Festgeklopft

Servicevereinbarungen gehören bei IT-Dienstleistern heutzutage zum guten Ton. Solche Verträge dienen manchmal als reine Marketinginstrumente. Dabei bieten sie doch ein gutes Mittel, Leistungen gegenüber den Kunden zu konkretisieren und die Erwartungshaltungen aller Vertragsparteien aufeinander abzustimmen.

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Lesezeit: 14 Min.
Von
  • Peter Haitz
Inhaltsverzeichnis

Die Produktpalette von Hosting-Anbietern reicht von der Bereitstellung einer einzelnen Webseite bis zum Betrieb von komplexen, geschäftskritischen Umgebungen. Die Auswahl des richtigen Dienstleisters fällt manchmal schwer: Immerhin legt der Kunde unter Umständen seine gesamte geschäftliche Existenz in die Hände eines Dritten. Hinzu kommen die unterschiedlichen Produkt- und Servicepaletten der Provider, was Vergleiche erschwert. Die Qualitäten von Hosting-Anbietern stellen sich deshalb meistens erst nach Vertragsabschluss heraus. Dann zeigt sich, ob das Hochsicherheits-Rechenzentrum mit mehrfach redundanter Anbindung und qualifiziertem Personal womöglich nur im Prospekt existiert.

In solchen Fällen bieten Servicevereinbarungen (Service Level Agreements, SLAs) einen Rückhalt. Solche (Zusatz-)Verträge sichern dem Kunden diverse Mindestqualitäten der Services zu, geben zugleich dem Anbieter eine konkrete Richtschnur für seine Leistungen und deckeln im schlimmsten Fall das Risiko für beide Seiten. Es muss sich nicht um separate Verträge handeln: Zusagen zur Dienstqualität können auch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder die Produktbeschreibungen fixieren. Solche Verträge gehen jedoch meistens ins Detail und lassen sich kaum über alle Produkte oder Kunden spannen. Die Nutzung expliziter Service- oder kundenorientierter Verträge bietet sich deshalb an.

Trifft der Anbieter keine konkrete Aussage über die zu erbringende Leistung, muss er sie nach deutscher Rechtsprechung in „mittlerer Art und Güte“ erbringen - eine unpräzise juristische Formulierung. Daher kann laut einem Urteil des Bundesgerichtshof aus dem Jahr 2000 (Az XI ZR 138/00) ohne konkrete Beschreibung des Service sogar eine hundertprozentige Verfügbarkeit erforderlich sein. Schlimmer sind jedoch ungenaue oder schwer messbare Aussagen. Formulierungen, die eine Lieferung der Leistung auf „höchstem Niveau“ anpreisen, können eine Verfügbarkeit von 100 Prozent bedeuten.

Verweist ein Vertrag auf die Service-Ausprägung laut Homepage des Anbieters, handelt es sich nicht unbedingt um einen für den Anbieter bindenden Vertragsbestandteil. Schon eine Änderung der Servicebeschreibung auf der Webseite bedeutete sonst eine Änderung des Vertrags. Allgemeine Beschreibungen sind zudem oft zu weit gefasst: Manche Kriterien sind dem einen Kunden egal, für den anderen jedoch essenziell. So kann sich der Datendurchsatz verringern, wenn sich die WAN-Anbindung ändert. Für normale Webseiten vielleicht marginal, für eine zeitkritische Anwendung jedoch entscheidend.

Obwohl sich die eigentlichen Leistungen letztendlich nicht wesentlich voneinander unterscheiden, zählen SLAs anscheinend immer noch zu gut gehüteten Geheimnissen. Wenige Anbieter bieten eine große Transparenz und veröffentlichen die SLAs oder Bestandteile davon auf ihrer Webseite. Das kommt Kunden entgegen, die die Leistungen bewerten und mit denen anderer Anbieter vergleichen wollen. Eine solche Darstellung der Servicedetails ist aber nur bei Standardangeboten sinnvoll. Bei individuellen Wünschen empfiehlt sich der direkte Kontakt zum jeweiligen Vertriebsmitarbeiter.

Wer einen Hosting-Anbieter ins Auge fasst, sollte die Verträge und die Servicezusagen unter die Lupe nehmen. Dafür gibt es leider keinen Standard: Fachliteratur und entsprechende Webangebote schlagen die unterschiedlichsten Inhalte für Service Level Agreements vor. Inhalt und Umfang von Serivceverträgen hängen sehr vom Produkt und vom Einsatzgebiet ab. Die Prüfung der SLAs durch einen Anwalt kann deshalb sinnvoll sein, jedoch reicht oft bereits ein kritischer Blick auf den angebotenen Vertrag. Es gilt nicht nur die servicerelevanten Zusagen zu betrachten: Augenscheinliche juristische Klauseln oder Aussagen darüber, dass der Anbieter „bemüht ist“, eine Leistung zu erbringen, sollten jedoch Wachsamkeit hervorrufen.

