Gürtel enger schnallen

Mussten sich die IT-Profis im vergangenen Jahr mit deutlich geringeren Gehaltszuwächsen begnügen, konsolidieren sich heuer die Entgelte auf deutlich niedrigerem Niveau. Manch einer musste erkennen, dass „der variable Gehaltsanteil in Krisenzeiten simpel niente“ bedeuten kann.

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Von
  • Achim Born
Inhaltsverzeichnis

Die in der Werbung losgetretene Geizkultur scheint ihre Anhänger unter den Personalverantwortlichen gefunden zu haben. Verordneten sie den IT-Spezialisten für das vergangene Jahr ungewohnt geringe Gehaltszuwächse, müssen sich die Beschäftigten nun häufig mit Nullrunden bescheiden, mitunter sogar weniger in der Lohntüte akzeptieren odger starten als Berufsanfänger im Vergleich zu den Boomjahren auf niedrigerem Niveau.

„Unsere Gehaltsanalyse zeigt, dass der Rückgang im IT-Bereich sich auch bei der Entwicklung der Gehälter niedergeschlagen hat“, verweist Jürgen Peters von der IG Metall auf die statistische Untermauerung dieser Entwicklung. Laut der im März veröffentlichten neuen Gehaltsanalyse der IG Metall sind die Durchschnittswerte der Entgelte gegenüber dem Vorjahr erstmals leicht gesunken.

Als Grund nennt der designierte IGM-Boss den Rückgang der variablen Entgelte, die in den höheren Gehaltsgruppen oft einen großen Anteil haben. Berufsgruppen mit einem vergleichsweise hohen variablen Anteil - wie etwa Vertriebsmitarbeiter - müssen sich laut Peters teilweise mit dem vertraglich abgesicherten Fixum begnügen. In Folge dessen reduzierten sich die durchschnittlichen Jahreseinkommen jüngerer Vertriebsmitarbeiter um satte 10 Prozent von 65 850 EUR auf jetzt 59 957 EUR.

Statistische Verluste hinsichtlich des Durchschnittsverdienstes müssen laut IGM nahezu alle Tätigkeitsgruppen hinnehmen. Wurde für einen Junior-Berater in der 2002er-Studie noch ein gewichteter Mittelwert (Firmendurchschnitt) von 39 536 EUR ausgewiesen, sind es in der aktuellen Untersuchung magere 37 006 EUR. Auch seine Kollegen mit mehr Erfahrung müssen sich mit weniger begnügen und bringen es auf durchschnittlich 46 533 EUR (von 48 586 EUR) als (Fach-)Berater sowie 58 124 EUR (von 56 632 EUR) als Senior-Berater. Allein Chefberater und Manager durften sich über 4584 EUR (auf 70 935 EUR) beziehungsweise 17 175 EUR (auf 97 391 EUR) mehr freuen.

In der Hardwarefertigung sank das gewichtete Mittel von 40 000 EUR auf 36 151 EUR für den Junior-Entwickler und von 48 710 EUR auf 46 173 EUR für den Entwickler, während Senior-Entwickler (56 198 EUR), Gruppenleiter (73 577 EUR) und Leiter Entwicklung (102 525 EUR) etwa ihr Niveau halten konnten. Kaum Veränderungen gegenüber der 2002er-Erhebung weisen ebenso die im Bereich Software-Engineering Tätigen an, wo allein Projektleiter im Durchschnitt ein um rund 12 Prozent reduziertes Salär von 70 116 EUR beziehen.

Das gesunkene mittlere Einkommensniveau bedeutet für den Einzelnen natürlich nicht zwangsläufig, dass er weniger in der Tasche hat. Vielmehr ist es ein Indikator für die Gehaltsentwicklung einer Berufsgruppe. In dieser Hinsicht fällt zusätzlich auf, dass die Bandbreite der Einkommen deutlich schrumpft. Mit anderen Worten: Minimal gibt es mehr und maximal weniger.

