Machs noch einmal, Tux

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Von
  • Detlef Borchers

Vier Linux-Distributionen schließen sich zusammen, um mit UnitedLinux eine einheitliche Serverplattform zu schaffen, die für Unternehmen attraktiv ist. In den ersten Reaktionen auf die Pläne von SuSE, Caldera, Connectiva und Turbolinux findet sich das grimmige Wort von der Balkanisierung, die aufgehalten werden muss.

Wer länger dabei ist, dürfte sich erinnern: Vor 14 Jahren wurde schon einmal vor der Balkanisierung gewarnt, nur war dies auf Unix bezogen. Damals wurden Organisationen gegründet, die das Auseinanderdriften der Systeme verhindern sollten. Die Unix International und die Open Software Foundation füllten die Seiten der iX, von kleineren Gruppen wie 88Open ganz zu schweigen. In Interviews wurden mit großer Lust und viel Akribie die Haare gespalten: ‘Wir sind kein Standardisierungsgremium, sondern eine Organisation, die die Tests absichert, mit denen geprüft werden kann, ob der offene Prozess die Standards einhält ...’

Ein einheitliches Unix, eine einheitliche Oberfläche klangen attraktiv, zumindest in der Theorie. In der Praxis wurde jede Systemvariante so weiterentwickelt, wie es dem Hersteller zupass kam. Die Kunden bei der hauseigenen Stange zu halten war wichtiger als das schönste Interoperablabla. Ungläubigen begegnete man mit der Zauberformel der ‘binären Kompatibilität’ oder Organigrammen der Gremien und Arbeitsgruppen, mit Logo-Vergaberichtlinien und dererlei mehr.

Nun also UnitedLinux. Ein Leitungsgremium, ein industrieller Beirat und ein hübsches Logo samt Zertifizierungsprozess sind schon da, ebenso die einleuchtende Begründung. Mit IBM hat sich ein großes, engagiertes Unternehmen anerkennend zu Worte gemeldet - auch wenn diese Firma in Europa und den USA unterschiedlichen Linux-Distributionen den Vorzug gibt und damit postwendend illustriert, wie skurril die Sache ist.

Das Hickhack mit anderen, konkurrierenden Initiativen ist auch schon da. Neben der Linux Standard Base und dem Internationalisierungs-Standard Li18nux gibt es genügend Gruppen, die im ersten White Paper von UnitedLinux nicht erwähnt werden. Und neben den Gründungsmitgliedern gibt es Linux-Distributoren, die partout nicht mitmachen wollen. Red Hat zum Beispiel: Man winkt ab und schmollt gleichzeitig, weil die Einladung zur Mitarbeit nur einen Tag vor Bekanntgabe von UnitedLinux erfolgte. Zudem ist der von SuSE produzierte Installer YaST ein definierter Baustein von UnitedLinux - für Red Hat ein rotes Tuch.

Geschichte wiederholt sich nicht, es sei denn als Farce, was einst einmal eine Tragödie war, schrieb der deutsche Philosoph Hegel. Man kann UnitedLinux als Einstieg in die Farce begreifen. Nehmen wir den Desktop, da muss das Gremium samt Zertifikat noch gefunden werden. Heißer Kandidat ist natürlich Apple, das in seiner neuen Werbekampagne über ‘Real People’ den schönen Hinweis versenkt hat, die einzig echte Oberfläche für ein modernes Betriebssystem zu besitzen.

Da Linux auch in Armbanduhren, Kühlschränken und anderen intelligenten Gerätschaften eingebettet zum Einsatz kommt, muss ein weiteres Logo, eine weitere Organisation her, die die Sortenreinheit bescheinigt. Ganz und gar unzertifiziert kommt noch der gemeine Linux-Programmierer daher, was ebenfalls misstrauisch machen muss. Und wo bleibt der Linux-Führerschein in der Ergänzung zum gemeinen Computer-Führerschein?

Die Geschichte wiederholt sich wirklich nicht: Als die Unix International und die OSF an den Start gingen, verwies die Balkanisierung auf scheinbar längst vergangene Geschichte. Doch parallel zur Gründung dieser Organisationen entließ Jugoslawien die Voiwodina und den Kosovo aus ihrem Sonderstatus, was den Balkan später in einen blutigen Krieg stürzte. Heute ist Balkanisierung darum ein schwereres Wort als zu den Zeiten der Unix International. Viel schicker ist das Forking.

Detlef Borchers
ist freier DV-Journalist und arbeitet für deutsche und amerikanische Fachzeitschriften.
(js)