Im Vertragswerk nimmt die Servicebeschreibung einen essenziellen Platz ein. Sie legt die Ausprägung des Produktes fest, zum Beispiel, ob ein Server dediziert oder auch für andere Kunden arbeitet. Als weiteren wichtigen Bestandteil umfasst der Vertrag die Wartungszeiten. Jedes IT-System benötigt Wartung, und bestimmte Eingriffe lassen sich nicht unterbrechungsfrei durchführen. Es gibt kundenspezifische sowie allgemeine und servicespezifische Wartungsfenster, die meist kundenübergreifend gelten, etwa für Mailserver oder die Backbone-Anbindung.

Zum Leidwesen der Kunden fallen Wartungsfenster manchmal recht großzügig aus, und selten lassen sie sich individuell anpassen. Zwar bedeutet nicht jede Wartung einen Ausfall, aber die Wartungszeit kann in die Berechnung der Verfügbarkeit eingehen. Ausfälle in nicht genutzten Wartungsfenstern beeinträchtigen nicht die Verfügbarkeit und verfälschen deren Berechnung. Inwieweit Wartungsfenster den Service beeinträchtigen und in die Kennzahlberechnung eingehen, gilt es zu hinterfragen.

Zu den berühmtesten SLA-Kennzahlen zählt die Verfügbarkeit, und manch ein Anbieter wirbt für sie mit „bis zu 100 Prozent“. Ob es sich um reine Marketingaussagen handelt, können Kunden herausfinden, indem sie die Erhebung, die Mess- und Berechnungsmethode und die Messpunkte hinterfragen. Damit lässt sich bewerten, ob die versprochene Verfügbarkeit auch für das erworbene Produkt gilt. Weiterhin beschränken viele Anbieter die Verfügbarkeitsangaben auf bestimmte Komponenten (etwa das Netz). Derlei Informationen sind vielleicht für technisch orientierte Kunden interessant, sagen aber wenig über die Service-Verfügbarkeit aus.

Die hängt vom Zusammenspiel mehrerer Komponenten ab. Einen guten Blick auf den Service bieten End-to-End-Messungen, die alle relevanten Komponenten einbeziehen. Auch detaillierte technische Kennzahlen werden gerne zur Qualitätssicherung herangezogen. Dazu zählen die Netzlaufzeit (Round-Trip Time, RTT), Bandbreite, CPU-/RAM-Auslastung und so weiter.

Zu jeder Kennzahl sollte hinterlegt sein, wie und in welchen Intervallen die Erhebung von Messwerten stattfindet. Die Überwachung eines Servers via ping oder Portscanner gibt zwar Auskunft darüber, ob eine Netzanbindung an das System besteht, jedoch nicht, ob der Service (etwa der Webserver) funktioniert. Eine gründliche Überwachung lässt sich per End-to-End- oder Geschäftsprozessmonitoring in Verbindung mit einem Content-Check erreichen.

Messungen in kurzen Intervallen bieten zwar schnelle Störungsmeldungen, steigern aber die Belastung des zu überwachenden Systems. Das kann von einer marginalen Belastung bis zur Kapitulation des Systems führen. Zu viel Zeit darf zwischen zwei Messungen aber nicht vergehen, denn so können Ausfälle unbemerkt bleiben. Für jeden Service sind sinnvolle und aussagekräftige Messintervalle festzulegen.

Eine Servicevereinbarung sollte neben den technischen einige organisatorische Aspekte klären, etwa dass ein Provider nicht für vom Kunden verursachte Fehler verantwortlich sein kann, etwa das Löschen von Dateien oder Beenden von Diensten. Der Vertrag sollte den Übergang der Verantwortung im Interesse beider Parteien möglichst genau festlegen. Handelt es sich beim Übergabepunkt um eine Netzkomponente, fällt das leicht. Nicht ganz so trivial verhält es sich im Fall, dass der Provider bis zur Betriebssystem-Ebene verantwortlich ist.

Die Reaktionszeit gibt ganz allgemein an, wie viel Zeit zwischen einem Ereignis und dem Beginn der dazugehörigen Handlung verstreichen darf - nicht etwa bis zur Lösung der Aufgabe. Ohne Konkretisierung hat ein Hoster streng genommen bereits dann die Reaktionszeit eingehalten, wenn er nur eine Fehlermeldung zur Kenntnis genommen hat.

