Gut gemeint

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 3 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Jürgen Seeger

Dass das endlich verboten gehört, dürfte schon so manchem Websurfer durch den Kopf gegangen sein, wenn er auf eine der unsäglichen rechtsradikalen Websites gestoßen ist. Ähnliches dürfte die Bezirksregierung Düsseldorf umgetrieben haben, als sie nordrhein-westfälische Internetprovider aufforderte, den Zugriff auf solche ‘Angebote’ zu sperren. Schließlich steht etwa die Leugnung des Holocaust in Deutschland unter Strafe, ganz zu schweigen von der Aufforderung zu Straftaten in Form von schwarzen Listen mit den Namen von Nazigegnern.

Dem bislang immer wieder vorgetragenen Argument, solche Sperren seien technisch nicht machbar, setzte die Medienaufsicht in Düsseldorf ein forsches ‘es geht doch’ entgegen. Diese Erkenntnis hatten sie in Gesprächen mit Softwareherstellern gewonnen, unter anderem den Anbietern von Filtersoftware.

Um ordnungsrechtliche Maßnahmen oder ein Bußgeld (1 Million DM hatte die Bezirksregierung als ‘Hausnummer’ angesetzt) zu umgehen, sperrte als erster Provider ISIS den Zugriff auf vier US-amerikanische Websites. Die dafür eingesetzte Methode bezeichnete ein ISIS-Techniker selbst als ‘eigentlich schwachsinnig’: Der ISIS-Nameserver beantwortete Anfragen nach den inkriminierten Sites mit der IP-Adresse eines Webangebots der Bezirksregierung.

Das treffe höchstens ‘Fritzchen Doof’, weil alle anderen schlicht den Nameserver-Eintrag ihrer Internetkonfiguration ändern und wieder surfen könnten, wie und wohin sie wollen.

Das weiß natürlich auch die Bezirksregierung und verweist darauf, dass auch durch die ‘Beschlagnahme rechtsextremistischer oder kinderpornografischer Schriften ... nicht verhindert werden kann, dass sich weiterhin Menschen Zugang zu solchen Machwerken verschaffen’. Trotzdem käme niemand auf die Idee, entsprechende Verbote deswegen aufzuheben.

Mittlerweile haben sich nach einigem Hin und Her etwa 10 weitere Provider dem Vorgehen von ISIS angeschlossen. Die Providerlobby in Gestalt von eco befürchtet, dass das Beispiel NRW bundesweit Schule macht und es auch nicht bei der Sperrung der vier amerikanischen Websites bleibt.

Nahe liegend, dass das Wort Zensur in die Debatte eingebracht wird. Im konkreten Fall zu Recht, weil kaum eine untergeordnete Verwaltungsbehörde per Dekret eine Liste verbotener Sites aufstellen kann. Anders sehe dies aus, wenn dem ein Gerichtsbeschluss vorangegangen wäre, mit all seinen Möglichkeiten des Widerspruchs et cetera.

Aber auch dann bliebe das Problem, dass eine Abschottung des deutschen Internets nur um den Preis einer Totalkontrolle an allen Netzübergängen möglich wäre. Auch wenn sämtliche deutschen Internetprovider ihre Nameserver-Einträge zentral gesteuert ‘sauber halten’, ist eine Anfrage an einen beliebigen ausländischen DNS-Dienst möglich. Folglich müsste man den Datenverkehr so filtern, dass dies nicht möglich ist, und so fort.

Eine Lösung bieten darum, wenn überhaupt, nur internationale Vereinbarungen, die auf Basis von Mindeststandards eine einheitliche Strafverfolgung in allen Staaten gewährleisten. Wie weit der Weg dahin ist, zeigen die nicht vorankommenden Debatten um einen europäischen Haftbefehl oder den Internationalen Strafgerichtshof. In beiden Fällen blockieren nicht etwa Militärdiktaturen oder andere ‘Schurkenstaaten’, sondern Italien respektive die USA.

Bis dahin bleibt leider wenig mehr als die Hoffnung auf das selbstständige Denken der Internetgemeinde. Dem Vorstoß aus Nordrhein-Westfalen sei zugestanden, dass er gut gemeint war. Aber das ist ja oft das Gegenteil von gut gemacht. (js)