Leihschrift

Wer elektronische Schriften anschaffen muss, hat selten eine Chance, sie vorher auszuprobieren. SkyFonts von Monotype soll neue Freiheiten bieten.

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Von
  • Ralph Hülsenbusch
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Agenturen, Redaktionen und Druckereien brauchen Fonts. Sie sind aufwendig zu erstellen, was sich die Anbieter bezahlen lassen. Zudem gehören zu einer Schrift meist mehrere sogenannte Schnitte wie fett, halbfett, light, kursiv und andere mehr. Da kommen schnell einige Tausend Euro zusammen. Deshalb will die Anschaffung gut überlegt sein, denn Fonts zum Ausprobieren auf dem eigenen System gab es bisher kaum.

Diesem Manko will Monotype mit „SkyFonts“ abhelfen: Wer sich beim Unternehmen registriert, eine Client-Software für Windows oder Mac OS X herunterlädt und einrichtet, kann in dem rund 20 000 Web-Fonts umfassenden Katalog blättern, in dem auch Produkte anderer Hersteller zu finden sind. Der Anbieter ordnet auf seiner Site das Angebot „SkyFonts“ bei „Produkte & Dienstleistungen“ unter „Kreativ-Tools“ ein.

Ursprünglich konnten Interessierte nach dem Anmelden im Client in Listen mit den Schriften blättern (iX 3/2013, S. 26) und per Klick zwischen Ausprobieren für fünf Minuten, Mieten und Kaufen wählen. Anfang Mai hat Monotype das Konzept geändert und zusätzlich den Zugang zu Googles Web-Fonts integriert: www.skyfonts.com führt jetzt zu einer Seite, auf der ein Besucher zwischen „fonts.com“ und „Google Fonts “ wählen kann. Im ersten Fall erhält er als Nächstes ein Subskriptionsangebot von Monotype. Im zweiten stehen der Download des SkyFonts-Clients oder das Durchforsten der Google Fonts zur Wahl.

Kostenlos bietet Monotype „Start a free Plan“ an, bei dem die per SkyFonts gestalteten Sites mit „Web-Font designed font.com“ gekennzeichnet sind. Die Preise für die Mietvarianten ohne den „Aufkleber“ liegen für „Standard“ bei 10, „Professional“ bei 40 und „Master“ bei 100 US-$ im Monat.

Im Katalog finden sich einige Schriften, die man per SkyFonts nach wie vor für 5 Minuten ausprobieren kann. Der Standardkunde darf sich 10 Schriften als Mockup-Fonts aussuchen. Es handelt sich um Versionen für den Desktop, die ausschließlich für Probeentwürfe seiner Site gedacht sind. Die per SkyFont aktivierten Schriften verschwinden nach 24 Stunden wieder. Professionals stehen 20 Mockup-Fonts zu, Masters sind keiner Einschränkung unterworfen, was die Zahl angeht. Je nach Stufe sind die monatlichen Pageviews auf 250.000, 1 Million und 2,5 Millionen limitiert.

Für Jahresverträge und die Buchungen in den beiden Oberklassen gibt es zusätzlich ein „Self Hosting“, bestehend aus CSS-Code (Cascading Style Sheets) und den gewünschten Schriften für den eigenen Webserver. Professionals erhalten zusätzlich fünf Desktop-Fonts, die sie je auf bis zu fünf Workstations gemeinsam mit anderen für Design und Druck 30 Tage lang verwenden dürfen.

Hinzu kommt in den beiden teureren Plänen die Typecast-App, mit der Designer per Mausklick on-the-fly mit Schriften und Schnitten experimentieren können, bis dato verfügbar für Chrome und Safari. Separat kostet das Werkzeug ab 29 US-$ im Monat für eine Person. Es gibt eine Gratisversion zum Testen für 14 Tage. Monotype hatte Typecast im Oktober 2012 übernommen.