Egal, welche Kennzahlen sinnvoll und vereinbart sind: Auch die Art und Weise des Reportings ist klar zu definieren. Von Online-Reporting über E-Mail-Alarme bis hin zu persönlichen Besprechungen von Serviceverfehlungen sollte der Hoster einen Nachweis über die Leistung erbringen. Ferner ist darauf zu achten, ob und in welcher Weise die dargestellten Werte zusammengefasst wurden. Zudem steigt mit dem Darstellungszeitraum die Ungenauigkeit.

Im Bereich der organisatorischen Regelungen treffen Serviceverträge häufig Aussagen zur Mitwirkungspflicht des Kunden. So manche Störungsmeldung ist nur in Zusammenarbeit mit dem Kunden zu bewältigen. Die Spanne der Pflichten reicht von der Nennung von Ansprechpartnern bis zur konkreten Unterstützung bei der Fehlerbehebung. Ohne klare Regelung kann es zu gegenseitigen Schuldzuweisungen kommen - kontraproduktiv vor allem in zeitkritischen Fällen.

Neben Aussagen über Maßnahmen in Störungsfällen gehören solche über organisierte Abläufe im Regelbetrieb (zum Beispiel nach der IT Infrastructure Library, ITIL) zu den Vereinbarungen zwischen Kunden und Anbietern. Incident-, Change-, Eskalations- und Release-Management sind ab einer gewissen Komplexität unabdingbar für einen sicheren und stabilen Betrieb.

Wie bei den technischen Aspekten sollte bei den organisatorischen Vereinbarungen die Art des Nachweises geklärt sein. Nachweise über Reaktionszeiten kann der Zeitstempel des Ticketing-Systems liefern. Generell sollte im Zweifel der gesunde Menschenverstand entscheiden. Als Richtschnur gilt für SLAs das Prinzip „SMART“: specific (klar definiert), measurable (nachvollziehbar), achievable (erreichbar), relevant (sachdienlich) und timely (zeitgerecht).

Selbstverständlich hat der Kunde ein Recht auf Entschädigung, wenn die erworbene Leistung nicht der versprochenen Qualität entspricht. Um Diskussionen darüber im Voraus den Boden zu entziehen, können SLAs sogenannte Malus-Regelungen umfassen. Die legen fest, wie Kunden zu entschädigen sind, wenn die zugesagten Leistungen ausbleiben. Die Zahlungen an den Kunden reichen von Kleinstbeträgen über das anteilige Monatsentgeld bis zu hohen Vertragsstrafen.

An dieser Stelle müssen die Beteiligten jedoch abwägen, welche Kosten ein Ausfall der Dienstleistung nach sich zieht. Bei einer einfachen, privaten Homepage halten sie sich in Grenzen. Wenn eine große Internetanwendung (etwa ein Onlineshop, ein Reiseportal oder eine Bank) versagt, kann jedoch schnell ein hoher finanzieller und darüber hinaus ein Image-Schaden eintreten. Die Rückerstattung einer Monatsgebühr dürfte solch einen Schaden kaum aufwiegen. Wenn die Beteiligten eine höhere Rückerstattung vereinbaren, lässt der Anbieter das in seine Kalkulation einfließen, was den Service meist verteuert.

Auf jeden Fall ist darauf zu achten, dass die Serviceverträge nicht im Widerspruch zu anderen Dokumenten, Regelungen oder gesetzlichen Vorgaben stehen. Immerhin stellen standardmäßig vorgeschlagene SLAs Allgemeine Geschäftsbedingungen dar. Sie unterliegen daher den strengen Vorgaben des AGB-Rechts.

Um in Erfahrung zu bringen, in welcher Form Hosting-Anbieter SLAs anbieten, bat die iX rund 450 Unternehmen um Auskunft. Die Fragebögen gingen im Wesentlichen an die E-Mail-Adressen in der iX-Provider-Datenbank. Darin sind neben Full-Service-Providern auch reine Connectivity-Anbieter vertreten.

Dass aber nur etwa sieben Prozent der Befragten überhaupt antworteten, lässt darauf schließen, dass SLAs vor allem für Endverbraucher noch wenig verbreitet sind. Die wenigen Rückläufer enthielten jedoch größtenteils detaillierte Antworten, was auf ein ausgeprägtes Serviceverständnis bei den reagierenden Firmen hinweist.

