Shrek lass nach

Nicht nur zu Zeiten der Berlinale oder der alljährlichen Oscar-Verleihung wird Filmgeschichte geschrieben. In puncto Kino ist das Internet eine wahre Fundgrube für Forscher und Sammler.

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Von
  • Kersten Auel

Seit Ende des vorletzten Jahrhunderts die ersten bewegten Bilder öffentlich über eine Leinwand flackerten, hat sich in der Filmindustrie viel getan. Ton ersetzte Untertitel, Farbe kam ins Spiel, und spätestens seit Terminator, Jurassic Park und Final Fantasy verwischen Computereffekte und -animationen die Grenzen zwischen wirklichem Zelluloidleben und Cyberspace.

Wer wissen will, wie und wo die bewegten Bilder ihren Anfang nahmen, wird wie üblich im Internet fündig. Das Goethe-Institut datiert die erste öffentliche Filmvorführung vor zahlendem Publikum in Deutschland auf den 1. November 1895. Ort des Geschehens war der Berliner Wintergarten, und die Dauer des Spektakels beschränkte sich auf ganze 15 Minuten. Leider hat sich der Doppelbild-Projektor der Brüder Skladanowsky als zu kompliziert erwiesen, um sich durchzusetzen. Dennoch gilt der 1939 in Berlin verstorbene Max Skladanowsky als Wegbereiter des Films in Deutschland. Details seiner Biografie sowie diverse Streifzüge durch die Berliner Filmgeschichte von der Diva Marlene Dietrich über den Regisseur Max Reinhard bis zum Apollo-Kinematograph, eine Anfang des letzten Jahrhunderts legendäre Filmvorführungsstätte, bietet www.webloc.de/kino/.

Parallel zu den Brüdern Skladanowsky haben die Brüder Auguste and Louis Lumière-Filmgeschichte geschrieben. Anders als das Goethe-Institut datiert www.holonet.khm.de/visual_alchemy/lumiere.html die erste öffentliche Filmvorführung auf den Dezember des Jahres 1895. Vier Tage nach Heiligabend sollen damals in Paris die Brüder Lumière im Grand Café auf dem Boulevard des Capucines ihren Cinematographen öffentlich demonstriert haben. Wie falsch Louis mit seiner Einschätzung lag, dass das Kino eine Erfindung ohne Zukunft sei, belegt nicht nur die seit ein paar Jahren stattfindende Renaissance der Filmpaläste (inklusive Popcorn und THX). Der ‘Hangar’ in Lyon, der Ort an dem Lumière im März 1895 den ersten Film drehte, wurde nach seinem Wiederaufbau als Museum - 1970 war das ursprüngliche Gebäude abgerissen worden - vom französischen Kultusminister zum historischen Baudenkmal erklärt. In der Rue du Premier-Film beheimatet es seit 1995 das Institut Lumière. Dessen Website enthält unter anderem Informationen über das den hohen Ansprüchen des heutigen Publikums genügende Kino und ein Museum mit virtuellen Führungen. Um die (film)geschichtliche Bedeutung dieses Ortes zu unterstreichen, ist es mittlerweile Tradition, dass der französische Fotograf Jean-Paul Bajard jeden Regisseur, Schauspieler und Drehbuchschreiber, der dem Institut einen Besuch abstattet, mit seiner Kamera festhält. Neben vielen, dem ‘normalen’ Kinogänger vielleicht nicht so geläufigen Namen enthält die Galerie unter anderem Aufnahmen von bekannten Kinogrößen wie Margareth von Trotta oder Claude Lelouch.

Ob die Brüder Lumière tatsächlich - wie weithin angenommen - als die Väter des Kinos zu betrachten sind, ist allerdings nicht unumstritten. Unter www.xs4all.nl/~wichm/myth.html äußert Tjitte de Vries begründete Zweifel. Sowohl der ‘Kinetoscop’ von Edison als auch der ‘Marvelous Cinematograph’ von Jean Acmé Leroy experimentierten bereits vorher mit Bewegtbildern. Und auch das Skladanowskysche Bioskop findet hier Erwähnung. Als Geburtsstunde des Kinos legt de Vries zwei Daten fest: Der technische Durchbruch erfolgte demzufolge 1888, der Film als solcher wurde ab 1900 relevant.

