Wider das Nassauertums

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Von
  • Jürgen Seeger

Viel Aufregung in der Internet-Gemeinde: die ohnehin nicht sehr beliebte GEZ will Rundfunkgebühren für alle PCs mit Internet-Zugang erheben. In die Diskussion brachte diesen Standpunkt der Gebühreneinzugszentrale ein Spiegel-Artikel in der zweiten Juni-Woche dieses Jahres. Auf dem Web-Server der GEZ ist schon länger nachzulesen, daß die Kölner Einrichtung unter Rundfunkgeräten auch "Personalcomputer mit Rundfunkempfangsteil" versteht.

Das dahinterstehende Problem ist nicht neu, iX thematisierte es bereits im Mai 1996 im Rahmen eines Artikels über ein GMD-Projekt.

Diese Rechtsauffassung hat die federführende Landesrundfunkanstalt, der SDR, am 26. Juni nicht nur bestätigt, sondern sogar erweitert: ‘Ein PC, welcher einen Internet-Anschluß besitzt, kann also auch die von verschiedenen Sendern gleichzeitig ausgestrahlten Programme (vornehmlich Hörfunkprogramme) empfangen: Dieser PC ist damit (www.sdr.de/organisation/gesetze/gebuehren_internet.html) ein Rundfunkempfangsgerät.

Für privat genutzte PCs ist die Debatte irrelevant, da sie als Zweitgerät kostenlos sind; vorausgesetzt, man zahlt schon Gebühren. Auf Firmen-PCs am Internet entfiele so ein Jahresbeitrag von 113,40DM. Pro Arbeitsplatz, versteht sich. Da dies von vielen Internet-Benutzern als unbefriedigend empfunden würde, so die SDR-Veröffentlichung, habe man dem Gesetzgeber die Einführung einer Gebührenstaffel für geschäftlich genutzte Computer empfohlen, etwa einen Pauschalbetrag für drei PCs, einen entsprechend höheren für maximal 100 und so fort. Es geht dabei ausdrücklich nur um eine Vereinfachung der Abrechnungsmodalitäten, nicht etwa um Rabatte. Zu entscheiden haben darüber die Länderparlamente, Rundfunk obliegt der Landeshoheit.

Die in Sachen Geldeintreiben nicht eben unausgeschlafene GEMA hat angesichts dieser Diskussion sofort neue Einnahmequellen gewittert. Sie kündigte an, Gebühren für Audio-Clips erheben zu wollen, die per Internet gesendet werden.

All das wird nicht gleich morgen passieren, aber die Richtung ist abgesteckt. Das Internet soll nicht länger ein Mittel sein, unbeschadet von Urheber- und Verwertungsrechten Informationen zu nutzen oder zu verbreiten.

Recht so! Warum sollten sich Sender Einnahmen entgehen lassen, nur weil der Song über Netzwerke und nicht durch Rundfunkwellen übertragen wird? Wer für Information oder Unterhaltung nicht bezahlen will, soll entweder auf sie verzichten oder Werbeeinblendungen im Stil des Privatfernsehens hinnehmen. Ohnehin tragen meist diejenigen die Erwartung vor, im Netz der Netze müsse alles kostenlos sein, die am lautesten den dort verbreiteten Informationsmüll kritisieren.

Einzig in technischer Hinsicht scheinen die Juristen der GEZ schlecht beraten zu sein; der Vorschlag zeichnet sich durch die typische Inkonsequenz heutiger Reförmchen aus. Das Internet soll wieder einmal zum Experimentierfeld werden, bewährte Technologien bleiben außen vor. In Deutschland hat nicht einmal jeder zehnte Haushalt einen Zugang zum Netz, deutsche Firmen sind, was Internet-Anschlüsse ihrer Mitarbeiter angeht, weltweit alles andere als führend.

Aber: in jedem Haushalt, an beinahe jedem Arbeitsplatz steht ein Telefon. Wäre das Hörfunkprogramm nur einer Sendeanstalt über eine 130er Nummer kostenlos abrufbar, käme eindeutig Artikel 4 des Rundfunkgebührenstaatsvertrags zum Zuge, der Hörfunkgeräte definiert als technische Einrichtungen, die zur drahtlosen oder drahtgebundenen, nicht zeitversetzten Hör- oder Sichtbarmachung oder Aufzeichnung von Rundfunkdarbietungen (Hörfunk und Fernsehen) geeignet sind.

Die Gebühr könnte, à la Btx, mit der Telefonrechnung eingezogen werden, keiner kann mehr schummeln, sichere Einnahmen in Milliardenhöhe Jahr für Jahr. Dann klappt's auch wieder mit der Ausgewogenheit. (js)