Viechereien

Ob Cocktailkleider für Pudeldamen, Bachblütentherapie für ängstliche Pferde oder virtuelle Tierfriedhöfe - das Web sorgt für des Menschen liebste Hausgenossen in fast allen Lebenslagen.

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Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Dr. Susanne Schwonbeck
  • Ute Roos

Nur bösartige Menschen kämen auf den Gedanken, ein graues abessinisches Langhaar-Meerschweinchen mit einem Toupet für ältere Herren zu vergleichen (www.meerschweinchen.de/cavia/pict/LWH-2-Blau_A.jpg). Und es ist auch erstunken und erlogen, dass diese Website von Vileda gesponsert wurde - nur weil ein einziges Meerschweinchen eine entfernte Ähnlichkeit mit einem Wischmopp aufweist (www.meerschweinchen.de/cavia/pict/LWH-10b.-sp.jpg). Lächerlich! In Wahrheit handelt es sich hier um eine höchst informative Site, auf der man viele nützliche Dinge über die kleinen Pelztierchen lernen kann. Zum Beispiel, was Meerschweinchen in verschiedenen Sprachen heißt. Tierliebhaber, die oft und gerne verreisen, wissen es sicherlich zu schätzen, wenn sie in einer polnischen oder japanischen Tierhandlung den Verkäufer souverän nach Futter für ihr swinka morska beziehungsweise tenjiku nezumi fragen können. Arabische Länder sollte man - mangels Übersetzung - meiden.

Beliebt ist das kleine Tier auch im Rheinland, wie die Existenz des Kölner Meerschweinchenstammtisches beweist. Ein klein wenig Misstrauen ist hier jedoch angebracht: Ob der Stammtisch der aufrichtigen Tierliebe entspringt oder ob die rheinischen Frohnaturen das Schwein einfach zum Anlass nehmen, ein paar Kölsch zu kippen, wird Außenstehenden wohl ewig verborgen bleiben.

Unzweifelhaft von wahrer Meerschweinchenliebe geprägt ist hingegen die Site www.winking-cavy.co.uk, die auf ihrer Einstiegsseite Devotionalien für ‘Guinea Pig Fanatics’ anbietet. Für Lesefans empfiehlt sich die Romanreihe um die Meerschweinchendame Olga, die ihr Traumprinzenschwein Boris kennenlernt. Entgegen der Namensähnlichkeit mit russischen Spionen in alten Schwarzweißfilmen handelt es sich hier um einen Liebesroman. Wer kulinarische Genüsse den intellektuellen vorzieht, ist mit den angebotenen Meerschweinchen aus Biskuit besser bedient.

Apropos Essen. Damit der Liebling gesund bleibt, bieten viele Seiten wertvolle Ernährungstipps an. Bei www.fressi-fressi.de/series/index.htm kann Frauchen einen interaktiven Kursus zur Hundeernährung absolvieren. Und wenn Herrchen lieber selbst in der Küche steht, findet er im Web Rezepte für Knoblauch-Mais-Krusties, Zucchini-Quark-Schnitten und weitere Leckereien. Zum Nachtisch - nicht zu oft! - wird speziell für Hunde zubereitetes Eis gereicht, erhältlich in den Geschmacksrichtungen Hühnchen, Hühnchenleber, Rindfleisch (mit einer Spur Honig), Erdbeer, Vanille und Schokolade. Das schönste Essen nützt jedoch nichts, wenn es nicht stilgerecht serviert wird. Der Kauf eines handgearbeiteten ‘Dog Dinner Table’ (http://www.k9design.com/Dog_Dinner_Tables/) aus amerikanischem Walnussbaum ist daher dringend anzuraten.

Gutes Essen allein ist jedoch noch keine umfassende Gesundheitsvorsorge für die liebenswerten Hausgenossen. Keine Bange, hier hilft das Web. Bei rein psychischen Problemen wie Protestpinkeln oder anderen Verhaltensauffälligkeiten genügt oft schon eine auf Heilkräutern basierende Bachblütentherapie. Und fröhliche, weil gesunde Ratten winken auf der Startseite von ‘Corinnas und Walters Seite für Homöopathie und Ratten’.

