Laut, bunt, dumm

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Von
  • Christian Kirsch

Nicht die hartnäckigen Kugelschreiber-Abschnacker und Prospektsammler waren die Helden der diesjährigen CeBIT. Die Palme gebührt den in den Hallen 12, 26 und 27 Arbeitenden. Ohne Chance zur Flucht mussten sie acht Tage lang die aus allen Ecken auf sie anstürmenden allerneuesten Innovationen der Telekommunikationsbranche erdulden.

Als Besucher fühlte man sich dort wie in einer surrealen Melange aus Wohnungssuche in München (Kampf um ein knappes Gut), Berliner Technoclub (Trommelfell) und Big-Brother-Container (IQ knapp über Zimmertemperatur). Was auch immer die Anbieter hatten, ein Konzept war es jedenfalls nicht.

E-Plus bemühte sich, sein I-Mode den mindestens 18-jährigen Jugendlichen schmackhaft zu machen - jünger dürfen sie wegen des Beate-Uhse-Angebots nicht sein. Das übrigens soll, wie kaum verhohlen kolportiert wird, dem neuen Dienst in die schwarzen Zahlen helfen. Sex sells bekanntlich. Stellt sich die Frage nach dem Einsatzgebiet: Porno gucken in der Straßenbahn ist ja noch nicht überall gesellschaftsfähig. Vielleicht kann die Deutsche Bahn neben Handy- und Ruhe- in Zukunft Erleichterungszonen für unbefriedigte Reisende einrichten?

Genauso unklar wie dieses Geschäftskonzept blieb der Nutzen, den UMTS bringen soll. Mobilcom versuchte es erneut mit dem Bezahlen per Mobiltelefon. Sicher eine schöne Möglichkeit, überflüssige Zeit totzuschlagen. Von Streaming Video redet nur noch Nokia in seiner Werbung - die durchschnittliche UMTS-Verbindung bietet mit rund 200 kbps für derlei nicht die nötige Bandbreite. Abgesehen davon sind die Displays für vernünftiges Gucken zu mickrig und zu langsam.

Das zeigte sich auch bei den Handys mit anklickbarer Kamera. Deren Sucherbild erinnerte an das lustige Gekleckse von Vorschulkindern, Details waren nicht zu erkennen. Solange sich die als Zielgruppe angepeilten Makler auf das Fotografieren isoliert stehender Einfamilienhäuser beschränken, mags gehen.

Wie wenig Hoffnung die UMTS-Ersteigerer zurzeit haben, die Lizenzmilliarden wieder zu erwirtschaften, zeigte eine während der CeBIT veröffentlichte Forderung des IT-Dachverbandes Bitkom: Der Staat könne nicht erst die Lizenzen versteigern und die Firmen dann ohne finanzielle Unterstützung stehen lassen. Da das Ansinnen für einen Aprilscherz zu früh kam, ist es wohl ernst gemeint. Dürfen wir demnächst konsequenterweise vom Bäcker zum gekauften Brötchen den kostenlosen Belag verlangen?

Noch ist trotz sinkender Umsätze, steigender Verluste und origineller Subventionsforderungen nicht alles verloren, denn einige Produzenten besinnen sich wieder auf das Eigentliche. Neuerdings kann man mit ihren Handys auch ... chatten, vulgo schwatzen. Zurück zu den Wurzeln also, Telefone endlich wieder zum Plappern. Über den Umweg Tastatur allerdings. Wenn die Bekleidungsbranche den Trend erkennt, bietet sie demnächst wearable Hemden als bahnbrechende Innovation an. (ck)