Film und Wirklichkeit

Seit dem 8. Juni lädt Kassel mal wieder die Kunstbegeisterten der Welt zu sich ein. Einhundert Tage lang präsentiert die Documenta 11 zeitgenössische Werke. Wer die Reise in die hessische Metropole in dieser Zeit nicht schafft, dem bleibt der mittlerweile übliche Trost: Online gibt es reichlich Informationen zu den schönen Künsten - und nicht nur auf die Documenta bezogen.

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Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Kersten Auel
Inhaltsverzeichnis

Es ist sicherlich nicht verwegen zu behaupten, dass Documenta-Besucher Neuem gegenüber aufgeschlossen sind. Und wo findet man mehr Neues und Aktuelles als im Web? (Ja, ja auch alte Hüte und tote Links - doch davon sei hier geschwiegen.) Wer nicht völlig ohne Vorinformationen zur weltweit bedeutendsten Ausstellung moderner Kunst anreisen will und es versäumt hat, sich rechtzeitig über Fernsehen oder Printmedien zu informieren, wird natürlich wie üblich im Internet fündig. Einmal kurz ‘documenta’ in eine Suchmaschine eingetippt, und man kann nach Herzenslust stundenlang surfen (und dabei hoffentlich nicht den Zug nach Kassel verpassen).

Ein Tipp für Menschen, die ihrem Browser nicht automatisch die komplette Bildschirmfläche einräumen und es auch gar nicht schätzen, wenn andere ihren heimischen Desktop usurpieren: Statt über die offizielle Eingangsseite zu gehen, kann man die dort angebotenen Entscheidung, ob englisch oder deutsch, schon vorher treffen. Wer sich dagegen gern auf ein einziges Fenster konzentriert, den belohnen die Website-Macher mit fröhlich bunten Farben. Nach dem Zufallsprinzip erscheint die Eingangsseite in einer der Farben, die die fünf inhaltlichen Plattformen der Documenta 11 charakterisieren.

Zu verstehen sind darunter Diskussionsplattformen, die Kunst im politischen und sozialen Kontext betrachten. Diese haben bereits im Vorfeld der Ausstellung - seit Oktober 2001 - in verschiedenen Orten beziehungsweise Erdteilen stattgefunden. Einen Einblick in die Konzepte von Plattform 1 bis 4 gibt jeweils ein Klick auf die entsprechende Farbe (Orange, Grün, Pink und Gelb). Die Farbe Blau führt zur fünften Plattform: der Ausstellung in Kassel. Zu den dort vorgestellten Arbeiten zählen nicht nur statische Werke, die jeden Tag zu sehen sind, sondern auch Workshops, Performances oder Theateraufführungen. Das aktuelle Tagesprogramm findet sich unter dem gleichnamigen Menüpunkt.

Dieses Angebot sowie die rund 450 Arbeiten von 116 Künstlern mögen den einen oder die andere verleiten, mehr als nur einen Tag in Kassel zu verbringen. Informationen über Dauerkarten und Bestellmöglichkeiten derselben bietet die offizielle Site. Wer außerdem noch nach einer Übernachtungsmöglichkeit sucht, wird in einem, Cocooning-Loft genannten, umgebauten Fabrikgebäude fündig. Dort stehen den ‘jungen und abenteuerlustigen’ Documenta-Besuchern 150 Betten zu je 18 EUR pro Person inklusive Frühstück, Dusche und Toilette zur Verfügung. Eine Altersgrenze wird übrigens nicht genannt.

Auch die Bundesbahn lässt sich nicht lumpen und stellt als einer der Hauptsponsoren nicht nur den Südflügel des Kassler Hauptbahnhofs als Ausstellungsgebäude zur Verfügung, sondern verkauft außerdem Eintrittskarten (solange der Vorrat reicht) und bietet in Verbindung damit Sonderkonditionen für die Anreise an.