Freunde des gut gekleideten Haustieres sind bei ‘pet à porter’ bestens aufgehoben. Die Designerkollektion für den Hund mit ‘exklusivem Geschmack’ umfasst Kleidungsstücke für das intime Treffen mit Freunden, Opernbesuche oder eine Partie Rasenkrocket. Wer noch keinen Pudel im rosafarbenen (155 $-)Tüll-Cocktailkleid gesehen hat, sollte einen Besuch des Shops keinesfalls versäumen. Fräcke für den ‘Gentleman Dog’ gibt es selbstverständlich auch, allein das männliche Modell genierte sich wohl, diese auf der Site vorzuführen. Andere Tierarten werden bei pet à porter sträflich vernachlässigt. Eine Badeanzugkollektion für Hamster, Sportmode für Wellensittiche oder Abendkleidung für Hausspinnen sucht man daher vergebens.

Die für manche unverständliche Bevorzugung des Pudels erklärt Herr Ernst K. in seinem Pudel-Song: ‘Süß schmeckt die Käsetorte / Und süß der Apfelstrudel / Doch das süßeste auf Erden / Das ist der Pudel !’ Der Rest des Poems ist im deutschen Online-Pudelmagazin (http://www.german-poodle.de/poodle/p009.htm) nachzulesen.

Weniger humoristisch ist der auf dem 10. Papageiensymposium in Detmold gehaltene Vortrag ‘Hygienemanagement in der Ziervogelhaltung’. Hier erfahren Vogelliebhaber, wie sie am besten den Käfig ihres Lieblings reinigen (mechanisch, mit Bürste, Spachtel oder Besen, immer von oben nach unten) und desinfizieren (Reduzieren der Mikroorganismen von 10 Millionen auf 10 Keime - nachzählen nicht vergessen!). Einen anderen wissenschaftlichen Ansatz verfolgt die Seite www.bonsaikitten.com. Hier werden Verfahrensweisen beschrieben, wie kleine Katzen durch frühzeitiges Einpassen in enge Glasgefäße auf ewig klein und niedlich bleiben. Für Anfänger eignet sich etwa die Pyramide aus Rauchglas, Fortgeschrittene hingegen können ihre praktischen Fähigkeiten am Einpassen der Katze in eine Hundeform erproben.

Nicht alle mögen kleine Tiere, und so haben sich im ‘Eselstall im Internet’ Freunde des Langohrs zum Plausch zusammengefunden. ‘Unser Eselwallach hat akuten Haarausfall’, schreibt Hubert S., ‘die Eselstute Leonie ist jedoch nicht betroffen’. Nun, vielleicht wäre hier ein Vergleich mit dem Menschen ... aber lassen wir das.

Ob groß oder klein, früher oder später müssen einen die Lieblinge verlassen. Wer rechtzeitig eine Haustier-Sterbeversicherung bei www.nord-west-service.de/haustierbestattung.html abgeschlossen hat, kann sich nun auch deren TÜV-geprüften Faltsarg ‘PEACE-BOX’ (mit Bastelanleitung) leisten. Eigentlich ist die Box ja für Menschen, aber: ‘Die Kindersarg-Serie bieten wir als Haustiersärge in den Größen 65 cm, 85 cm und 125 cm an’. Wer keinen Bastelsarg will, kann im Online-Shop von www.anubis-wegbegleitung.de auch eine Kugelurne oder einen Sarg ‘Modell Pyramide’ erstehen.

Das Web machts möglich, und so gibt es zahlreiche virtuelle Tierfriedhöfe, wo mensch dem geliebten Tier noch einmal alle Ehre erweisen kann. Bei www.virtuellerfriedhof.net sind die ‘Gräber’ alphabetisch geordnet, weshalb man das Grab des kleinen Tapirs Krüsel erst nach sehr, sehr langem Verweilen findet. Haustiere mit Anfangsbuchstaben x gibt es übrigens nicht - oder sie leben alle noch. Dank ausführlicher Epitaphe erfährt man auf dem Virtual Pet Cemetry viel über die Dahingeschiedenen. Zum Beispiel, dass Kater Spanky immer Telefonkabel durchgebissen hat (‘Ode an Spanky’) oder Hund Pepper sehr gerne in die Kirche ging (wahrscheinlich war er als Baptist geboren, mutmaßt Frauchen). Bei genauer Betrachtung unterscheiden sich Menschen und Tiere gar nicht so sehr voneinander. Schon Goethe ließ seinen Faust über den Menschen sagen: ‘Er nennts Vernunft und brauchts allein, nur tierischer als jedes Tier zu sein’. Oder wie hat Goethe das gemeint? (ur)