Mobilität statt Auto – das Konzept der IAA Mobility am 7. September in München

Der VDA hat das Konzept der IAA Mobility vorgestellt. Das Bemühen um Fortschritt dürfte einige Umgewöhnung erfordern.

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Kein Ersatz für die Wiesn soll die IAA in München werden. Panorama der Stadt München von Norden gesehen.

(Bild: Messe München)

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Von
  • Wolfgang Gomoll
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Hoher Besuch hat sich zur Eröffnung der IAA Mobility am 7. September in München angekündigt. Bundeskanzlerin Angela Merkel kommt zur Eröffnung in die bayerische Metropole. So viel Tradition gestattet sich der Verband der Automobilindustrie (VDA) noch. Davon abgesehen soll die Messe sich ganz neu aufstellen. "Wichtig ist, dass wir als Automobilindustrie zeigen können, dass wir bereit sind für die Mobilität von morgen", erklärt VDA-Geschäftsführer Jürgen Mindel und wird dann konkreter "Wir werden zwar noch Autos mit Verbrennungsmotor in München erleben, aber der klare Fokus liegt auf der Zukunft des Antriebes. Auf batterieelektrischer Mobilität, Plug-in-Hybriden und ähnlichen Formaten".

Laut dem Kraftfahrtbundesamt (KBA) wurden in den ersten sechs Monaten des Jahres 2021 insgesamt 1.390.889 Personenkraftwagen neu zugelassen. Davon waren 539.551 Pkw also 38,8 Prozent über einen alternativen Antrieb ausgestattet. Damit meint das KBA natürlich BEVs und PHEVs, aber auch Gas, Brennstoffzelle und Wasserstoff. Genau 148.716 Neuwagen hatten einen batterieelektrischen Antrieb, was einem Anteil von 10,7 Prozent entspricht. Die Mehrheit kauft also immer noch Autos mit Verbrennungsmotoren, durch die Neuausrichtung könnte sich ein Großteil der Auto-Interessierten nicht mehr so unmittelbar angesprochen fühlen wie bislang gewohnt.

VDA-Geschäftsführer Jürgen Mindel sieht den Fokus auf der Zukunft der Antriebe.

(Bild: VDA)

Christian Hummel, Chef der Beratungsagentur Capgemini Invent, unterstützt das neue Konzept: "Die IAA als Hochamt der deutschen Autoindustrie hat daran gekrankt, nicht mehr zeitgemäß zu sein. Man hatte in den letzten Jahren den Anschluss an die breite Gesellschaft immer mehr verloren. Es muss darum gehen, auch gesellschaftlich relevante Trends aufzugreifen und Mobilitätstrends von morgen einer breiten Masse zu präsentieren und Interesse zu wecken." Mit 50 Fahrrad-Ausstellern und Fahrrad-Testparcous sei die Messe auch das "größte Bike-Event in Europa".

Die modernen Hallen passen zum Konzept: Ihre Dächer sind großflächig begrünt und mit Photovoltaik bestückt.

(Bild: Messe München)

Der VDA setzt alles daran, möglichst hip und modern zu sein. Im schönsten Denglisch ist vom "IAA Mobility Summit" auf dem Messegelände die Rede, wo "Speaker" Vorträge halten und sich die Besucher über die Neuheiten rings um das Auto informieren können, wie es auf einer klassischen Messe üblich ist. Früher brüstete sich der VDA immer mit den hohen Besucherzahlen der IAA und unterstrich die weltumfassende Bedeutung des automotiven Schauflaufens mit inhaltsschweren Worten. Schließlich galt die IAA lange als die größte Automobilmesse der Welt und die Besucher drängten sich zu Tausenden um die im Scheinwerfer strahlenden Produkte der Ingenieurskunst. Von einer "Botschaft des Optimismus" oder einer "Belebung der Autonachfrage" war die Rede. Diese Zeiten sind längst vorbei.

Plätze wie der Max-Joseph-Platz im Zentrum Münchens sollen Urbanität vermitteln. Es geht schließlich um einen Mobilitätswandel, der sich von den Städten her ausbreiten wird.

Als Grund führt der VDA an, dass aufgrund des Konzepts, bei dem sich die Aussteller auch an öffentlich zugänglichen Plätzen präsentieren, die Erfassung von Besucherzahlen nur sehr schwer möglich sei. Doch der aus Frankfurt nach München abgewanderten IAA fehlen so viele Autohersteller wie noch nie. So hat sich der Stellantis Konzern mit seinen 14 Marken – unter anderem Peugeot, Citroën, Opel, Fiat und Co. – komplett von der Messe verabschiedet und auch die meisten japanischen Hersteller bleiben dem Event an der Isar fern. Selbst VW-Konzernmarke wie Seat, Audi oder Skoda präsentieren sich nur in der Münchner Innenstadt.

Die Hoffnung hat Batterieantrieb: Renault wird sein Elektroauto R5 vorstellen.

"Wenn ich mich Ausstellern spreche, stelle ich fest, dass die Besucherzahl deutlich an Bedeutung verloren hat. Wichtiger für die Aussteller ist die digitale Reichweite sind die Themen, die auf der IAA gesetzt werden", sagt Jürgen Mindel. Die Idee der offenen Tür der frei zugänglichen Areale, auf denen sich die Industrie und die Autofahrer nahekommen, ist charmant und steht im diametralen Gegensatz zu der weitverbreiteten Annahme, dass die Autobauer eine elitäre Gesellschaft seien, die mit den Kunden möglichst wenig zu tun haben wollen.

Der Haupteingang West der Messe wirkt angemessen idyllisch.

Allerdings ermöglichen die Münchner Standorte wie der Wittelsbacher Platz, der Odeonsplatz, der Königsplatz oder der Marienplatz, wo sich Hersteller wie Porsche, VW und BMW präsentieren, auch leichter Proteste. Auch hier gibt sich der VDA ganz dem Zeitgeist entsprechend liberal und offen. "Wir leben in einem demokratischen Rechtsstaat. Jeder hat die Möglichkeit, sich zu Themen, die ihn interessieren, zu äußern. Solange diese Proteste friedlich sind, sind diese auch völlig legitim", so Jürgen Mindel. Besonders engagierte Kritiker rufen derweil zu Messe-Blockaden auf: "Sand im Getriebe" will die "Autokonzerne entmachten".

Damit die Vernetzung, die ebenfalls Teil der Mobilität von morgen sein wird, auch möglichst anschaulich präsentiert und erlebt werden kann, werden die Stadt und die Messe München durch das Zusammenspiel der wichtigsten Mobilfunknetzbetreiber in den Genuss eines 5G-Netzes kommen.

Messegesellschaft und der VDA legen Wert auf die Feststellung, dass sie die Messe von Anfang an für die Bedingungen der Pandemie geplant haben. Die zahlreichen Freiluftschauplätze unterstützen das Konzept. Man versuche, die Besucher im nötigen Abstand zu lenken. Aufs Messegelände darf nach der 3G-Regel nur, wer geimpft, genesen oder getestet ist.

(fpi)