Spätgeburt

Was lange währt, so kann man hoffen, wird schließlich gut. Zeit zumindest hat sich Palm genügend gelassen, um mit einem grundlegend neuen Gerät samt überarbeitetem Betriebssystem auf den Markt zu kommen.

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Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Christian Kirsch
Inhaltsverzeichnis

Unter dem Namen Tungsten (englisch für ‘Wolfram’) vermarktet Palm die ersten Geräte einer neuen Generation. iX testete den Tungsten T, der gegenüber allen Vorgängern einige Neuerungen bietet:

  • Statt des Dragonball-Prozessors von Motorola kommt ein schnellerer OMAP1510 von TI zum Einsatz.
  • Ein Bluetooth-Chip ist eingebaut, der Erweiterungsslot für SD/MM-Karten bleibt also frei.
  • Die Auflösung hat sich mit 320 × 320 Pixeln vervierfacht.
  • Als Betriebssystem läuft Palm OS 5.0.

Mit 1,5 cm ist der Tungsten einen halben Zentimeter dicker als ein m505, wiegt jedoch etwas weniger. Damit ist er immer noch deutlich kleiner als sein Hauptkonkurrent iPAQ. Auf den ersten Blick fallen zwei Änderungen sofort ins Auge: Das Graffiti-Feld für die Texteingabe scheint verschwunden zu sein, und die bisherigen Scrollbuttons hat Palm durch einen runden Knopf (5-Wege-Navigator) ersetzt, der Bewegung in vier Richtungen und Auswahl erlaubt.

Verschollen ist die Graffiti-Fläche jedoch nicht: Sie versteckt sich nur. Der untere Teil des Tungsten T lässt sich herausziehen, was das Schreibfeld hervorzaubert. Das stellt sich im täglichen Betrieb als lästig heraus: Um einen Termin eingeben zu können, muss man erst das Gerät verlängern, wozu beide Hände nötig sind. Zudem wirkt die herausgezogene Schublade wacklig. Einen echten Vorteil bringt die verstecke Eingabefläche ohnehin nicht - sie verkürzt das Gerät gegenüber einem m505 um gerade mal 1 cm.

An der Eingabemethode selbst hat sich ebenso wenig geändert wie an den meisten Anwendungen: Sie sehen dank der höheren Auflösung hübscher aus, aber unter der Haube hat sich fast nichts getan. Aus dem Adressbuch kann man nun direkt per Bluetooth oder Infrarot ein Handy zum Wählen veranlassen. Das konnten allerdings auch ältere Palm-Modelle mit einer Bluetooth-Karte. Einige neue Anwendungen liefert der Hersteller jedoch mit.

Dazu gehört die Sprachaufzeichnung, die ein Knopf am linken Gehäuserand aktiviert. Die Qualität ist akzeptabel, die Aufnahme lässt sich aber nicht aussteuern. Lediglich bei der Wiedergabe kann man die Lautstärke einstellen. Ebenfalls neu ist eine Weltzeituhr, die die aktuelle Ortszeit dreier frei wählbarer Städte anzeigt. Bei ausgeschaltetem Gerät blendet ein kurzer Druck auf den 5-Wege-Navigator diese Uhr ein.

Weitere Anwendungen enthält die beigelegte CD-ROM. Dazu gehören zwei Browser (WAP und HTML), das nun ‘VersaMail’ getaufte ehemalige Multimail, endlich ein brauchbarer Taschenrechner und Documentstogo 5. Der HTML-Browser Webpro hinterließ im Test einen guten Eindruck; er kommt mit Javascript zurecht und unterstützt HTTPS. Die Geschwindigkeit war für GPRS- und GSM-Verbindungen normal. Ein Programm zur Konfiguration von GPRS-Handys für die Nutzung mit dem Palm ist auf der CD-ROM zu finden. Das erleichtert das sonst überaus kryptische Eingeben der nötigen Parameter.

Was bei der Softwareausstattung immer noch fehlt, sind ein Dateimanager sowie eine SSL-verschlüsselte Verbindung für den Mail-Abruf. So ist Versamail für Sicherheitsbewusste nutzlos, denn es schickt das Mailpasswort im Klartext übers Netz.

Viele Anwendungen für ältere Palm-OS-Versionen laufen weiterhin auf dem Tungsten T, ausgenommen sind jedoch die sogenannten Hacks. Ein Emulator setzt die Maschinenbefehle des Dragonball-Prozessors für die neue CPU um, was im Test nur einmal zu einem Absturz führte. Geschwindigkeitseinbußen durch die Emulation waren nicht feststellbar, wie Palm bereits im Vorfeld versprochen hatte. Zwei Anwendungen wollten auf dem neuen Gerät nicht funktionieren: WebToGo konnte weder per Infrarot noch per Bluetooth eine Verbindung zum Handy aufbauen und ein Backup-Programm für SD-Karten vermochte nicht mehr den kompletten Inhalt der Karte anzuzeigen.

Benchmarks sind auf einem PDA naturgemäß schwer durchzuführen. Als Anhaltspunkt für die Leistungsfähigkeit kann jedoch die Übertragungsgeschwindigkeit zwischen einem iBook und dem Palm-PDA via Bluetooth herhalten. Während Palm OS 4.0 auf diesem Weg schlappe 4 KByte pro Sekunde verschickte, brachte es der Tungsten auf das Dreifache. Weniger begeisternd ist allerdings die Akkulaufzeit. Kollegen unserer Schwesterzeitschrift c’t ermittelten eine Betriebszeit von 6,5 Stunden im Dauertest - bei eingeschalteter Beleuchtung waren es drei Stunden weniger [1].

Als eine der ersten Firmen unterstützte Palm Bluetooth in seinen Geräten. Leider bewegt sich die Funk-Integration des Tungsten immer noch auf demselbem Niveau wie diese erste Implementierung. So ist das Verschicken beliebiger Dateien nicht möglich - unter anderem deshalb, weil Palm keinen Dateimanager liefert. Zwar lassen sich Programme und WAV-Dateien ohne Schwierigkeiten per Bluetooth an den PDA schicken, doch bei anderen Dateien fühlt sich regelmäßig nur das Notepad als Empfänger angesprochen. Das hilft wenig, wenn man etwa Bilder herüberbeamen möchte. Lästig ist ebenfalls die krude Integration in die mitgelieferten Anwendungen: Wer Einträge per Infrarot verschicken möchte, muss auf ‘Übertragen’ klicken; um dasselbe per Bluetooth oder SMS zu erledigen, ist ‘Senden’ auszwählen. Hoffentlich kann sich die Firma aufraffen, bald Palm OS 5.1 mit grundlegenden Verbesserungen nachzureichen.

[1] Daniel Lüders; Doppelherz; Palm Tungsten T mit Palm OS 5 und ARM-Prozessor; c’t 23/2002, S. 20

Mehr Infos

iX-Wertung

(+) höheres Arbeitstempo
(+) Browser unterstützt Javascript
(+) alte Anwendungen laufen noch
(-) halbherzige Bluetooth-Einbindung
(-) Standardprogramme angestaubt
(-) unhandlicher Auszug

Daten und Preise
Betriebssystem Palm OS 5
Speicher 16 MByte RAM
Display 320 × 320, 65 536 Farben
Erweiterungen SD/MM-Slot
Schnittstellen Bluetooth, Infrarot, USB (für Synchronisierung)
Dokumentation auf CD-ROM
Software Palm-Desktop auf CD-ROM, PIM-Anwendungen im RAM.
Preis 517 EUR

(ck)