Umsonst und draußen

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Christian Kirsch

Die Zeichen stehen günstig. Nach jahrelangen Bemühungen von Konsortien, Gremien und Firmenvereinigungen ist eine weitgehend vereinheitlichte Unix-Version in greifbare Nähe gerückt. Allerdings fast ohne Zutun von Konsortien, Gremien oder Firmenvereinigungen: Ausgerechnet das frei verfügbare Linux läuft inzwischen auf Intel-, SPARC-, PowerPC-, Mips-, Alpha- und PA-RISC-Maschinen, wie unter anderem die Titelgeschichte dieses Heftes zeigt. Selbst MacOS-Fans dürfen inzwischen mit Linux flirten.

Neben dem Betriebssystem, mit dem alleine noch niemand arbeiten kann, sind sämtliche GNU-Werkzeuge auf diesen Plattformen benutzbar, es gibt eine C-Bibliothek und identische Systemaufrufe. Paradiesische Zustände für Programmierer.

Nicht ganz. Zwar steht fest, was die Linux-Quellen und die GNU-Werkzeuge sind, doch noch kochen Distributoren ihre eigenen Süppchen. Mal kommen die Softwarepakete als komprimierte tar-Dateien, mal im Debian-, mal im Red-Hat-Format. Hier liegen UUCP-Konfigurationen in /etc/uucp, dort in /usr/conf/uucp. Jener Distributor protegiert den fvwm95, dieser den fvwm2. Administrationswerkzeuge, wenn sie denn vorhanden sind, sehen natürlich überall anders aus und decken unterschiedliche Aufgaben ab.

Immerhin zeichnen sich Einigungen ab, die im kommerziellen Bereich Jahre benötigt hätten: Bei der Softwareinstallation geht der Trend zum RPM-Format, die Filesystemstruktur fsstnd soll Ordnung bei den Konfigurationsdateien schaffen, und ein CDE-Clone liegt bereits im Alpha-Stadium vor. So führen die per Netz organisierten EntwicklerInnen vor, wie man technische Entscheidungen trifft, ohne sich von persönlichen Eitelkeiten und firmenpolitischen Vorgaben aufreiben zu lassen. Auf der Minusseite stehen dabei immer wieder neu erfundene Räder (allein Linux Datei-Manager sind Legion) und Versionsprobleme: Das eine Programm mag nicht mit der Bibliothek arbeiten, die das andere unbedingt benötigt.

Könnten sich die großen Hardwarehersteller entschließen, Teile ihrer Entwicklungsabteilungen in die Anstrengungen der Linux- und GNU-Enthusiasten zu integrieren, gelänge ihnen womöglich das, was sie in den achtziger Jahren noch lauthals versprachen: ein Unix, dessen Programmier- und Benutzerschnittstelle überall einheitlich sind. Sun unternimmt immerhin schon kleine Schritte in diese Richtung, indem es die Tcl/Tk- und XEmacs-Entwicklung finanziert; die OSF sprang jüngst mit ihrem auf Mach basierenden PA-RISC-Port von Linux auf den Zug. Was Linux außer bei Intel-Rechnern noch fehlt, ist eine breite Unterstützung der verfügbaren proprietären Hardware - und die können nur die Hersteller bieten.

Dazu müßten sie sich allerdings zunächst von der Arroganz kommerzieller Unix-Anbieter verabschieden, was kostenlos und jedermann zugänglich sei, könne nichts taugen. Unabhängige Tests haben längst gezeigt, daß freie Software hinsichtlich Stabilität und Leistungsfähigkeit den kommerziellen Produkten nicht bloß gleichwertig, sondern oft überlegen ist. Support und Fehlerbeseitigung im Netz sind nicht nur billiger als kostspielige Wartungsverträge, sondern die Antwortzeiten sind in der Regel auch wesentlich kürzer.

Ob das Kind schließlich Linux oder NetBSD heißt, bleibt dabei gleichgültig. Entscheidend ist, daß sich nicht firmenpolitisch opportune, sondern technisch möglichst leistungsfähige und stabile Konzepte durchsetzen. Die freien Unix-Clones haben dabei in den letzten drei Jahren Überzeugenderes geleistet als die kommerziellen Produkte in der dreifachen Zeit. (ck)