Kinoliebhaber, die solche historischen Spitzfindigkeiten eher kalt lassen, können dennoch auf diesem Site fündig werden. Neben detaillierten Informationen zu den diversen Filmformaten gibt es hier eine Liste von über 1500 Kameras und Projektoren, Antworten auf häufig gestellte Fragen sowie jede Menge Links zu Filmmuseen, Newsgroups, Chat Rooms und anderen nützlichen Quellen.

Nicht zu finden ist dort ein Verweis auf www.filmgeschichte.de. Wer sich speziell für Klassiker wie ‘Das Kabinett des Dr. Caligari’, ‘Nosferatu’ oder ‘Der Tiger von Eschnapur’ interessiert, findet hier Reviews zu Büchern, Videos, DVDs und Bühnenadaptionen. Die Website-Betreiber setzen ihren Fokus auf frühe deutsche Filme aus den Jahren 1910 bis 1920 aus den Genres Horror, Fantasie und Abenteuer.

Aus diesem Schwerpunkt sollte man jedoch nicht den Schluss ziehen, dass ‘Filmliebhaber kranke Menschen’ seien - ein Zitat des französischen Regisseurs François Truffaut, das die Eingangsseite von www.film100.com ziert. Dieser Site hat es sich zur Aufgabe gemacht, die für die Geschichte des Films einhundert einflussreichsten Menschen aufzulisten.

Auf Platz 1 rangiert hier William Kennedy Laurie Dickson aus England. Als Mitarbeiter im Team von Thomas Edison war er demnach maßgeblich an der Entwicklung des Kinetoscope beteiligt und entwickelt unter eigener Regie später selbst einen Biograf, mit dem er 1896 erstmals in einer öffentlichen Vorführung den Film ‘Empire State Express’ zeigte. Anders als Edison glaubte er daran, dass das Medium Film nicht nur Kinder, sondern die Massen begeistern könnte.

Voraussetzung dafür waren und sind natürlich gute Drehbücher, engagierte Regisseure und talentierte oder charismatische Schauspieler. So rangieren denn auch auf auf Platz 3 der Hitliste Charlie Chaplin und auf Rang 6 Alfred Hitchcock, direkt gefolgt von Walt Disney. Edison dagegen ist erst auf Platz 7 zu finden, und viel später erst folgen in der zweiten Hälfte (Platz 62) die Lumière-Brüder. Hinter allen aufgeführten Namen verbirgt sich ein Link zu einem ausführlichen Lebenslauf.

Ein wahre Fundgrube zum Thema beherbergt die Universität der Bundeswehr München mit diversen Verweisen auf Zeitschriften, Filmdatenbanken und Institutionen (http://www.unibw-muenchen.de/campus/Film/wwwfilmbi.html). Über diese Quelle habe ich auch zur ‘Bibliografie des fantastischen Films’ gefunden. Bei T-Online unterhält Holger Schnell einen kostenlosen Service, der auf E-Mail-Anfrage Literaturlisten zu einzelnen Filmtiteln verschickt. Auf meine Anfrage nach ‘Orphée’ von Jean Cocteau habe ich innerhalb von drei Tagen eine Liste mit elf Literaturhinweisen erhalten.

Cineasten, die bis hier gelesen haben, warten sicher schon ungeduldig auf eine Erwähnung der Internet Movie Database. Laut Website-Betreiber wird sie schließlich jeden Monat von immerhin mehr als neun Millionen Filmliebhabern aufgesucht. Top-Thema, als dieser Artikel entstand, war die aktuelle Oscar-Verleihung mit Links zur Nominierung, berühmten Zitaten früherer Preisträger oder einer Abstimmung darüber, wer in welcher Kategorie wohl dieses Mal die begehrte Trophäe ergattern wird. Wer wissen will, was ihn in Kino, Videothek und Fernsehen demnächst erwartet, ist hier richtig. Zum Service des Site gehören außerdem ein Newsletter, die Information darüber, welche berühmte Schauspielerin am aktuellen Datum gerade Geburtstag hat, Soundtracks und kurze Trailer und und und ... Am besten, man schaut selber mal vorbei.

Wer hauptsächlich an Infos über Kassenschlager wie ‘Der Herr der Ringe’ oder ‘Shrek’ interessiert ist, kann auf gut Glück den Filmtitel eingeben und ihn in ‘www.’ und ‘.com’ einschließen. Und damit auch Filmfans nicht nur passive Rezipienten bleiben, bietet Warner Brothers auf der offiziellen Homepage von Harry Potter unter anderem ein Trainingscamp für künftige Quidditch-Spieler an. (ka)