Is' ja irre

Sie sind unter uns. Die Erreger von Aids und BSE werden nicht von tropischen Fliegen übertragen. Information hilft, sich zu schützen, und das Internet hilft, sich zu informieren.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 3 Kommentare lesen
Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Kersten Auel
  • Kersten Auel

Bevor Rinderwahnsinn und Maul- und Klauenseuche auch in Deutschland für Schlagzeilen sorgten, glaubten vielleicht noch ein paar Optimisten, Seuchen und Epidemien seien Erscheinungen des Mittelalters und tropischer Länder. Seit kurzem wissen auch sie es besser: BSE (Bovine Spongiforme Enzephalopathie) und MKS machen selbst vor sauberen deutschen Kuhställen und Weiden nicht Halt. Schlimmer noch: Der BSE-Erreger hat die ‘Artenschranke’ überwunden und schreckt nicht einmal vor der ‘Krönung der Schöpfung’ zurück.

Wer wissen will, wie alles anfing, was BSE, Creutzfeldt-Jakob und verwandte Leiden auslöst und wie der Stand der Forschung ist, findet bei Almeda eine ‘Chronik des Wahnsinns’. Hier erfährt man, dass im Januar 2000 die Struktur des menschlichen Prion-Proteins entschlüsselt wurde und dass BSE über Blut übertragbar ist - mit der Folge, dass seit März 2001 Japan keine Blutspenden von Personen annimmt, die mehr als sechs Monate in Europa gelebt haben.

Auch das Gesundheitsministerium von Nordrhein-Westfalen will auf Nummer sicher gehen und verbietet mit einer Verordnung die Herstellung und Anwendung von Arzneimitteln, von denen ein BSE-Übertragungsrisiko ausgeht. Trotz aller Aufklärungsarbeiten von Verbraucherschutzministerin Bärbel Höhn und der online gezählten BSE-Fälle bei in Deutschland geborenen Rindern - bei Redaktionsschluss wurde die Anzahl mit 52 angegeben -, scheinen Skeptiker (oder sollte man sagen Gourmets?) nicht an den Ernst der Situation glauben zu wollen.

Kleiner Trost für all diejenigen, die ihren Appetit auf Rindfleisch nicht verloren haben: Nach wie vor finden sich im Web leckere Rezepte für die Zubereitung. Zum Beispiel der von Roland Pötschke in der Newsgroup de.rec.mamph gepostete ‘Bohneneintopf mit Fleisch’.

Selbst wenn BSE für Schlagzeilen sorgt, ist der Rinderwahnsinn bei weitem nicht die einzige Seuche, mit der das einundzwanzigste Jahrhundert zu kämpfen hat. Fernreisende wissen längst, dass sie sich besser gegen Hepatitis B und Malaria impfen lassen. Aber wer rechnet heutzutage schon damit, einem Pestkranken zu begegnen? Laut TRIP, dem Online-Berater für Ihren Tropenaufenthalt gibt es nicht nur in Afrika und Asien, sondern auch in Süd- und Nordamerika wahrscheinliche und bekannte Pestherde.

Wem die kurzen, sachlichen Infos zu Beulen- und Lungenpest hier zu knapp sind, kann in den Science-Fiction-Schmöker von Connie Willis eintauchen und sich ins Jahr 1348 versetzen lassen. Unversehens sieht sich die Zeitreisende Kivrin mit der in England ausbrechenden schwarzen Pest konfrontiert. Im ‘Doomsday Book’ lernt man nicht nur die ersten Anzeichen der Krankheit zu erkennen, sondern erlebt hautnah den aussichtlosen Kampf des Mittelalters gegen die bakterielle Infektion mit. Online lesen kann man den Roman natürlich nicht. Leseratten, deren Interesse geweckt wurde, finden im Web jedoch einige Reviews sowie biografische Angaben zur mehrfach mit Preisen ausgezeichneten Autorin.

