Streitkultur

Die Lust, im Internet spontan seine Meinung zu äußern, hat Onlineforen einen anhaltenden Schub versetzt. Dementsprechend vielfältig sind die Softwaresysteme zur Einrichtung der Foren. Eine Marktübersicht mit exemplarischen Ausflügen.

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Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Detlef Hüttemann
  • Andreas Gohr
  • Tilo Baller
Inhaltsverzeichnis

Was einst im akademischen Umfeld mit Netnews und Mailinglisten begann, hat sich heute im privaten und kommerziellen Bereich breit durchgesetzt. Onlineforen sind in Unternehmen für den Kundensupport einsetzbar; zur Diskussion auf Medien-Sites und zur Selbstdarstellung beispielsweise von Schulen und Vereinen dienen sie als Basis, um Diskussionen zu strukturieren.

Nach einem Überblick über typische und sinnvolle Features moderner Forensysteme stellt dieser Artikel die folgenden acht Applikationen detaillierter vor: punBB, phpBB, Vanilla, Unclassified Newsboard, vBulletin, Burningboard, JForum und YetAnotherForum.Net. Viele weitere etablierte Applikationen sind auf dem Markt verfügbar – eine Onlineübersicht bietet beispielsweise Forummatrix.

Onlineplattformen für Foren beziehungsweise Bulletinboards gibt es viele, das Nutzungsprinzip ist jedoch bei allen Systemen weitestgehend gleich: Eine Person eröffnet eine Diskussion (Thread), indem sie einen Beitrag (Posting) schreibt. Andere Personen lesen diesen und schreiben ein Antwort-Posting – oder eine Antwort auf eine Antwort, womit die Diskussion bereits im Gange ist.

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Das wichtigste Unterscheidungskriterium der Systeme ist die Art, wie die Beiträge angeordnet sind: entweder hierarchisch als Baum oder chronologisch sortiert. Hierarchische Ansichten stellen zwar den Bezug zum jeweiligen Vorredner klar, können aber zu entkoppelten Teildiskussionen führen. Bei einer chronologischen Anordnung dagegen fehlt die direkt logische Verknüpfung zwischen zwei Beiträgen. Sobald auf ein älteres Posting geantwortet wird, muss der Diskussionsteilnehmer den Bezug zum Vorredner über Zitate herstellen; Zitatfunktionen der Software erleichtern dies.

In der Regel erwartet ein Anwender, dass er seine Diskussionsbeiträge ungefiltert und unverzüglich veröffentlichen kann. Es ist naheliegend, dass dies Spammer anzieht wie Motten das Licht – die Forensysteme kontern mit Abwehrmechanismen. Gegen einzelne Spammer oder notorische Nörgler helfen kurzfristig IP-Bannlisten. Automatisierten Spambots wird mit Flood Control (Kontrolle der Anzahl der Beiträge in einem Zeitraum) und Captchas mehr oder minder erfolgreich Widerstand geleistet. Gelangt dennoch ein offensichtlich fragwürdiger Beitrag an die Öffentlichkeit, bleiben Moderationswerkzeuge als Ultima Ratio, um den unerwünschten Content zu entfernen.

Grundsätzlich kann der Betreiber Beiträge nachträglich editieren oder ganze Diskussionsstränge löschen. Auch wenn einem der Eingriff in die freie Meinungsäußerung missfällt – wer ein Diskussionsforum betreibt, kann für von Benutzern eingestellte beleidigende oder strafbare Inhalte haftbar gemacht werden. Sofern er als Betreiber über die Inhalte in Kenntnis gesetzt wurde, ist er zur Löschung des Beitrages verpflichtet. Der unmittelbar folgende Artikel „Forensisch“ reflektiert den aktuellen Stand der Rechtsprechung.

Bei einem anderen Verfahren geht es um die Anordnung der Threads: Markiert ein Moderator einen Thread als sticky, steht er in den Übersichtsseiten ganz oben – normalerweise listen die Systeme aktuelle Threads zuerst. Sticky Threads enthalten häufig grundsätzliche Informationen wie Netiquette, Nutzungsbedingungen oder FAQs. Sticky-Threads lassen sich – wie alle anderen Threads auch – schließen, wobei eingestellte Inhalte sichtbar bleiben, Benutzer können sie aber nicht mehr weiter diskutieren.

