News ohne Grenzen

Was früher bestenfalls über gut sortierte Bahnhofskioske seinen Weg nach Deutschland fand und obendrein teuer bezahlt werden musste, steht heute kostenlos im Web: Meinungen und Informationen aus den entferntesten Ecken der Welt.

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Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Jürgen Seeger

Nicht, dass das deutsche Spektrum an On- und Offline-Publikationen klein wäre. Doch naturgemäß haben sie alle eines gemeinsam: einen (meist west-)deutschen Blick auf die Welt. Das drückt sich in der Art der Kommentierung aus, aber auch in der Nachrichtenauswahl, und -platzierung.

Klar, dass in Zeiten von Afghanistan-Krieg und neu aufflammendem Nahost-Konflikt Asien respektive islamische Zeitungen in den Mittelpunkt des Interesses rücken. Nun dürfte es den meisten von uns aufgrund mangelnder Arabischkenntnisse wenig nützen, einen Blick auf die Website des durch seine Bin-Laden-Videos weltweit ins Gespräch gekommenen Fernsehsenders Al-Jazeera zu werfen. Darum beschränken sich die folgenden Zeilen auf die englischsprachigen Online-Angebote.

Zudem geht es ausschließlich um professionelle Informationsangebote, nicht also Sites von Parteien oder Organisationen. Mit einer Ausnahme: Die Revolutionary Association of the Women of Afghanistan (RAWA) hat seit der sowjetischen Invasion nicht nur in Afghanistan selbst und den pakistanischen Flüchtlingslagern versucht, die Rechte des weiblichen Teils der Bevölkerung nicht völlig unter die Räder kommen zu lassen, sondern betreibt obendrein eine in Kalifornien ‘gehostete’, mehrsprachige Website. Eine Sicht auf Afghanistan jenseits von Kriegslogik und Fundamentalismus.

Direkter Nachbar Afghanistans ist Pakistan. Dawn ist die dort nach eigenen Aussagen meistverbreitete englischsprachige Zeitung, ihr Webauftritt oft, aber leider nicht immer aktuell, allein schon wegen des Zeitvorsprungs. Einen strukturierteren Online-Auftritt bietet Pakistans ältester Internet-Newsdienst PNS, vor allem sind dort ältere Nachrichten im Archiv via Volltextsuche recherchierbar. Die Fokussierung auf die Details des innerafghanischen Machtkampfs und das Schicksal der aus dem eigenen Land stammenden Gotteskämpfer macht deutlich, dass man sich eher als Mitspieler denn als Zuschauer sieht. Beide geben sich vergleichsweise moderat, wenn es um explizite Meinungsäußerungen geht. Wer’s gern pointierter mag, sei auf den Internetauftritt des Pakistan Observer verwiesen.

Sämtliche Verstrickungen Pakistans in die Machenschaften der Taliban erfährt man etwas weiter östlich. In Indien, nicht nur wegen Kaschmir im Dauerkonflikt mit seinem westlichen Nachbarn, lässt da sowohl die Hindustan Times als auch die Times of India (Abteilung World:Neighbours) wenig anbrennen. Gelegentlich ein bisschen imperial mit Hinweisen auf die gute alte Zeit, in der Indien und Iran eine gemeinsame Grenze hatten; meist mit einer erfrischenden Distanz zu westlichen Politikern, etwa wenn der Beginn einer Asienreise des deutschen Kanzlers mit dem Bericht über ein Bush-Schröder-Telefonat und der Überschrift ‘Bush briefs Schroeder’ aufgemacht wird.

Indien ist auch das Land mit der zweitgrößten muslimischen Gemeinde - nach Indonesien. Die in Neu Delhi ansässige Milli Gazette versteht sich als ‘World Muslim’s Leading English Newspaper’, interessant weniger wegen der Aktualität, sondern um einmal die westliche Politik mit der muslimischen Brille zu sehen, meist nicht aus fundamentalistischer Sicht, sondern eher so, wie man es vom türkischen Kaufmann um die Ecke hören könnte. In Indonesien selbst habe ich keine englischsprachige Online-Publikation gefunden, die man hier empfehlen könnte. Die Jakarta Post thematisiert überwiegend die indonesische Innenpolitik, für Europäer selten interessant.

