Lokales abstrakt

Geoinformationen stellen ein wichtiges Wirtschaftsgut dar. Ob als Karte dargestellt oder als raumbezogene Analyse aktueller Absatzmärkte: Geodaten haben sich in vielen Wirtschaftszweigen etabliert. Dieser Artikel führt in die Welt der Standards für Geodaten und ihre Integration in die IT-Landschaft ein.

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Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Christian Kiehle

Nicht erst seit dem Google-Earth-Hype sind Geodaten ein Wirtschaftsgut ersten Ranges. Ob für die Optimierung von Verkaufsgebieten genutzt, als Reporting-Tool für die aktuellen Absatzgebiete, zur Trassenplanung bei Baumaßnahmen, zur Ausweisung von Naturschutzgebieten oder als integrierte Lösung im Customer Relationship Management: Geodaten haben eine Vielzahl von Geschäftsbereichen erobert und fristen längst kein Schattendasein mehr in wissenschaftlichen Großrechnern.

Bei der Vielzahl und der ausgesprochenen Heterogenität von Geodaten sowie auf diesen aufbauenden Geoinformationslösungen stellt sich die Frage, wie Geodaten in der unternehmensweiten Informationstechnik sinnvoll und nachhaltig eingesetzt werden können, ohne sich von Herstellern und deren Datenformaten abhängig zu machen. Der vorliegende Beitrag beleuchtet in diesem Bereich etablierte Standards, damit verbundene Konzepte und Technologien sowie beispielhafte Anwendungen.

Geo-Informationssysteme (GIS) dienen der Erfassung, Verwaltung, Analyse und Präsentation von Daten mit Raumbezug (Geodaten). Neben der reinen Softwarekomponente eines GIS zählt man die Hardware, die Daten und die damit verbundenen Anwendungen und Anwender zum System. GIS galten lange Zeit als typische Monolith-Systeme, die äußerst komplex zu planen, implementieren und bedienen sind.

Erst durch die Erfordernisse des Internet begannen die Hersteller, ihre Monolithen in einzelne funktionale Einheiten aufzubrechen und als verteiltes System zu implementierten. Diese Geo-Informationssysteme verarbeiten räumlich verteilt vorliegende Datenbestände und bereiten sie zu Informationen auf, oftmals für die Darstellung über einen Webbrowser optimiert. Die Gesamtheit aller Daten und damit verbundenen Systemkomponenten wird als Geodaten-Infrastruktur bezeichnet.

Geodaten-Infrastrukturen werden auf allen räumlichen Ebenen, innerhalb von Organisationen und als B2B-Lösung aufgebaut, zum Beispiel als kommunales Informationssystem für den Umweltschutz oder als Informationssystem für Kundendaten global agierender Unternehmen. Vergleicht man eine Geodaten-Infrastruktur mit System-Infrastrukturen aus der klassischen Informationstechnik, so ist eine Geodaten-Infrastruktur (GDI) nichts anderes als eine serviceorientierte Architektur (SOA) für Daten mit Raumbezug.

Verteilt und lose gekoppelt statt monolithisch: Der Hauptunterschied zwischen GDI (rechts) und klassischem GIS (Abb. 1).

Ein GIS vereint unter einem Dach alle Komponenten zur Erfassung, Verarbeitung, Analyse und Präsentation (EVAP-Modell) von Geodaten. Daher ist so ein System in der Regel nur von Experten zu bedienen. Im Gegensatz zum GIS stellt eine GDI funktionale Einheiten, zum Beispiel die Visualisierung einer Karte, in Form von Webservices bereit. Diese sind per Definition wiederverwendbar, lose gekoppelt, mit anderen Webservices kombinierbar und kommunizieren im Allgemeinen über HTTP (vgl. Abbildung 1).

Gerade im GIS/GDI-Bereich gibt es eine große Anzahl unterschiedlicher Hersteller mit proprietären Datenformaten, Informationsmodellen und Technologien. Um möglichst unabhängig von diesen zu sein, bietet es sich an, auf international anerkannte Standards zu setzen. Das wahrt die Flexibilität, die notwendig ist, um sich an schnell ändernde Marktsituationen anzupassen. Eine Vielzahl an verfügbaren Standards und Normen erschwert jedoch den Einstieg in diese komplexe Thematik.

Analog zu Geo-Informationssystemen findet man auch in einer Geodaten-Infrastruktur die typischen Komponenten zur Erfassung, Verwaltung, Analyse und Präsentation wieder. Da diese nun über ein Netzwerk verteilt sind, ergeben sich zwangsläufig Interoperabilitätsfragen: Wie nutze ich die in PostgreSQL gespeicherten Daten aus meinem Linux-Backend in meiner Analysekomponente, die in einer .Net-Umgebung implementiert ist? Wie überlagere ich die von der Marketingabteilung erstellten Karten zur Kaufkraftverteilung mit meinen aktuellen Absatzmärkten, die von der Controlling-Abteilung geliefert werden? Auf den Punkt gebracht: Wie lassen sich die komplexen Anforderungen moderner IT-Landschaften syntaktisch interoperabel mit meinen Geoinformationen integrieren?

Diese Fragen zählen zu den Hauptbetätigungsfeldern von international agierenden Standardisierungsorganisationen. Insbesondere das Open Geospatial Consortium (OGC) - ein Zusammenschluss aus weit über 300 Firmen, Behörden und Universitäten - beschäftigt sich seit über 10 Jahren mit Fragen der Interoperabilität in der Geoinformationsbranche. Das OGC hat neben einer Vielzahl von Standards für den GeoIT-Sektor vor allem abstrakte Referenzmodelle, Architekturmodelle, Best-Practice-Studien und Vorschläge zur Integration von Geodaten in die Mainstream-IT-Branche erstellt und in einem internationalen, konsensorientierten Prozess Standards zur Marktreife gebracht. Neben reinen GIS-Herstellern arbeiten unter dem Dach des OGC auch Global Player der Informationstechnik aus geofernen Branchen mit.

Eine weitere Organisation, die sich mit der Standardisierung von Geodaten und -informationen beschäftigt, ist die ISO, die im Technical-Committee 211 einen Schwerpunkt auf Geoinformationen legt. Die 19000er Normenreihe umfasst ebenfalls sowohl abstrakt-formale Standards als auch konkrete Implementierungsspezifikationen. Einen umfassenden Einblick in ISO-Spezifikationen für geografische Fragestellungen geben Kresse und Fadaie in ihrem Standardwerk zur ISO 19000er Serie.

OGC und ISO sind durch eine sogenannte Class A Liaison miteinander verbunden, dadurch sind die definierten Standards aufeinander abgestimmt und widerspruchsfrei. Die Geography Markup Language (GML, siehe Seite 66 der Printausgabe), wie sie in der Version 3.1.1 definiert ist, wird bei ISO/TC211 als ISO 19136 geführt; die maßgeblichen Akteure der OGC-GML-Spezfikation sind auch bei der ISO 19136 verantwortlich für deren Inhalte. Der Hauptunterschied: Das OGC erarbeitet und veröffentlicht frei verfügbare Standards in einem konsensorientierten Prozess. Die durch ISO/TC211 veröffentlichen Normen haben einen (oftmals langwierigen) Normierungsprozess durchlaufen, welcher der Öffentlichkeit nicht zugänglich ist. Organisationen wie das World Wide Web Consortium (W3C) spielen bei der Standardisierung in der Geoinformationstechnologie bislang kaum eine Rolle.

Den kompletten Artikel finden Sie in der aktuellen Print-Ausgabe.
(js)