Es ist weiterhin zu beachten, dass im IGM-Jargon „Entgelt“ allein das effektive Jahreseinkommen umfasst, das aus Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag abgesicherten Bestandteilen wie Urlaubsgeld, 13. Monatsgehalt oder Jahressonderzahlungen besteht. Variable Gehaltsanteile (Firmenwagen, Betriebsrente, Aktien/Optionen et cetera) werden dagegen gesondert als Zusatzleistungen ausgewiesen und können mitunter bis zu 50 Prozent (Vertrieb) zusätzliche Einkünfte ausmachen. Traditionell normieren die Metaller die Entgelte zudem auf 35 Arbeitsstunden pro Woche. Dies passt zwar in das Gewerkschafterbild, gilt allerdings gerade einmal für die Hälfte der 31 Großbetriebe, von denen über 19 000 Daten in den Gehaltsspiegel flossen. Wer die Werte auf Basis einer 40-Stunden-Woche wissen möchte, muss simpel 14,3 Prozent hinzurechnen.

Andere Gehaltslisten wie von Kienbaum, Computerwoche/Prisma-Professor Scholz oder der iX- Schwesterzeitschrift c’t nehmen diese feinsinnige Normierung und Ausgrenzung der variablen Anteile nicht vor. Sie sind folglich ehrlicher, was das tatsächliche Monatssalär betrifft. Sie lassen allerdings den Gesichtspunkt außen vor, wie lange jemand für ein bestimmtes Einkommen arbeiten muss. Beispielsweise arbeiten laut der Prisma-Untersuchung mehr als Hälfte der befragten IT-Profis zwischen 41 und 50 Stunden und 18 Prozent sogar mehr als 50 Stunden pro Woche. Extra vergütet bekommt allerdings nur eine Minderheit von 28 Prozent diese Mehrarbeit.

Die genannten Gehaltsstudien nehmen sich zudem der Spezies IT-Spezialisten als Ganzes - also branchenübergreifend - an, während die IGM natürlich nur ihr Klientel, die IT-Branche, bedient. Dies gilt es beim Vergleich der einzelnen Ergebnisse ebenso zu beachten, wie die allgemein dünnen, mitunter willkürlichen Grundgesamtheiten, die kaum der hehren statistischen Lehre genügen. Letzteres gilt aber gleichermaßen für Gehaltsanalyse-Tools, die von Portalen wie jobpilot.de gegen kleines Entgelt offeriert werden. Denn auch diese stützen sich in ihrer Analyse allein auf die Datensätze der eigenen Datenbank. Ungeachtet der vermeintlich hohen Präzision durch die in die (Vergleichs-)Berechnung einbezogenen Faktoren wie Region, Branche, Betriebsgröße, Ausbildung, Berufserfahrung und Alter sollte man deshalb entsprechende Vorsicht bei den Ergebnissen walten lassen und diese allenfalls als Richtwert ansehen.

Trotz aller Unterschiede in Aufbau und Struktur der Berechnung sind die Ergebnisse in der Tendenz stimmig und schlüssig. Die Flaute in der Industrie schlägt sich in den Gehältern nieder und sorgt für stagnierende beziehungsweise rückläufige Einkommen der IT-Profis.

„Einzelne Positionen können auch 2002 noch größere Zuwächse verzeichnen. Die Gehälter in der Datenverarbeitung haben sich aber insgesamt ähnlich wie in der Informationstechnologie gegenüber dem Vorjahr kaum verändert. „Neueinsteiger und Jobwechsler erhalten zurzeit fast durchweg geringere Gehälter als noch vor einem Jahr“, fasst Kienbaum-Projektleiter Malte Alexander Brümmer die Ergebnisse der Studie seines Unternehmens zusammen.

Der Kienbaum-Mann kommt zu diesem Schluss trotz einer durchschnittlichen registrierten Steigerung der Gehälter von Fachkräften in der Datenverarbeitung im Jahr 2002 um durchschnittlich 2,4 Prozent sowie der von Führungskräften um 3,5 Prozent. Der Grund liegt in der unterschiedlichen Entwicklung einzelner Aufgabenfelder; ein Systemprogrammierer muss zum Beispiel 3000 EUR weniger (54 000 EUR) akzeptieren.

