Wie die Daten aus Krebsregistern in die Telematikinfrastruktur​ gelangen sollen

Zum aktuellen Stand der Krebsregister und warum bisher erst ein Landeskrebsregister an das Gesundheitsnetz – die Telematikinfrastruktur – angebunden ist.

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Medizinische Forschung an einem Computer, ein Kodierer bei der Arbeit

(Bild: Nuttapong punna/Shutterstock.com)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Imke Stock
Inhaltsverzeichnis

Das Bundesgesundheitsministerium will möglichst viele Daten im Forschungsdatenzentrum Gesundheit für die Forschung und das Training Künstlicher Intelligenz sammeln. Neben den Abrechnungsdaten der Krankenkassen und den Daten aus dem Implantateregister, sollen bald auch die der Krebsregister beim FDZ zusammenfließen. Bisher ist aber nur eines der Krebsregister an die Telematikinfrastruktur (TI) angebunden.

Epidemiologische Krebsregister sind darauf ausgerichtet, Muster und Trends von Krebserkrankungen in der Bevölkerung im örtlichen Kontext zu erfassen. Die klinischen Krebsregister erfassen Daten rund um die Versorgung der Patienten – angefangen von der Diagnose, über die Behandlung und den Verlauf bis hin zum Tod sollen relevante Daten der Krebspatienten erfasst und gemeldet werden.

Im föderalistischen Deutschland hat jedes Land sein eigenes Krebsgesetz und teils eigene Krebsregister. Berlin und Brandenburg betreiben jedoch ein gemeinsames Krebsregister für ihre Länder. Deshalb gibt es bei 16 Bundesländern nur 15 klinische Krebsregister.

Neben den Landeskrebsregistern gibt es auch das Deutsche Kinderkrebsregister. Dieses gilt weltweit als das größte Krebsregister seiner Art und erfasst seit 1980 Gesundheitsdaten von erkrankten Kindern.

Darüber hinaus gibt es noch ein bundesweites epidemiologisches Krebsregister beim Robert Koch-Institut (RKI). Das RKI führt die Daten der Landeskrebsregister auf Bundesebene im Zentrum für Krebsregisterdaten (ZfKD) zusammen. Das ZfkD stellt die Daten für ein bundesweites Lagebild zum Krebsgeschehen und auch für die Forschung zur Verfügung.

Ärzte sind verpflichtet, Krebsfälle an ihr Landeskrebsregister zu melden. Meldepflichtig ist dabei derjenige, der den Fall diagnostiziert, behandelt, eine diesbezügliche Nachsorgeuntersuchung macht oder den Tod des Patienten feststellt. Die Landeskrebsregister wiederum sind verpflichtet, ihre Daten an das Bundeskrebsregister zu melden.

Das Bundeskrebsregisterdatengesetz sieht vor, dass bis Ende 2024 ein Konzept für den Aufbau einer Plattform zur Zusammenführung der gesamten Krebsregisterdaten aus den Ländern entwickelt werden soll. Die Plattform soll eine bundesweite, anlassbezogene Datenzusammenführung und Analyse der Krebsregisterdaten ermöglichen. Krebsregisterdaten sollen auch mit anderen Daten – wenn rechtlich möglich – verknüpfbar sein.

Im Rahmen der Krebsfrüherkennung sind die Krebsregister schon jetzt verpflichtet, jährlich Daten an die Vertrauensstelle des Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) zu melden. Der G-BA ist das oberste Gremium der medizinischen Selbstverwaltung und für die inhaltliche und organisatorische Weiterentwicklung der Krebsfrüherkennung in der gesetzlichen Krankenversicherung zuständig.

Die Konferenz der Datenschutzbeauftragten hatte bereits 2014 in einer Entschließung (PDF) bestimmte Anforderungen an den Schutz der Datenübermittlungen zwischen medizinischen Leistungserbringern und klinischen Krebsregistern gefordert. Das Schutzniveau solle dem der Telematikinfrastruktur entsprechen.

"Für die Übermittlung, Authentisierung und Verschlüsselung sollen Verfahren der Telematikinfrastruktur nach § 291b SGB V verwendet werden, sobald diese verfügbar sind" schrieb die DSK, setzte diesen Punkt aber ein "optional" voraus. Eine gesetzliche Pflicht zur Nutzung der TI gibt es für die Krebsregister aktuell nicht.