Trotz moderner Medizin, Jungbrunnen-Mittel der Pharmaindustrie und Cloning-Versuchen sind wir nach wie vor weit von der Unsterblichkeit entfernt. Nicht nur die verschwunden geglaubte Pest hat ihr schwarzes Haupt wieder erhoben, zusätzlich sieht sich die Menschheit neuen Plagen gegenüber, vor allem Aids.

Umfassende Informationen zur HIV-Infektion bietet das AIDS Gateway to the Internet. Hier lernt man, dass das Wörtchen ‘Acquired’ in der Auflösung des Akronyms - Acquired Immune Deficiency Syndrome - schlicht besagt, dass man sich die Krankheit ‘aneigenen’ kann. Aber auch, wie man feststellt, ob man selbst infiziert ist, und dass es leider noch immer kein Heilmittel gibt. Daneben präsentiert die gemeinnützige Organisation AIDS.ORG, Inc., jede Menge Hintergrundinformationen zur Vorbeugung und Behandlung, berichtet über Nebenwirkungen und gibt Tipps, wie man seinen Arbeitgeber und andere darüber aufklärt, dass man HIV-positiv ist. Ausführliche und sachliche Informationen mit vielen weitern URLs wie zu kostenlosen Yoga-Kursen.

Anhänger von Katastrophenfilmen wissen längst, dass sich eine der schlimmsten Geißeln der Menschheit unter dem Urlaubs-Deckmäntelchen verbirgt: das Ebola-Virus. Wer das Pech hat, sich zu infizieren, erleidet heftige innere Blutungen, die häufig schnell zum Tode führen. Symptome sowie Forschungsergebnisse aus den 70er Jahren sind detailliert nachzulesen in den Unterlagen einer Tagung zum Thema, die 1977 in Belgien stattgefunden hat. (http://www.itg.be/ebola/ - Genauer gesagt: Zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses dort nachzulesen. Inzwischen gibt es den Link nicht mehr.) Wer es lieber etwas aktueller hätte, findet Neuigkeiten oder Hintergrundartikel beim Medscape Resource Center (http://id.medscape.com/Medscape/features/ResourceCenter/ebola/public/RC-index-ebola.html), allerdings nur nach Registrierung. Immerhin mit der Zusicherung, dass persönliche Daten vertraulich behandelt werden.

Ob Grippe oder Kinderlähmung, der Discovery Channel kommt den Krankheiten auf die Spur. Hier findet man Satellitenbilder, mit deren Hilfe Wissenschaftler den nächsten Ausbruch von Malaria oder Cholera vorherzusagen versuchen. Auf dem gleichen Server können Mikrobiologen ihr Wissen testen und den Namen von Mikroben erraten. Und alle, die genug davon haben, dass sich die Grippe in ihnen breit macht, können den Spieß umdrehen und selbst das Innere eines Virus erforschen.

Wer ‘Die Matrix’ gesehen hat, weiß, dass die Grenzen zwischen digitaler und realer Welt nicht immer zu erkennen sind. Wen wunderts da, dass mittlerweile auch von Epidemien im Cyberspace gesprochen wird? Etwa der des ‘Cyberstalking’. Wired News berichtet zum Beispiel davon, wie ein so genannter Cyberstalker einer Frau in einem Chat-Room über ein halbes Jahr das Leben zur Hölle gemacht und sie mit Vergewaltigung und Mord bedroht hat.

Solche und ähnliche Phänomene scheinen immerhin so weit verbreitet, dass sich bereits eine Selbsthilfegruppe organisiert hat. Die Cyberangels bieten Online-Kurse, in denen sie über das Internet informieren, aber auch speziell auf Security-Fragen eingehen. So genannte Cybermoms beaufsichtigen Chatrooms und sorgen dafür, dass die Internet-Kids vor den bösen Onkeln beschützt werden. Bleibt zu hoffen, dass das Cyberstalking auf amerikanische Websites beschränkt ist. Noch zumindest gibt es in diesem Kontext keine adäquate Übersetzung für Predator (Raubtier) und Stalker (Pirschjäger). Leider ist jedoch zumindest im ‘Realspace’ der englische Begriff Stalking hierzulande längst kein Fremdwort mehr. (ka)