Mit einem weiteren Moderationswerkzeug lassen sich einzelne Threads aufteilen (Split Thread): Schweift eine Diskussion stark vom Thema ab, kann ein Moderator einzelne Beiträge in einen komplett neuen Thread abspalten; das hilft Übersichtlichkeit zu erhalten und Neuankömmlingen den Einstieg zu erleichtern. Um von vornherein eine inhaltliche Struktur zu bekommen, kann man Kategorien festlegen, unterhalb derer sich die eigentlichen Threads einordnen.

In der Regel ist es der Wunsch des Betreibers, ein prominentes und viel besuchtes Forum zu erhalten. Suchmaschinenfreundliche URLs, die den Betreff des Thread enthalten, können für ein besseres Ranking sorgen. Während die „Benutzersicht“ normalerweise lange Diskussionen auf mehrere blätterbare Seiten verteilt, bilden LoFi-Views komplette Themenstränge in reduzierter Form auf Einzelseiten ab. Sie enthalten damit hohe Verdichtungen von Inhalten und Schlagwörtern, ohne Suchmaschinen-Bots, beispielsweise durch Navigationselemente, zu verwirren. Zudem werden diese Views häufig als statische HTML-Seiten abgelegt, um den Server zu entlasten.

Um ein Forum gestalterisch dem Thema anzugleichen, lassen sich mit einem Skin-Editor im begrenzten Umfang Farben und Fonts anpassen – wer mehr will, muss selber Hand anlegen. Hilfreich für die Gestaltung ist es, wenn der benötigte (HTML)-Code getrennt von den Implementationsfunktionen vorliegt (Template-Konzept). Einige Forensysteme bieten Unterforen an, die durch individuelle Templates gestalterisch anzupassen sind. Zu groß darf allerdings die Erwartungshaltung an das Design nicht sein, der Grundaufbau ist bei fast allen Foren gleich: Breadcrumbe-Navigation, Forumliste, Thread-Liste und Statistiken bestimmen das Bild.

Soll neben der Layout-Anpassung eine Integration in einen bestehenden Web-Auftritt erfolgen, wird’s richtig schwierig. Zwar bieten die meisten Systeme Content Syndication via RSS an, sodass zumindest die Inhalte eines Forums in anderen Websites annonciert werden können. Eine Möglichkeit, aktiv zu diskutieren, ergibt sich hierdurch aber nicht. Forensysteme besitzen in der Regel eigene Implementierungen für die Verwaltung der Postings und Threads sowie für die Nutzer und ACLs. Offene APIs sind selten. Zumindest für Single-Sign-On (SSO) oder die Delegation der Authentifizierung an andere Unternehmensanwendungen findet man sporadisch Unterstützung.

Foren lassen sich mit individuellen Zugriffsrechten für das Lesen und Schreiben von Beiträgen für einzelne Nutzer ausstatten. Wer dieses exzessiv betreibt, freut sich über Benutzergruppen. Hier werden die Lese- und Schreibrechte initial für frei definierbare Gruppen vergeben. Die administrative Arbeit bei der Verwaltung der Benutzer beschränkt sich dann darauf, diese den passenden Gruppen zuzuordnen.

Foren sind wie alle Webapplikationen einem erhöhten Angriffsrisiko ausgesetzt. Wenn eine anonyme Anmeldung ausreicht, kann ein Angriff potenziell sogar „von innen heraus“ erfolgen, also von angemeldeten Usern der Community. In der Vergangenheit zeigten sich die Systeme besonders anfällig gegenüber Cross-Site Scripting und Remote Code Injections – Angriffsmethoden, bei denen unzureichend geprüfte User-Eingaben schadhaften Code in das System schleusen.

Eine besonders beliebte Angriffstechnik stellt das „Cross-Site Request Forgery“ (CSRF) dar: Hierbei nutzt der Angreifer die in allen Foren vorhandene Funktion, einen Link in einem Beitrag zu schreiben. Dieser Link ist nun so konstruiert, dass er auf eine Administrationsfunktion des Forums selbst zeigt – beispielsweise auf die Funktion zum Hinzufügen eines Nutzers zur Administratorgruppe. Der Link lässt sich mittels BBCode tarnen und in einem Neugier weckenden Zusammenhang posten. Sobald ein angemeldeter Administrator auf den präparierten Link klickt, wird die gewünschte Aktion ausgeführt. Glücklicherweise sind die meisten Forensysteme inzwischen vor solchen Angriffen geschützt.

