücken des "Menü"-Knopfs eine Liste der jeweils möglichen Aktionen. Das ist etwas umständlicher als beim iPhone, bei dem sich alle Bedienelemente stets auf dem Bildschirm befinden. Gelegentlich blendet Android selbsttätig Knöpfe und Ähnliches ein, etwa beim Scrollen in Kontakten einen Reiter am rechten Rand sowie Zoom-Controls beim Verschieben der Browser-Seite.

Die Statusleiste informiert über Nachrichten und aktive Funkverbindungen.

Beim Anklicken eines Textfeldes öffnet sich automatisch die virtuelle Tastatur. Für eingegebenen Text bietet sie Komplettierungen an, die gelegentlich hilfreich, gelegentlich abwegig sind. Das automatische Akzeptieren dieser Vorschläge erwies sich im Test als störend, da dabei häufig Unerwünschtes im Eingabefeld landete. Letztlich ging es schneller, aus den Vorschlägen den richtigen auszuwählen oder gleich alles zu tippen, als ein falsch eingefügtes Wort zu korrigieren. Umlaute gibt man durch langes Drücken des zugehörigen Vokals ein. Allerdings nur genau diese – ein é oder ô lassen sich so nicht erzeugen. Die im Netz (s. iX-Link) vorgeschlagene Methode dafür funktioniert mit dem Magic nicht. Immerhin: Wer ein ï oder ein î benötigt, bekommt sie durch Drücken und Festhalten von "i".

Das Einrichten von Mail-Konten und WLAN-Zugangspunkten ist relativ unkompliziert: Man muss keine Details der WLAN-Verschlüsselung kennen, da Android sie selbst ermittelt und lediglich nach dem Passwort fragt. Etwas hakelig wird es jedoch bei SSL nutzenden Mail-Servern, die ein privat signiertes Zertifikat verwenden. Der Client weigert sich standhaft, es zu akzeptieren. Lediglich die Einstellung "SSL if available" statt "SSL always" stimmt ihn milder. Dies aber nur, wenn der jeweilige Server auch auf den Ports für das nicht verschlüsselte Protokoll lauscht.

Eine so strenge Anforderung an das SSL-Zertifikat verwundert etwas angesichts des im Übrigen recht entspannten Verhältnisses zur Sicherheit: Anwendungen mit selbst signierten Zertifikaten installiert Android ohne Murren; ein VPN-Client fehlt; GPG sowie S/MIME für E-Mails ebenfalls. Wünschenswert wäre ein lokaler Zertifikatsspeicher auf dem Gerät, den Anwender oder Administratoren verwalten.

Wer von anderen Telefonen in Profilen gruppierte Einstellungen für (unter anderem) Klingelton und Lautstärke gewohnt ist ("Draußen", "Sitzung", "Lautlos" und so weiter), muss sich umstellen: Das Magic kennt so etwas nicht. Seinem Besitzer bleibt lediglich die Möglichkeit, es lautlos zu schalten.

Bei der ersten Inbetriebnahme bietet das Telefon an, einen vorhandenen Google-Account zu übernehmen oder einen neuen einzurichten. Im ersten Fall importiert es automatisch alle Kontakt- und Kalenderdaten. Andere Synchronisationsmechanismen, etwa für einen Exchange-Server, gibt es bislang nur von Drittanbietern.

Neben Googles eigenen Diensten kann man Mail-Server per POP3 und IMAP anbinden. Der IMAP-Client lässt jedoch noch so manchen Wunsch offen. So ist weder die Sortierung der Nachrichten wählbar (er zeigt sie immer nach Eingangsdatum geordnet an), noch lässt sich in empfangenen Mails suchen. Abonnements für IMAP-Folder ignoriert der Client, sodass er immer alle Folder zeigt. Was jedoch wenig bringt, da er weder das Kopieren noch das Verschieben von Nachrichten in einen Ordner gestattet. Mail-Anhänge werden bislang ebenfalls stiefmütterlich behandelt. Die Warnmeldung beim Weiterleiten einer Nachricht mit Anhang deutet darauf hin, dass der Client das Attachment gar nicht erst herunterlädt. Da stört es dann wenig, dass vorinstallierte Viewer für die üblichen Office-Formate und PDF fehlen.