Darum zunächst ein Blick in den Iran, ein Land, das sich seit der Wahl von Khatemi zum Staatspräsidenten ganz langsam von der theokratischen Diktatur in Richtung Normalität bewegt. Iran Daily stellt nur eine PDF-Version seiner Printausgabe online, ‘webiger’ ist der Auftritt von Tehran Times. Nicht immer brandaktuell, aber mit einem, wenn auch quälend langsam durchsuchbaren Archiv und einer guten Abdeckung der asiatischen Politik bis hin zu China.

Nach dem Sturz der Taliban hält Saudi-Arabien wieder die Poleposition in Sachen Fundamentalismus - immerhin ist das Internet dort nicht ganz verboten. ArabNews, eine seit 1975 vor allem auf der saudi-arabischen Halbinsel verbreitete englischsprachige Tageszeitung, hat einen Online-Ableger, der neben religiöser Lebenshilfe (Ramadan: ‘Fasting when pregnant’) Nachrichten und Essays bringt, etwa zu ‘Arab Afghans: Heroes and villains’.

Eine Fahrt nach Norden bringt uns nicht nur nach Jordanien, sondern auch zu einem anderen Konflikt, der jüngst wieder einmal eskalierte: Israel/Palästina. Das Königreich kann mit gleich drei Sites aufwarten, die einen gelegentlichen Besuch lohnen. Da ist zunächst die staatliche Nachrichtenagentur Jordan News Agency, ähnlich prickelnd wie die Verlautbarungen des Bundespresseamtes, aber immerhin offiziell. Informativer sind die Jordan Times, ab und zu lesenswert wegen der persönlichen Sichtweise, aber unregelmäßig aktualisiert, auch Arab Star, gemacht von dem Journalisten Aziz Shihab.

Die 1875 gegründete ägyptische Wochenzeitung Al-Ahram hat zwar einen tagesaktuellen Online-Dienst, aber nur auf Arabisch. Englischssprachiges gibt es unter www.ahram.org.eg/weekly/, vor allem die ‘Opinion’-Sektion ist ein Tipp für alle, die dem arabischen Lager gerne ein dichotomisch anti-amerikanisches Weltbild unterstellen. Von den mir bekannten arabischen Sites auf jeden Fall auch die mit der vollständigsten Abdeckung, was Bereiche wie Kultur und Alltag angeht.

Aus dem Herzen des Nahost-Konflikts selbst berichten eine palästinensische und mehrere israelische Sites. Die Debka Files können sogar ein Best-of-the-Web-Award von Forbes vorweisen. Die Macher sind zwei - laut Selbsteinschätzung - erfahrene Auslandsjournalisten, die ihre Nachrichten in der Regel aus nicht näher bezeichneten Quellen beziehen. Immerhin habe ich dort zuerst über die chinesischen Fundamentalisten gelesen, die Seite an Seite mit den Taliban und Al Quaida kämpfen.

Ableger der jeweiligen Printmedien sind die Sites von Haaretz Daily und Jerusalem Post. Erstere ist auf den Nahen Osten fokussiert und oft schlecht zu erreichen, während die 70 Jahre alte Jerusalem Post durch einen perfekten Webauftritt und eine gute internationale Sektion überzeugt. Man kann sich die Nachrichten sogar Palm-fähig schicken lassen. Ihre Online-Leser scheint sie vor allem in den USA zu haben, das lässt zumindest ein Blick auf die Leserbriefe vermuten.

Sozusagen die andere Seite repräsentiert die Jerusalem Times, der Webauftritt der gleichnamigen palästinensischen Wochenzeitung. Naheliegenderweise geht es derzeit vor allem um die Intifada respektive die israelische Besetzung, über den Button ‘Insight Report’ sind oft lesenswerte Alltagsgeschichten zu entdecken. (ka)