Bei den Editoren zum Verfassen von Beiträgen erwarten die Benutzer einerseits Formatierungsmöglichkeiten, andererseits ist die Eingabe von HTML-Code weder benutzerfreundlich noch unter Sicherheitsaspekten verantwortbar. Die meisten Systeme setzen eine Markup-Sprache namens BBCode für typische Formatierungen (fett, kursiv) ein. Für darüber hinausgehende Funktionen kocht letztendlich jedes Forensystem sein eigenes Süppchen. Neben den Auszeichnungen, die sich unmittelbar in HTML-Markup übersetzen lassen, gibt es Funktionen wie die oben bereits erwähnte Zitatfunktion; viele Systeme erlauben zudem die Definition eigener Markups: Einige Forensysteme bieten komplette WYSIWYG-Editoren an.

Unter Umständen kann es sinnvoll sein, den Teilnehmern zusätzliche Funktionen neben dem eigentlichen Diskutieren zur Verfügung zu stellen. Beliebt ist die Möglichkeit, Umfragen hinzuzufügen. Mitglieder können zwischen den vorgegebenen Antworten wählen – das System übernimmt die Zählung und grafische Auswertung der Stimmen. Viele Systeme erlauben es, Dateien an einen Beitrag zu hängen. Welche Dateiformate und -größen erlaubt sind, lässt sich in der Regel in der Administrationsoberfläche konfigurieren.

Da Webforen immer auch ein Ort der Selbstdarstellung sind, können User bei Bedarf dem eigenen Profil Avatare zuordnen. Über Ranking-Systeme kann die Aktivität eines Benutzers im Forum aufgezeigt werden; manche Foren bieten auch an, einzelne Posts oder Threads zu bewerten. Höher bewertete Threads sorgen für ein besseres Ranking in Übersichtsseiten und steigern das Karma des Diskutanten.

Der Mehrwert eines Forums besteht darin, der Allgemeinheit Meinungen und Kenntnisse kundzutun. Trotzdem sind in manchen Situationen direkte, von der Öffentlichkeit unbemerkte Nachrichten zwischen Forenteilnehmern hilfreich.

Bei diesem Private Messaging (PM) landen die Nachrichten in einer foreninternen Mailbox; der Empfänger kann sich bei neuen Nachrichten durch E-Mail informieren lassen. Neben diesen PM kann der Teilnehmer Abonnements anlegen, um über neue Forenbeiträge informiert zu werden; wahlweise bei allen neuen Beiträgen in einem Forum oder nur bei Antworten auf eigene Beiträge. Dabei verhalten sich alle vorgestellten Systeme intelligent genug, die User nicht zuzuspammen, sondern nur eine Benachrichtigung bis zum nächsten Besuch zu versenden.

Forensysteme sind in ihrer Bedienung und Anwendung im hohen Maße standardisiert; die Grundfunktionen eines Forums lassen sich mit modernen Entwicklungswerkzeugen schnell selbst entwickeln. Wer so etwas vorhat, sollte aber wissen, dass diese Standardisierung eine entsprechende Erwartungshaltung von Benutzern, Moderatoren und Administratoren zur Folge hat. Zwar fängt man in der Regel klein an und posted und moderiert nach Leibeskräften selber. Wenn aber endlich die kritische Masse erreicht ist und das Forum prominent ist, können oder müssen weitere Moderatoren die Arbeit übernehmen. Spätestens dann sind ausgereifte Pflegewerkzeuge vonnöten und der Einsatz eines „professionellen“ Systems ist zu empfehlen.

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  • Forensoftware hat als Kommunikationsbasis die klassischen Usenet/Newsgroups fast vollständig verdrängt.
  • Es gibt ein großes Angebot an kostenloser oder preiswerter Forensoftware.
  • Die äußere Erscheinungsform ist weitgehend ähnlich, nur wenige Produkte entziehen sich der Konformität.
  • Als Programmierparadigma werden Skiptsprachen wie PHP und objektorientierte Frameworks wie Java- und .Net eingesetzt.

(wm)