Ebenfalls abwesend sind Copy & Paste von Mail-Inhalten. Das nervt besonders bei Telefonnummern, denn es gibt keinen Mechanismus, den in einer Mail-Signatur angegebenen Anschluss direkt anzurufen. So bleibt nur der analoge Weg: Zettel und Stift suchen, Nummer abschreiben, Telefonanwendung starten und Nummer abtippen. Smart geht anders.

Offenbar ahnen die Entwickler das, denn das Browser-Menü bietet unter "Mehr" bereits die Option "Text kopieren". Anschließend mit dem Finger Überstrichenes kopiert Android in die Zwischenablage. Wie man es dort wieder herausbekommt, bleibt im Dunkeln. Der Mail-Client bietet jedenfalls kein "Einfügen" an. Lediglich URLs lassen sich zwischen Mails kopieren.

Hinsichtlich Bedienung und Funktionsumfang kann Android bislang weder dem iPhone noch RIMs BlackBerry-Modellen das Wasser reichen. Schon die Standardanwendungen wie Kalender und Adressverwaltung fallen weit hinter dem zurück, was auf einem Palm vor fünf Jahren Stand der Technik war: Es gibt keine Aufgabenliste, Verabredungen lassen sich keine Teilnehmer zuordnen, Kontaktdaten kann man nicht einmal per SMS verschicken.

Mehr Infos

iX-WERTUNG

[+] Bedienung per Touchscreen
[+] flotte Reaktion
[+] einfache Installation weiterer Programme
[-] mangelhafte PIM-Funktionen
[-] IMAP-Client unausgereift
[-] VPN-Client fehlt

So scheiden Geschäftsleute und PIM-Anwender als Zielgruppe aus. Was jedoch bleibt, sind Entwicklerinnen und Bastler. Ihnen bietet das Gerät dank der Integration in Eclipse und der frei verfügbaren Tools (s. "Jenseits von Hallo Welt" auf S. 126 der Printausgabe) Möglichkeiten, die es so auf keinem anderen Gerät gibt. Sie können etwa alle Meldungen eines per USB mit dem PC verbundenen Telefons im Debugger protokollieren. Und je attraktiver Android für Entwickler ist, desto mehr Software entsteht dafür. Was wiederum die Attraktivität für Anwender erhöht.

Googles "Market" hält bereits das eine oder andere Programm bereit, das die vorinstallierte Software ergänzt oder übertrifft. Dazu gehören zum Beispiel Exchange-Anbindungen, Aufgabenverwaltungen und eine SSH-Implementierung. Ein verbesserter Mail-Client ist unter dem Namen K9 (s. iX-Link) beim Android-Projekt in Arbeit. Die Installation von Programmen erfolgt komfortabel durch Auswahl und Anklicken direkt auf dem Telefon. Gelingt es den Entwicklern, sowohl die Fähigkeiten der Geräte auszunutzen (wozu unter anderem ein kompletter Bluetooth-Stack gehört) als auch die Standardanwendungen mit den unverzichtbaren Funktionen wie Copy & Paste auszustatten, könnte Android tatsächlich eine Alternative zum BlackBerry oder zum iPhone werden.

In der Printausgabe lesen Sie außerdem einen Artikel zur Programmierung von Anwendungen für Android.

iX-Link

Gerätedaten
Name HTC Magic
Betriebssystem Android 1.5 mit Linux 2.6.27
Abmessungen 113 x 14 x 55 mm3
Gewicht 119 g
Standby-Zeit bis zu 330 h (lt. Hersteller)
Gesprächszeit bis zu 4 h (lt. Hersteller)
Speicherkarte microSD (8 GByte im Lieferumfang)
Farben 65 536
Auflösung 480 x 320 Pixel
Display-Diagonale 8,13 cm/3,2“
Funktechnik UMTS, GSM-Quadband, WLAN, Bluetooth
Preis ab 1 € mit Vertrag

(ck)