Vier Köpfe, fünf Meinungen

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Christian Kirsch

Wer bei „Elster“ an einen diebischen Vogel denkt, muss umlernen. Unter dem harmlosen Namen betreiben die deutschen Finanzämter ein Projekt, mit dem sich ab dem 1. Januar viele Klein- und Kleinstunternehmer befassen müssen. Denn wer umsatzsteuerpflichtig ist und regelmäßig Voranmeldungen abzugeben hat, darf dies demnächst nicht mehr mit papiernen Formularen erledigen.

Vater Staat meint es wie immer gut - man weiß nur nicht genau, mit wem. Das Steueränderungsgesetz von 2003 schreibt vor, Lohn- und Umsatzsteuervoranmeldungen sowie die Lohnsteuerbescheinigung seien ab 2005 elektronisch zu erstellen und zu übermitteln. Mit den Worten einer entgeisterten Berliner Finanzbeamtin, die selbst Ende November noch nichts von diesen Regelungen gehört hatte: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass man Sie zwingt, einen Computer und einen Internetanschluss zu besitzen.“

Da hatte der Gesetzgeber mehr Vorstellungskraft. Ob Eckkneipe oder Malermeister, Freiberufler oder Kleinverleger: Ab nächstem Jahr brauchen sie Rechner samt Netzzugang. Zwar sagt das Gesetz nichts dazu, aber de facto darf es nicht irgendein Computer sein - bislang gibts die kostenlose Elster-Formular-Software nur für Windows. Wohlgemerkt: Das Gesetz stammt aus dem Jahre 2003, und innerhalb von zwei Jahren vermochten es die Elster-Programmierer nicht, Mac- und Linux-Versionen ihres Programms zu erstellen. Für die Aktualisierung der Webseiten ist offensichtlich ebenso wenig Zeit: Zur Gesetzeslage gibt es dort im Dezember 2004 noch keine Hinweise, und zur selben Zeit kann man im Entwicklerbereich lesen: „Ab Mitte 2004 wird COALA auch die Anmeldungssteuern unterstützen.“

Plattformneutrale Formulare sollen kommen (in Form von Java-Anwendungen), aber niemand weiß, wann. Auf Fragen, wie Benutzer anderer Betriebssysteme ihre Voranmeldungen abgeben sollen, reagiert die Elster-Hotline genervt: „Das kann ich nicht mehr hören. Kaufen Sie sich eben ein Programm.“ Nach einem Blick auf den HTML- und Javascript-Code der Elster-Seiten oder dem Versuch, sich dort als Entwickler anzumelden, erscheint Software aus anderer Quelle sicherlich als kleineres Übel.

Wer seine Buchhaltung ohnehin per Rechner erledigt, sollte tatsächlich kaum Schwierigkeiten haben, denn die meisten Programme enthalten inzwischen eine Elster-Schnittstelle. Sie überträgt die relevanten Daten als verschlüsselte XML-Datei an die so genannten Clearing-Stellen, die sie an das zuständige Finanzamt weiterreichen.

Solche Details erfahren Sie nicht etwa bei www.elster.de, Ihrem zuständigen Finanzamt, der Oberfinanzdirektion oder gar dem Bundesfinanzministerium. Fragt man dort nach, bekommt man zum Beispiel zum Thema Authentifizierung mehr Antworten, als einem lieb sein kann: Wie ist gewährleistet, dass Malermeister Müller nicht die Voranmeldung für seinen Konkurrenten Schulze abgibt? Die OFD Berlin meinte dazu, es käme wie beim Online-Banking ein PIN/TAN-Verfahren zum Einsatz. Bei der Elster-Hotline hieß es, das eingesetzte Verfahren sei geheim. Im zweiten Anlauf erklärten daraufhin die Berliner, man brauche keine besondere Authentifizierung, die Angabe von Steuernummer und Unternehmen reiche. Das Bundesfinanzministerium kann sich unter dem Begriff „Authentifizierung“ nichts vorstellen und verweist an die Elster-Hotline. Von der OFD Erfurt schließlich hieß es, zur eindeutigen Identifizierung gebe es eine Nummer.

Was bleibt, sind Fragen. Und die Möglichkeit, eine Ausnahmegenehmigung zu beantragen. Was angesichts der chaotischen Informations- und Sicherheitslage die vernünftigste Lösung sein dürfte. (ck)