Ein differenziertes Bild für einzelne Aufgabenbereiche bezüglich Gehaltszu- und -abschlägen zeichnet die Untersuchung von Computerwoche/Professor Scholz. Große Gewinner waren beispielsweise Datenbankentwickler mit einem Plus von über 10 Prozent auf 71 263 EUR oder Sicherheitsexperten mit einem Sprung um fast 25 Prozent auf 58 150 EUR, während Netz- und Systemadministratoren oder Multimedia-Spezialisten im vergangenen Jahr zum Teil noch höhere Einbrüche hinnehmen mussten. Schwankungen gibt es zudem innerhalb einzelner Tätigkeitsfelder, wie die IGM-Statistik verdeutlicht. Diese beruhen auf den bekannten Faktoren betriebliche Stellung, Personalverantwortung und Betriebszugehörigkeit, aber auch Unternehmensgröße, Branche und Standort.

Als entscheidende Faktoren für die Gehaltsbestimmung von Führungskräften machte Kienbaum die Unternehmensgröße, die Struktur der Hierarchieebenen sowie den Grad der Verantwortung aus. Die Gehaltsunterschiede können sich dabei auf 20 bis 30 Prozent belaufen. Für einen Leiter Entwicklung bedeutet dies 73 000 oder 105 000 EUR Jahresverdienst. Bei Fachkräften sind es dagegen Erfahrung sowie Unternehmens- und Positionszugehörigkeit, die eine wesentliche Rolle bei der Gehaltsbemessung spielen. Im Falle eines Netzwerkadministrators ermittelten die Gummersbacher eine Spannweite von 44 000 EUR bei Einsteigern bis zu 66 000 EUR bei längerer Unternehmenszugehörigkeit.

Auch hält der Trend zur variablen Vergütung an, der weitere Differenzierungsoptionen eröffnet. 71 Prozent der Führungskräfte und 30 Prozent der Fachkräfte beziehen laut Kienbaum einen erfolgsabhängigen Gehaltsteil. Dieser erreicht durchschnittlich 17 000 beziehungsweise 6000 EUR. Die Höhe schwankt zwischen den Positionen noch erheblich und liegt zwischen 6 und 26 Prozent.

Noch genauer geht eine Gehaltsstudie mit dem sinnigen Titel „Was IT-Manager verdienen“, die Towers Perrin für die Computerwoche bei 97 Firmen durchführte, auf die Unterschiede der Vergütung hinsichtlich des fixen Grundgehalts und der Zielvergütung (Grundgehalt inklusive variabler Bestandteile) ein. Danach macht für Bereichsleiter bei Softwarefirmen der variable Anteil über ein Drittel des Gehaltes aus. Ihre Pendants in Anwenderunternehmen müssen dies für ein Viertel ihres Zieleinkommens hinnehmen. Die Towers-Perrin-Untersuchung verifiziert außerdem den hinlänglich bekannten Umstand, dass die Höhe des variablen Anteils mit der Hierarchiestufe des Mitarbeiters in einem engen Zusammenhang steht.

Grundgehalt und Zielvergütung
Anwender Softwareanbieter Services-Anbieter
Stellung Grund-
gehalt
*Ziel-
vergütung
Grund-
gehalt
*Ziel-
vergütung
Grund-
gehalt
*Ziel-
vergütung
Bereichsleiter 94 119 103 140 96 130
Abt.-Leiter 76 89 77 94 81 98
Gruppenleiter 64 72 64 80 73 75
Key Account Manager 55 87 54 108 63 76
VB 53 82 54 99 58 100
Projektleiter 64 70 63 73 69 71
* einschließlich der variablen Anteile
Angaben in Tausend Euro
Quelle: Towers Perrin, 2003

So lange der Laden brummt, braucht man sich über eine solche Aufteilung keine Gedanken zu machen. Läuft es schlecht, kann sich der variable Anteil allerdings schnell auf die Null-Marke zubewegen. Studienautor Dirk Ewert gab bei der Vorstellung der Untersuchung auf der Cebit zu verstehen, dass Firmen verstärkt zu diesem Mittel griffen und bei mangelnder Leistung überhaupt kein Bonus gezahlt werde. Weitere probate Mittel seien aktuell das Einfrieren der Gehälter und der Wegfall des Gießkannen-Prinzips bei zusätzlichen Leistungen.

Kurzum: Gehälter werden stärker in Relation zur wirtschaftlichen Entwicklung gesetzt. In der Beförderungspolitik hat sich laut Ewert zusätzlich die Tendenz der „costless promotion“ eingeschlichen. Gemeint ist damit, dass ein Aufstieg in der Hierarchie zumindest für das erste Jahr nicht mit einem höheren Salär verknüpft ist. Mit diesen Maßnahmen versuchen die Unternehmen nach Ansicht des Towers-Perrin-Mannes, die Sünden aus den Boom-Jahren mit ihren ausufernden Gehaltsstrukturen über die Zeit wieder auf ein vertretbares Maß zurückzuführen.