Im Test funktionierte das Ausprobieren für 5 Minuten mit den üblichen Textverarbeitungen wie MS Office, Open Office und anderen, indem man nach der Auswahl per Browser im jeweiligen Font-Menü die gewünschten Schriften vorfinden. Sind sie aktiviert, kann man damit Texte erstellen und etwa sehen, wie ein Schriftzug läuft oder den markierten Bereich auf die neue Schriftart umstellen. Jemand, der ernsthaft nach einem Font sucht, der seinen Ansprüchen genügen soll, dürfte aber nach fünf Minuten kaum zu einer Entscheidung gekommen sein.


Probezeit: Nach 5 Minuten ist der Testfont aus der Datei verschwunden. Ein einmal gewählter ist dann nur noch per Miete zu haben, andere darf man noch ausprobieren.

In Dokumenten, die ins PDF gewandelt wurden, bleibt der Probefont erhalten. Hat sich der Designer für einen der vier Pläne entschieden, kann er für einen längeren Zeitraum Texte damit gestalten. Das dürfte mehrere Zielgruppen je nach deren Gusto ansprechen oder gleich abschrecken. Webdesigner werden in dem Verfahren aus mindestens zwei Gründen wenig Sinn sehen: Zum einen hätte die Verwendung von SkyFonts für Sites eine Dauermiete zur Folge, was sich ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr rechnet. Zum anderen können Gestalter aus dem großen Topf bei Google schöpfen, den zudem das Web Open Font Format (WOFF) mit standardisiertem Inhalt füllt.

Monotype verbietet das endgültige Speichern von SkyFonts auf Servern und anderen Geräten, etwa Druckern. Und wer glaubt, die Schriften mal eben aus dem Font-Verzeichnis stibitzen zu können, irrt – Monotype hat sie gut versteckt, und nach der Leihfrist verschwinden sie spurlos. Das Verfahren hat sich der Hersteller patentieren lassen. Derzeit funktioniert es nur für Windows XP, Vista und 7 (8 soll in Kürze folgen) sowie Mac OS X ab 10.7.

Für eine Druckerei oder Agentur bieten sich andere Perspektiven. Bei der Produktion eines Kataloges, Kalenders oder anderer Druckerzeugnisse ist in der Regel der Herstellungszeitraum festgelegt und damit überschaubar. Laut Lizenz von Monotype kann man mit einem SkyFont nach Ende der Mietdauer nicht mehr zu Werke gehen, aber damit erstellte Texte und Dokumente reproduzieren oder weitergeben. Bei Projekten, die mit einer kurzen Laufzeit gesegnet sind, kann sich die Alternative „Mieten“ lohnen und zu beachtlichen Kostensenkungen führen. Denn bezahlen muss man die Schriften nur bis zur Drucklegung. Prospekte, Kataloge und Kalender etwa haben in der Regel höchstens ein Jahr Herstellungszeit.

Auf die Frage, ab wann sich der Einkauf lohnt, legte Darren Glenister, Produktmanager bei SkyFonts, eine Musterberechnung vor: Die Lizenzkosten für einen Monat liegen etwa für das Standardpaket bei 10 US-$. Als Beispiel wählte Glenister Neue Frutiger Light Italic. Dieser OpenType-W1G-Font kostete derzeit 99 US-$, wenn man ihn von fonts.com bezieht. Das bedeutet, dass man ab dem zehnten Monat mit einer gekauften Dauerlizenz besser fährt.

Summa summarum entscheidet über Vor- und Nachteile des Konzepts von SkyFonts, wann und wie lange jemand die Schriften braucht, um damit zu arbeiten. Auf der positiven Seite der innovativen Idee stehen, dass man vieles ausprobieren kann und für kurze Nutzungszeiträume mit wenig Geld auskommt. Dem steht entgegen, dass es in vielen Fällen (noch) nicht zum Betriebsablauf passt, mit temporären Fonts zu arbeiten. Für Fragen steht auf fonts.com ein umfangreiches Hilfesystem zur Verfügung. Die Mitgliedschaft ist kostenlos.

Alle Links: www.ix.de/ix1306088 (rh)