Software-Patente ade?

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Von
  • Michael Kofler

Der 6. Juli 2005 wurde zum Freudentag für die Open-Source-Gemeinde sowie kleine und mittelgroße Softwareunternehmen (KMUs): Das EU-Parlament lehnte die Richtlinie über die Patentierbarkeit „computerimplementierter Erfindungen“ mit überwältigender Mehrheit ab (648:14 bei 18 Enthaltungen).

Die Gründe:

  • Das EU-Parlament fühlte sich zu Recht von der Kommission gegängelt und wollte ein für allemal klar machen: So nicht! (Bisher hatte das Parlament noch nie einen gemeinsamen Standpunkt des EU-Rats vom Parlament gekippt.)
  • Die Patentbefürworter bekamen in letzter Sekunde kalte Füße, als sich eine mögliche Mehrheit für die Änderungsvorschläge von Michel Rocard abzeichnete. Diese Änderungen hätten Softwarepatente als solche unmöglich gemacht.

Beide Punkte sollten Patentgegnern zu denken geben: Das Votum war ein Lebenszeichen des EU-Parlaments und teilweise ein taktisches Manöver: lieber ein (vorläufiges) Scheitern in Kauf nehmen, als das Risiko eingehen, auf Softwarepatente ganz verzichten zu müssen. Es war aber keine generelle Absage an Softwarepatente.

Einen schalen Nachgeschmack hinterlässt auch die emotionale Lobbying-Schlacht: Zwischen großen Firmen (Alcatel, Nokia, SAP et cetera) und KMUs wurden unnötig Gräben aufgerissen. Beide Lager sind aber auf Zusammenarbeit angewiesen. Positiv am jahrlangen Gezerre ist einzig der Umstand, dass die Problematik von Softwarepatenten nun einer viel breiteren Öffentlichkeit bekannt ist.

Es wäre naiv zu glauben, dass das letzte Wort damit gesprochen sei - zu viel Geld und Wirtschaftsmacht stehen auf dem Spiel, zu groß ist der Wunsch nach einer Harmonisierung des EU-Softwarepatentrechts. Gleichzeitig überlegt man in den USA, das Patentwesen zu reformieren, gerade im Bereich der dort zulässigen Softwarepatente. Daher ist der Zeitpunkt günstig, sich grundsätzlichen Fragen zuzuwenden:

  • Sind Patente überhaupt noch zeitgemäß? Wem nützen sie? Wem schaden sie? Fördern oder behindern sie die Innovation?
  • Was ist in welchem Ausmaß patentwürdig? Sollen ein 50-zeiliger Algorithmus oder eine bloße Idee denselben Schutz genießen wie ein Medikament, dessen Entwicklung Jahre gedauert und hohe Kosten verursacht hat?
  • Was sind sinnvolle Zeiträume für die Veröffentlichung und Gültigkeit von Patenten? Ein 20 Jahre geltendes Patent, dessen Text erst nach Jahren publik wird, ist in der IT-Branche absurd.
  • Wie sehr werden KMUs durch Patente beziehungsweise Rechtsunsicherheit behindert? Will die EU eine von wenigen Firmen dominierte IT-Wirtschaft?
  • Welche Maßnahmen schützen vor Trivialpatenten? (Solche Patente hat das europäischen Patentamt bereits vergeben, sie sind aber weiterhin nicht anwendbar.)
  • Welche Instanzen kontrollieren das Patentamt als solches? (Das europäische Patentamt untersteht nicht der EU.)
  • Wie wichtig ist der Schutz der Open-Source-Bewegung? (Es kann nicht im Interesse der EU und ihrer wirtschaftlichen Entwicklung sein, dass Patente die Weiterentwicklung von OSS stoppen oder behindern.)

Sind all diese Fragen zufriedenstellend beantwortet, mag eine neue Initiative zur EU-weiten Patentgesetzgebung sinnvoll sein. Bis es so weit ist, kann ich mich als Open-Source-Fan einfach nur freuen, dass Demokratie und Vernunft vorerst die Oberhand behalten haben ... (ck)