Gefährlicher Schnellschuss

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Jürgen Seeger

Als Großmeisterin der politischen Kommunikation hat sich wieder einmal die Bundesfamilienministerin entpuppt. Ursula von der Leyen, Trägerin des PR-Preises "Kommunikatorin des Jahres 2007", kämpft im Superwahljahr an vorderster Front gegen eine der geschmacklosesten Inkarnationen des Bösen und tut endlich etwas gegen die Kinderpornografieangebote im Internet.

Und damit das alles nicht wieder von den ewigen Querulanten auf die lange Bank geschoben wird, braucht's dazu auch kein Gesetz – Provider und Bundeskriminalamt setzen sich einfach in trauter Runde zusammen und entscheiden, was gesperrt gehört. Über die Gegner dieses Vorhabens kann man sich eigentlich nur wundern – sind die etwa für Kinderpornografie?

Mittlerweile ist die Diskussion ein bisschen weiter, und es gibt immerhin ein Gesetzesvorhaben. (Das hatte das BKA schon 2007 gefordert.) Es gibt auch eine Online-Petition gegen diesen Gesetzesentwurf, mit bis jetzt über 80 000 Unterzeichnern. Nicht nur das: Kritik kommt von allen Seiten; zum Teil mit Argumenten, die an der Sache vorbeigehen.

So sind in der Tat DNS-Umleitungen auch von technisch Unbedarften zu umgehen, aber das wissen natürlich auch das BKA und die Ministerialbeamten und haben darum Nameserver-Manipulationen allenfalls als Minimalvariante im Sinn. Geplant sind deutlich effektivere Schutzmaßnahmen; Maßnahmen, mit denen Staaten wie China, der Iran oder Saudi-Arabien reichlich Erfahrung haben. Als Stichworte seien nur Paketfilter und "Policy-Based Routing" genannt.

Es geht also nicht um einen bürokratischen Schildbürgerstreich, sondern um ziemlich wirksame Sperrmethoden. Ob diese den Umsatz mit Kinderpornografie eindämmen, ob sie überhaupt in irgendeiner Weise relevant für das Problem sein werden, wissen derzeit weder Befürworter noch Gegner des Projekts. Denn die viel zitierten Erfahrungen aus Skandinavien sind nur begrenzt übertragbar, und in der Diskussion darüber werden – wie üblich – Zahlen zu polizeilichen Ermittlungen, eingeleiteten Strafverfahren und gerichtlichen Verurteilungen munter durcheinandergewürfelt.

Doch die Sperren als solche sind wirksam. Wichtiger noch: Mit dem geplanten Gesetz wird eine ganze Infrastruktur zum Sperren von Webseiten installiert. Obendrein entscheiden nicht Richter, sondern das Bundeskriminalamt, was gesperrt wird. Die Betreiber betroffener Websites können natürlich – wie gegen jede Behördenentscheidung – Einspruch dagegen erheben. Dennoch ist meines Erachtens so eine Entscheidung bei einer Polizeibehörde falsch angesiedelt.

Sowohl die Ansiedlung der Erstellung der Sperrliste beim BKA als auch die plötzliche Eile, mit der das Gesetzesvorhaben durchgepeitscht wird, begründen die Befürworter mit der besonderen Verwerflichkeit der Tat. (Das Gesetz soll bereits Anfang Juli durch den Bundesrat gehen!)

Wenn es aber um ein Ausnahmedelikt geht, warum dann eine Erweiterung des Telemediengesetzes? Ginge es ausschließlich um die Kinderpornografie, wäre eine "Internet-Ergänzung" des § 184b StGb (Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornografischer Schriften) wesentlich logischer.

Doch diese hektisch betriebene Ergänzung des Telemediengesetzes öffnet der Ausdehnung von Internetsperren Tür und Tor – sei es wegen des Vorwurfs der Verbreitung von Raubkopien, wegen verfassungsfeindlicher Inhalte, Terrorismusförderung und und und. Die entsprechenden Interessengruppen haben bereits Bedarf angemeldet.

Und darum finden Sie die URL der oben erwähnten Petition auch unter dem iX-Link zum Artikel. Ich habe selbst auch schon unterzeichnet.

iX-Link (ole)