Auch für die Übermittlung von Daten aus medizinischen Registern an das Forschungsdatenzentrum Gesundheit (FDZ) gibt es bisher keine Regelung, die den Weg über die TI vorschreibt. Das angekündigte Registergesetz für die weitere Digitalisierung des Gesundheitswesens lässt auf sich warten. Bisher liegt noch nicht mal ein Entwurf vor.

Die Krebsregister der Länder teilen sich in zwei Kooperationsverbünde auf, daraus sind zwei Melderportal-Systeme entstanden. Im Gießener Tumordokumentationssystem-Verbund (GTDS) sind die Krebsregister von Brandenburg und Berlin, Bayern, Mecklenburg-Vorpommern, Hessen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen organisiert. Baden-Württemberg, Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Schleswig-Holstein nutzen dafür das Tumordokumentations-Tool "IT-Choice-Verbund". Das Kinderkrebsregister ist auch in diesem IT-Choice-Verbund mit aufgenommen worden.

Die Krebsregister sind auf strukturierte Daten angewiesen. Mit § 65c SGB V wird bundesweit vorgeschrieben, dass die klinische Krebsregistrierung auf der Grundlage des einheitlichen onkologischen Basisdatensatzes (oBDSbds) erfolgen muss.

Auf Plattform § 65c haben sich bundesweit Experten der klinischen Krebsregister der Bundesländer zusammengetan, um eine strukturierte Zusammenarbeit aller klinischen Krebsregister zu fördern. Mit dem oBDS werden die landesspezifischen Datensätze harmonisiert und eine Vergleichbarkeit hergestellt. Der oBDS basiert auf international anerkannten, offenen Standards.

Hersteller von Praxisverwaltungssystemen (PVS), Krankenhausinformationssystemen (KIS), Tumordokumentations- und Pathologieinformationssystemen können eine XML-Schnittstelle mit dem oBDS-Schema in ihre Software integrieren. Darüber werden Meldungspakete im XML-Format erzeugt, die dann in einem zweiten Schritt über das Meldeportal des zuständigen Landeskrebsregisters hochgeladen und übermittelt werden. Alternativ lassen sich Meldungen manuell im Portal erfassen.

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung setzt sich dafür ein, die Krebsregistermeldungen über den E-Mail-Dienst KIM (Kommunikation im Medizinwesen) zu ermöglichen. Die Meldung soll für Praxen möglichst einfach aus ihrem PVS heraus erfolgen. Dafür sei man auf verschiedenen Ebenen im Gespräch, mit dem BMG, der Gematik und PVS-Herstellern.

Tobias Hartz, Geschäftsführer des klinischen Krebsregisters Niedersachsen und Sprecher der Plattform § 65c setzt den Fokus ebenfalls darauf, dass die PVS-Systeme die Daten strukturierter übermitteln müssen. Ob die Datenübertragung dann über KIM oder über ein abgesichertes Meldeportal und eine verschlüsselte Datenübertragung außerhalb der TI passiert, mache da derzeit keinen Unterschied. Hartz betont aber auch: "Wir wollen mittelfristig in die TI rein".

Bisher ist nur das Landeskrebsregister NRW mit seinem Meldeportal in der TI drin. Was zu einem Problem führt: Wer in NRW keinen Zugang zur TI hat, kann keine Krebsfälle an das Landeskrebsregister melden.

Regelmäßig überprüfen Hartz und seine Kollegen, ob die Voraussetzungen für den Anschluss ihrer Krebsregister an die TI stimmen und ob die Vorteile auch den Aufwand für die Umstellung rechtfertigen. Es gibt aktuell keine weiteren Dienste oder Anwendungen in der TI, die das Krebsregister nutzen könnte.

Solange bundesweit ein Teil der Melder in Form von Arztpraxen und medizinischen Untersuchungsstellen (Pathologie) nicht an die TI angeschlossen sind, würde ein Wechsel in die TI diese Melder ausschließen. Das Mehr an Sicherheit in der TI würde damit zu einem Weniger an Daten führen. Spätestens Ende 2024 soll erneut geprüft werden, ob ein Anschluss an die TI sinnvoll ist.

(mack)