Wer filtert, der bleibt

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Von
  • Bert Ungerer

Informationsfilterung ist eine Grundlage für die Existenz komplexer Lebensformen. Ein intaktes Gehirn zum Beispiel zügelt und sortiert die schier unendlichen Datenausgaben der Sinne, speichert Wichtiges, vergisst Unwichtiges und unterscheidet ganz nebenbei zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen Wünschen und Wirklichkeit. Schon bei leichten Störungen des Filtergleichgewichts drohen Wahnsinn und Lähmung.

Ähnliche Symptome suchen derzeit zahlreiche IT-Anwender heim. Der Grund ist keine Droge, und auch unter neurologischen Gesichtspunkten sind die meisten Betroffenen vermutlich noch einigermaßen intakt. Die Krankheitsursache dringt vielmehr in Form von unerwünschten E-Mails in ihr Gehirn. E-Mails, die massenhaft zunächst den Arbeitsplatzrechner als Zwischenwirt befallen, um dort darauf zu lauern, dass der Anwender sie in sein Bewusstsein lässt. Er kann nicht anders, denn irgendwo in all dem Mitteilungsmüll befinden sich Informationen, auf die er angewiesen ist.

Das bewusste Denken ist aber nicht dafür ausgelegt, laufend Informationsschrott zu beseitigen, hat die Evolution uns doch mit so prächtigen Filtern ausgestattet, die das eigentlich vorab erledigen sollen. Stress und ein vorzeitiges Nachlassen der Konzentration sind die Folge.

Ähnlich den Kollegen an der biologischen Front, die fieberhaft einen SARS-Impfstoff zu entwickeln versuchen (mit anderen Worten ein neues Virenfilter-Plug-in fürs Immunsystem), sind die ITler fleißig dabei, die Spam-Geplagten zu entlasten. Sie tragen eine hohe Verantwortung: Jeder Filter birgt das Risiko, dass wichtige Informationen versehentlich nicht zum Adressaten gelangen. Negativ formuliert: Filter lassen sich gezielt für Desinformation einsetzen.

Man darf dennoch zuversichtlich sein, dass sich die Filter-Entwickler letztlich durchsetzen werden, denn Erfahrungen mit der Informationsfilterung gibt es schon reichlich in der Branche. Sie macht immer mal wieder unter neuen Namen Schlagzeilen, als Rasterfahndung und als Data Warehousing, als biometrische Zugangskontrolle und als Wettervorhersage. Auch Internet-Suchmaschinen sind mittlerweile eher Filtermaschinen, denn es geht angesichts der Informationsmassen mehr darum, Relevantes von Unsinnigem zu trennen als überhaupt etwas zu finden.

So angenehm Kommunikation und Informationsrecherche eines Tages dank wirksamer Filter auch immer ablaufen mögen: Eine gewisse Unsicherheit, dass Anwender nicht ganz das Gewünschte bekommen (sollen), wird sie auf immer begleiten. Willkommen im Filterzeitalter. (un)