Strg-Alt-Entf forever

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Jürgen Seeger

Die Unsicherheit, wie der ‘falsche Jahrtausendwechsel’ wirklich ausgeht, könnte vielerorts den Blick darauf verstellen, was uns das nächste Jahr DV-technisch Neues bringt. Linux ist überall, das Internet boomt weiter, alle warten auf Gewinne aus dem E-Commerce. Was noch?

Der PC stirbt. Nach langem Siechtum und sich wiederholenden katastrophalen Diagnosen soll es jetzt soweit sein. Auf der Comdex wurde die Post-PC-Ära eingeläutet, das Heilmittel kommt von einem der größten PC-Hersteller. Compaqs Legacy-free-PC iPaq verzichtet auf ISA-Slots, serielle und parallele Ports werden nur noch optional geliefert, Standard für die Peripherieanbindung ist USB. (Warum kommt mir eigentlich immer ‘iMac’ über die Zunge, wenn ich ‘iPaq’ sagen will?)

Spätestens seit 1994 die GartnerGroup die legendäre Total-Cost-of-Ownership-Debatte begann, stand der PC unter Beschuss. Zu kompliziert, zu unstabil, zu teuer. Die Alternativen ließen nicht auf sich warten. Oracles Larry Ellison propagierte den Windows-freien Network PC, Sun brachte die Java-Station. Von ersterem ist nicht mehr die Rede, der Sinn letzterer wurde schnell umgewidmet: nicht den Personal Computer solle sie ablösen, sondern die noch millionenfach vorhandenen ‘grünen’ Terminals.

Schon damals waren diese Ideen nicht gerade revolutionär. Anfang der 90er Jahre sollten X-Terminals, bedient von zentralen Unix-Anwendungen, dem PC den Garaus machen. Mittlerweile DV-Geschichte. 1994 testete iX versiegelte PCs ohne Diskettenlaufwerk und Platten. 1998 folgte der NetPC (auch von Compaq), ZAK hieß die Devise. Die Assoziation zur gleichnamigen Satiresendung ist natürlich völlig abwegig, es ging um Microsofts ‘Zero Administration Kit’.

Windows based Terminals (WBT) auf Basis des glücklosen Windows CE bieten sich seit einigen Monaten als Endgeräte für Microsofts Terminal Server an. Mit Geburtshilfe der iX entstand das iX-Terminal, ein diskless Linux-Gerät, das sein Betriebssystem vom Server bootet. Vorher hatten wir das mit Suns gemacht, eine Zeit lang gab es sogar SPARCs ohne Platte aus Mountain View.

Bislang konnten all diese Versuche die Dominanz des klassischen PC auf dem Desktop, und damit auch die von Microsoft, nicht einmal ankratzen. Der berühmt-berüchtigte Drei-Finger-Griff ist Teil des Büroalltags. Ob deswegen Compaqs Legacy-free-PC in zwei Jahren genauso in der Versenkung verschwunden sein wird wie seine Vorgänger, ist allerdings keineswegs sicher. Schließlich lebt man auch anderswo sehr gut davon, ohne technische Innovation den Markt zu beherrschen. (js)