Verbandsdeutsch

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Von
  • Achim Born
  • Achim Born

Die diesjährige Systems nutzten die Verbandsvertreter von BVB, BVIT, VDMA und ZVEI, um ein letztes Mal eigenständig aufzutreten. Künftig soll der neue BITKOM (siehe Seite 32) den konvergierenden Branchen der Informationswirtschaft und Telekommunikation die bislang fehlende gemeinsame Stimme geben. Zur offiziellen Gründung waren zumindest alle Großkopferten der Branche nach Berlin geeilt. Selbstredend war auch BDI-Präsident und Ex-IBM-Manager Hans Olaf Henkel zur Stelle, um mit zu feiern. Schließlich wird der BITKOM Mitglied im BDI.

Von der angestrebten Einheitlichkeit und Geschlossenheit gegenüber Politik und Öffentlichkeit ist man allerdings noch ein gutes Stück entfernt. Denn der Ende Mai gegründete Spitzenverband der Deutschen Software-Industrie (SVDS) - hierzu gehören die Verbände BVBS, VSI, DMMV und VUD - reklamiert für sich die Rolle des Sprachrohrs für die deutsche Software- und Multimedia-Szene. Über 1000 Mitgliedsfirmen und ein Umsatzvolumen von 15 Mrd. DM repräsentiert der ‘virtuelle’ Verband.

Vor und hinter den Kulissen ist jetzt zwischen beiden Verbänden eine Auseinandersetzung entbrannt, wer denn nun das Sprachrohr sei. Insbesondere um das Klientel der kleinen und mittelständigen Softwareunternehmen buhlt man heftigst. Das sieht der SVDS im BITKOM mit seinen (übermächtigen) Hardwarevertretern nicht ausreichend repräsentiert. ‘Im BITKOM werden wir eine aktive Partnerschaft zwischen Groß und Klein leben,’ kündigte dagegen Gründungspräsident Dr. Volker Jung an. Start-ups sollen besonders günstige Konditionen erhalten, BVIT und Teile des BVB Garanten für eine deutliche Ausrichtung in Richtung Mittelstand sein.

Während der Systems nahmen BVIT-Vertreter die Mitarbeit des VSI und damit der Amerikaner, allen voran Microsoft, zum Anlass, um polemisch über den SVDS herzuziehen. Den globalen Wettbewerbern aus Indien, USA et cetera wurde unterstellt, mit ‘teilweise imperalistischem Gebahren Deutschland und Europa in eine Dienstleistungs- und Technologieabhängigkeit zu zwingen’.

Ein harte, aber nicht neue Argumentation. An dieser Stelle sei deshalb einmal ein Blick zurück erlaubt: Schon die Gründungen der jetzt im BITKOM versammelten Verbände beruhten auf partikularen Interessen. So waren traditionell im VDMA die Hersteller für Büromaschinen, Registrierkassen und Schreibmaschinen vertreten. Da IBM mitmachte, fehlte aber der nationale Touch. Deshalb schlossen sich die deutschen Hersteller lieber dem ZVEI an.

Die Importeure und Niederlassungen ausländischer Firmen, auch Softwarehäuser, fanden wiederum im BVB eine Heimat. Die hiesigen Softwarevertreter der ersten Stunde mischten zunächst heftig im BDU (Bundesverband Deutscher Unternehmensberater) mit. Da Berater und Softwarefirmen nicht dauerhaft unter einen Hut zu bringen waren, setzten sich die ‘soften’ Vertreter 1993 in den BVIT ab. Dieser akzeptierte im Gegensatz zum BDU auch Hardware-Vertreter. Zwischenzeitlich gab es zudem noch einen Verband namens Impuls, der sich als ‘Gemeinschaftsaktion Mittlerer Deutscher DV-Unternehmen’ verstand. In der Rolle des ‘David’ gegenüber den Goliaths IBM und Siemens lange Zeit von Politik und Öffentlichkeit verhätschelt, flüchtete man allerdings 1987 unter das BVB-Dach.

Insgesamt tummeln sich derzeit mehr als 20 Verbände in der hiesigen IT- und Kommunikationsbranche. So gesehen ist die Bereinigung durch BITKOM und auch SVDS durchaus zu begrüßen. Denn besser als die aktuelle Situation ist die Verschmelzung allemal. Man darf deshalb zumindest von einer Vereinheitlichung der Marktzahlen und -statistiken ausgehen. Auch in der Messeszene, schon immer Steckenpferd der großen Verbände (die Systems wurde lange Zeit von ZVEI und VDMA geschnitten), kann sich etwas tun.

TK-Politik fand sich auf der To-do-Liste im übrigen erst nach den Punkten wie Messe, Statistik und Außenhandel. Vielleicht eine Petitesse, aber eine auffallende. Von dem vorgegebenen Anspruch ‘Schrittmacher Deutschlands auf dem Weg in die Informationsgesellschaft’ zu sein, ist der BITKOM noch weit entfernt.

Visionen oder gar Visionäre sind im neuen Verband zur Zeit nicht zu sichten. Förderpolitik (und Gelder) sind seit Etablierung des Neuen Marktes und einer Venture-Capital-Szene in Deutschland kein Thema mehr. Geld steht für Entrepreneure in ausreichendem Maße zur Verfügung. Gedient wäre allen, wenn der BITKOM effektiv arbeitet und die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf die richtigen Themen lenkt. Ein bis zu 50 Mitglieder starker Vorstand lässt die Hoffnung nach effizientem Arbeiten aber erst gar nicht aufkommen. (ab)