Neulich im Büro

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Von
  • Henning Behme

Offen ist gut. Abgesegnete Offenheit ist besser, optimal allseits akzeptierte Absegnung. Den zweiten Status hat Microsofts Spezifikation des Office Open XML (OOXML) Anfang April erreicht, indem die International Organization for Standardization und die International Electrotechnical Commission sie in den Rang eines ISO/IEC-Standards erhoben (siehe Seite 31 der Printausgabe). DIS 29500 heißt das jüngste Kind aus deren Dokumenten-Portfolio, zu dem auch der schon Anfang Mai 2006 von der ISO geadelte OOXML-Konkurrent Open Document Format (ODF) und zwei PDF-Spezifikationen gehören.

Eine weitere Standardisierungsinstitution, Ecma International, hatte das Format für Büroanwendungen bei der ISO eingereicht, nachdem sie selbst im Dezember 2006 OOXML als ihren Standard 376 verabschiedet hatte. Bei der ISO können nationale Gremien innerhalb von zwei Monaten noch formale Bedenken erheben.

Dass es während des sich hinziehenden Prozedere teilweise seltsam zuging, wie unter anderem Proteste in Norwegen annehmen lassen, dürfte für diejenigen, die Software-Entscheidungen zu treffen haben, in zwei Jahren von ungefähr so großem Interesse sein wie ein unberechtigter, aber vielleicht entscheidender Elfmeter in der 90. Minute, der die Meisterschaft kostet beziehungsweise bringt. Wichtiger könnte sein, dass die Anerkennung nicht bedeutet, dass die EU in ihren Anti-Trust-Bemühungen zwangsläufig innehält oder gar mit ihnen aufhört.

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iX-Links bringt der Mai

Beginnend mit dieser Ausgabe erhalten die Artikel, die Verweise ins Web enthalten, am Ende einen Hinweis darauf, dass diese Webadressen auf dem Server der iX abrufbar sind. Über ein rechts oben auf der iX-Homepage angesiedeltes Eingabefeld kommt man umgehend zu den Links. In diesem Heft gilt das leider noch nicht für viele Artikel. Trotzdem schon viel Spaß …

Was für Microsoft bleibt, ist außer dem symbolischen (und politischen) Erfolg, die eigenen Dateiformate von der ISO standardisiert bekommen zu haben1, vor allem die Aussicht, sich nun nicht mehr als proprietär beschimpfen lassen zu müssen. Firmen-CTOs und Behördenleiter, die seit Jahren mit Microsofts Produkten arbeiten, müssen angesichts von Forderungen nach offener Software jetzt nicht mehr befürchten, auf ODF umschwenken zu müssen, weil es das einzige offene Format für Büroanwendungen ist. Sie können schlicht auf die ISO-Entscheidung verweisen.

Als letztes der Designziele für XML hatten die Herausgeber der Spezifikation seinerzeit vermerkt: „Terseness in XML markup is of minimal importance.“ Mindestens an diese Losung haben sich die Redmonder bei OOXML gehalten, denn 6000 Seiten Spezifikation dürfte niemand knapp (engl.: terse) nennen wollen, und sie schreien förmlich danach, nicht vollständig implementiert zu werden. Das wiederum könnte sich als Haupthindernis für die vielbeschworene Interoperabilität erweisen, denn wenn selbst Microsoft nicht alle Aspekte der 6000 Seiten implementieren kann oder will, gibt es keine Gewissheit für alle anderen, dass ihre Auswahl sich mit der des großen Office-Herstellers deckt.

Vielleicht erarbeiten alle Beteiligten (die Redmonder und ISVs) ja demnächst ein Mini-Profile, das alle Office-Programme berücksichtigen sollten. Auf unter 500 Seiten.


1 Frei nach Winston Churchill: „Ich implementiere nur Standards, die ich selbst entworfen habe.“