Die Umfrage beschränkte sich nicht auf bestimmte Produkte. Wenige der antwortenden Unternehmen bieten ihren Kunden lediglich SLAs in Form fester Standardverträge an. Die meisten haben neben den Standard-SLAs auch individuelle Erweiterungen oder komplett kundenspezifische Verträge im Programm.

Viele Unternehmen gaben an, dass sich ein SLA in ihrer Preispolitik widerspiegelt. Die Aufschläge gegenüber einem Nicht-SLA-Angebot liegen zwischen „marginal“ und 500 Prozent. Die Möglichkeit einer kostenpflichtigen SLA-Erweiterung gaben knapp 30 % der Befragten an. Viele wiesen jedoch darauf hin, dass SLAs ohnehin Bestandteile der Produkte sind - solche Hosting-Dienstleister sind offenbar von den Vorteilen von Servicevereinbarungen überzeugt.

Auf den Anbieter-Webseiten fanden sich in der Regel Hinweise auf die Absicherung der Dienstleistung durch entsprechende Verträge. In einigen Fällen waren sogar Standard-SLAs frei zugänglich. Das ist erfreulich transparent, lässt aber keinen Rückschluss auf kundenspezifische Änderungen oder Verträge zu.

In nahezu allen Antworten war die Rede davon, dass die Verträge organisatorische Vereinbarungen enthalten. Die Ausprägungen reichten von der Annahme und Bearbeitung von Incidents (Störungen) bis hin zu komplexen, ITIL-orientierten Abläufen. Fast alle Unternehmen gaben an, dass der Kunde mit dem SLA auch Kontaktdaten für Notfälle erhält oder zumindest per spezieller Produkterweiterung „hinzukaufen“ kann.

Einige der Anbieter differenzierten die technische Unterstützung - die für den Anbieter teuer sein kann - nach bestimmten Produktgruppen und der Art der Kommunikation. So erhalten nicht alle Kunden eine kostenlose telefonische 24x7-Unterstützung durch die Hotline oder nur Unterstützung zu bestimmten Zeiten. Bietet ein Hosting-Dienstleister individuelle Verträge an, so kann der Kunde auch meist die Erreichbarkeit der Hotline an seine Bedürfnisse anpassen. Ob sich das im Produktpreis widerspiegelt, ist nicht bekannt, jedoch wahrscheinlich.

Bei den Mitwirkungspflichten zeigte sich ein durchwachsenes Bild. Sowohl keine Mitwirkung als auch die Verankerung genereller Pflichten in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) wurde angegeben. Nahezu einhellig vertreten war die Meinung der Hosting-Dienstleister, dass die Services in einem SLA nicht als „Black Box“ vorkommen, sondern aufgeschlüsselt sein sollten.

Erfreulich: Ein Großteil der Hosting-Unternehmen bietet individuelle Wartungsfenster an oder kann zumindest allgemeine Wartungsfenster an Bedürfnisse der Kunden anpassen. Die Antwort eines Anbieters war jedoch erschreckend: Er gab Wartungsfenster von zusammen 47 Stunden pro Woche an. Das relativiert die versprochene Verfügbarkeit von 99,9 Prozent.

Im Bereich des Reportings ließen die Antworten bei kaum einem Dienstleister Wünsche offen. Die gängigsten Kennzahlen waren abgedeckt, und auch die Intervalle lagen - wenn sie nicht sogar individuell anpassbar waren - innerhalb akzeptabler Bereiche. Die Berichte stehen meist digital zur Verfügung, und sogar die Reflexion mit Kundenverantwortlichen findet sich im Portfolio.

Bei Bonus-/Malusregelungen war die Darstellung wieder recht unterschiedlich. Von keiner Regelung bis zu individuellen Vereinbarungen reichten die Antworten. Kein Anbieter gab die Existenz einer Bonusregelung an, von der der Dienstleister etwa bei Übererfüllung profitieren könnte.

Das Angebot und die Detaillierung von Service Level Agreements zeigt, dass Kunden vermehrt eine Absicherung für ihre Dienstleistungen wünschen und sich immer weniger auf vage Zusagen verlassen. Dafür müssen sie bereit sein, höhere Kosten zu tragen. Aber auch die Anbieter haben die Chance von SLAs erkannt und sehen die Serviceverträge nicht als Damoklesschwert, sondern als Chance für eine gute Zusammenarbeit, die letztlich Servicequalität und Kundenzufriedenheit steigert.

Den vollständigen Artikel mit einer mehrseitigen, detaillierten tabellarische Anbieterübersicht finden Sie in der Printausgabe. (un)