Spanne der Jahresgehälter
Firmendurchschnitt Einzelgehalt Einzelgehalt Vorjahr
Funktion minimal maximal minimal maximal minimal maximal
Juniorberater 30 47 26 60 20 75
Berater 37 57 28 87 26 93
Seniorberater 47 67 26 91 28 102
Chefberater 54 92 44 100 38 136
Manager 59 107 45 182 45 175
Hrw-Juniorentwickler 31 41 29 47 28 46
Hrw-Entwickler 40 50 38 54 40 53
Hrw-Seniorentwickler 44 57 43 62 46 64
Gruppenl. Entwicklung 70 79 57 94 57 94
Leiter Entwicklung 66 107 65 182 65 175
Systeming./DB-Admin 42 75 35 87 30 86
Sfw-Juniorentwickler 33 45 26 64 22 81
Sfw-Entwickler 39 69 25 76 21 95
Sfw-Seniorentwickler 43 78 35 92 31 107
Projektleiter 60 87 44 129 37 175
Trainer/Dozent 42 54 32 57 37 70
Junior-VB 35 69 33 76 30 120
VB 48 84 38 94 35 124
Vertriebsleiter 60 107 53 182 54 152
Angaben in Tausend Euro, auf 35-Std.-Basis
Quelle: IGM, 2003

Die tatsächlich Leidtragenden der in den Gehaltsspiegeln niedergeschriebenen Entwicklung sind allerdings nicht die Arbeitsplatzbesitzer, sondern die Berufseinsteiger. Mit nur noch 38 000 EUR erzielte der durchschnittliche IT-Berufseinsteiger laut Kienbaum im Jahr 2002 um die 10 Prozent weniger als noch vor zwei Jahren. Rückläufig sind nach der IGM-Erhebung auch die durchschnittlichen Einstiegsgehälter von Fachinformatikern (2003: 30 943 EUR, 2002: 33 094 EUR), IT-System-Kaufmann/-Kauffrau (29 695 EUR, 30 191 EUR) und Informatik-Kaufmann/-Kauffrau (25 740 EUR, 29 370 EUR). Die erstmals aufgeführten Absolventen von Berufsakademien (Fachrichtungen Wirtschaftsinformatik oder Informationstechnik) bringen es durchschnittlich auf 36 445 EUR.

Gehälter nach Funktion
Jahr Jahr
Funktion 2002 2001
Berater 76 74
DB-Entwickler 71 64
DV-Organisator 66 66
SAP-Spezialist 65 71
IT-Sicherheit 58 46
Internet-Spezialist 57 54
Anwendungs-/Sfw-Entwickler 52 56
Netzwerk/Systemadmin 44 53
Multimedia/Web/Content 36 56
Angaben in Tausend Euro
Quelle:Computerwoche/Prisma 2003

Quelle: Computerwoche/Prisma 2003

Da sich die Einstiegsgehälter im Vergleich zu anderen Berufen als auch im europäischen Umfeld trotz der Reduktionen nach wie vor auf einem hohen Niveau bewegen, ist echtes Wehklagen hier wohl fehl am Platz. Mehr Kopfzerbrechen sollte man sich angesichts der mauen Arbeitsmarktlage inklusive Job-Flaute (siehe iX 5/2003, S. 33) machen. Und um keine falsche Hoffnung aufkommen zu lassen: Es ist gegenwärtig nicht erkennbar, ob sich diese Situation in nächster Zeit bessert. Schließlich gehen Experten davon aus, dass allein im derzeitigen (IT-)Beratermarkt noch Überkapazitäten von bis zu 50 Prozent vorhanden sind.

Hinzu kommt, dass die Informatikstudiengänge übervoll sind, weil viele erst in den Boom-Zeiten vor zwei, drei Jahren das Studium aufnahmen. Wenn die nun in nächster Zeit auf den Markt drängen, werden sie - wie bereits heute mancher Azubi - Schwierigkeiten haben, überhaupt eine Stelle zu bekommen. (wm)