Während die weltweite Kunstszene der Documenta-Eröffnung eher freudig entgegengeblickt hat, ist ein anderes, fast zeitgleiches Ereignis der Kategorie von Neuigkeiten zuzurechnen, auf die man lieber verzichtet: Ende Mai ist Niki de Saint Phalle im Alter von 71 Jahren in Kalifornien gestorben. Neben dem Sprengelmuseum, dem die Künstlerin vor knapp zwei Jahren rund 360 ihrer Werke geschenkt hat, haben die am Leineufer aufgestellten Nanas dazu beigetragen, dass die niedersächsische Landeshauptstadt nicht nur wegen der CeBIT oder der Expo über die Landesgrenzen hinaus bekannt ist. Von der Protestwelle, die Niki de Saint Phalle 1974 mit ihren übergroßen, bunten Figuren ausgelöst hat, wollen die Hannoveraner heute übrigens nichts mehr wissen. Wer die Nanas noch nicht in Natura gesehen hat, kann sich auf dieser Seite einen ersten Eindruck verschaffen. Unter Punkt 6 des in einem Extrafensterchen aufgehenden Stadtplans wird man fündig.

Alle, die jetzt auf den Geschmack gekommen sind, und noch mehr Arbeiten der Künstlerin sehen wollen, können weitersurfen ins italienische Ausland. Der Tarrot Garden in Rom erinnert nicht von ungefähr an den Park Güell in Barcelona. Die 1930 in Neuilly-sur-Seine geborene Künstlerin sah erstmals 1955 in Barcelona Bauten des spanischen Architekten und war speziell von seinem ursprünglich als Privatgarten konzipierten Park im Norden der Stadt beeindruckt und so begeistert, dass sie beschloss, eines Tages einen eigenen Garten anzulegen, der Kunst und Natur verbindet. Mehr über Niki de Saint Phalle, die Stationen ihres Lebens und ihre Werke finden sich ebenfalls auf der ‘Official Website’.

Das Schöne an offiziell anerkannter Kunst ist, dass nicht nur sie selbst die Zeit überdauert, sondern auch ihre Schöpfer über die Jahrhunderte hinweg im übertragenen Sinne unsterblich macht. Zeugnis dafür sind unter anderem zwei in diesem Jahr in deutschen Kinos anlaufende Filme. Seit dem 6. Juni ist ‘Pollock’ zu sehen, eine ‘filmische Umsetzung der mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichneten Künstlerbiografie ‘Jackson Pollock: An American Saga’ von Steven Naifeh und Gregor White Smith. Das Porträt des amerikanischen Künstlers gibt Einblick in die New Yorker Künstlerszene der 40er- und 50er-Jahre. Ed Harris, gleichzeitig Produzent, Regisseur und Hauptdarsteller, erhielt für ‘Pollock’ im letzten Jahr eine Oscar-Nominierung als bester männlicher Darsteller.

Noch ein wenig gedulden müssen sich die Bewunderer Frida Kahlos. Die Neuverfilmung ihres Lebens läuft erst ab Oktober in deutschen Kinos. Wer nicht so lange warten möchte, kann sich natürlich vorab im Web über das ausschweifende, wenn auch kurze Leben der mexikanischen Künstlerin informieren. Der 1954 verstorbenen Gattin des durch seine revolutionären Wandmalereien zu Berühmtheit gelangten Diego Rivera werden unzählige Affären nachgesagt, unter anderem mit dem Kommunisten Leo Trotzki und der Malerin Georgia O’Keeffe. Neben diesen pikanten Details und einer Biografie bietet etwa bei AOL weitere unterhaltsame Links an, beispielsweise zu ‘Frida Kahlo’s Interactive Wardrobe’, wo man ausprobieren kann, ob der Malerin rosa oder blau besser steht. Und wers noch interaktiver mag, findet hier sogar einen Chat. Wer braucht da noch Kino? (ka)