Im Dickicht der Talare

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Von
  • Jürgen Seeger

Ob künftig Sicherheitsexperten an Universitäten, Programmierer von Netzwerkanalyse-Tools und Anbieter von Literatur über Rootkits umstandslos vor den Kadi gezerrt werden können, ist derzeit nicht absehbar.

Denn das jüngst verabschiedete „Strafrechtsänderungsgesetz zur Bekämpfung der Computerkriminalität“ verschiebt zwar die Strafbarkeit von Computereinbrüchen und deren Vorbereitung weit nach vorne, ist aber in weiten Teilen so schwammig, dass letztendlich die Gerichte entscheiden müssen, was wirklich strafbar ist (siehe Seite 96). Es geht dabei unter anderem um Dual-Use-Werkzeuge, solche also, die sich sowohl für kriminelle als auch für legale Zwecke einsetzen lassen. Das wirft Fragen auf wie die, ob ein Tool zum Analysieren des Netzwerk-Verkehrs vorrangig „böse“ oder „harmlos“ ist.

Nun wussten schon die Römer: Coram iudice et in alto mari sumus in manu Dei1. Sollte über strittige Fälle beispielsweise die 24. Zivilkammer des Hamburger Landgerichts entscheiden, die Anfang Mai wieder einmal auf der uneingeschränkten Haftung von Forenbetreibern für sämtliche von Dritten eingestellten Inhalte bestand, wären die Programmierer solcher Werkzeuge gut beraten, ihre Arbeitsergebnisse nur noch per Anonymisierer in Umlauf zu bringen.

Doch zum Glück werden die meisten Dinge nicht so heiß gegessen, wie sie gekocht wurden. Schon nach wenigen Jahren landet ein Großteil der aberwitzigsten Urteile beim Bundesgerichtshof, und der hat - meistens - einigermaßen wirklichkeitsnah entschieden.

Bis dahin dürften die Folgen der Änderung des § 202 StGB noch für viele Diskussionen gut sein und ihren Teil zur weiteren „Justifizierung“ der Informationstechnik beitragen. Erinnert sei in diesem Zusammenhang an die Anfang des Jahres in Kraft getretenen Regeln zur Angabe der Handelsregisterangaben in geschäftlichen E-Mails und die Verschlimmbesserungen im neuen Telemediengesetz.

Und: Finden Sie es eigentlich normal, dass in einer Zeitschrift, deren Thema professionelle Informationstechnik ist, regelmäßig Artikel über juristische Fragen zu finden sind? Ich eigentlich nicht, aber wir kommen um deren Veröffentlichung nicht herum, weil in diesem Umfeld immer mehr Fußangeln liegen.

Es ist bedauerlich, dass die Macher von Gesetzen wie dem aktuellen § 202 StGB und ähnlichen juristischen Missgeburten offenbar den Blick für den Sinn von Gesetzgebung verloren haben. Die soll nämlich durch klare Regeln das Zusammenleben und Zusammenarbeiten vereinfachen. Dass die Gesetzgebung als Arbeitsbeschaffungsmaschine für Anwalts- und Abmahnbüros dient, ist ein Bug und kein Feature.


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