Zurück auf Los

Wer eine größere Anwendung wie PHProjekt nach langer Zeit auf den Stand des derzeitigen PHP bringen will, hat sich viel vorgenommen. Unter anderem deshalb haben die Entwickler sich auf wenige Funktionen konzentriert – manches Vertraute fehlt.

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Inhaltsverzeichnis

Während klassische Groupware-Lösungen (siehe [1] und [2]) sich häufig an Microsofts Exchange orientieren und deshalb stark auf Mail, Adressbücher und Kalenderfunktionen ausgerichtet sind, geht PHProjekt (s. iX-Links) einen anderen Weg. Die freie Software war schon immer ein Projektmanagement-Tool mit Groupware-Funktionen. In der Mitte März veröffentlichten Version 6 haben die Entwickler alte Zöpfe abgeschnitten und die Grundfunktionen neu konzipiert und implementiert.

Beim Versionssprung von PHProjekt 5 auf 6 von einem „Update“ zu sprechen, ist nicht angebracht. PHProjekt 6 hat das Entwicklerteam um Albrecht Günther vollständig neu geschrieben; es nutzt nun PHP 5.2 und das Zend Framework als Grundlage. Damit hoffen die Münchner, leichter wartbaren und portableren Code zu erhalten; Anwender können mit einer Active-Record-API an die PHProjekt-Basis andocken. Auch die Benutzeroberfläche wurde im Sinne des Web 2.0 neu gestaltet: Growl-ähnliche Status-Popups und runde Sanduhren inklusive. Zwar ist die Nutzeroberfläche noch weit von der Benutzbarkeit anderer Web-2.0-Applikationen entfernt, das PHProjekt-Team will diesen Missstand jedoch in den Folgeversionen angehen.

Sparsam im Vergleich zur Vorgängerin liest sich die Featureliste der aktuellen Version. So sind für eine Groupware grundlegende Funktionen wie Webmail, Chat, Forum und RSS-Reader der Schere zum Opfer gefallen und lediglich die Kernfunktionen erhalten geblieben. Diese Radikalkur war – so die Entwickler – notwendig, um den zu weiten Teilen noch auf PHP 3 fußenden Quellcode in den Griff zu bekommen. Viele der Features vergangener Versionen seien nie aktiv eingesetzt worden; das PHProjekt-Team setzt nun auf den aktiven Dialog mit der Community (s. iX-Links), um häufig nachgefragte Funktionen zu identifizieren und nachzuliefern. Der Schwerpunkt schon implementierter Funktionen liegt momentan stärker auf dem Projektmanagement.

Die wichtigsten Funktionen, die einem kleinen Entwicklerteam bei der täglichen Arbeit helfen, sind in PHProjekt folglich im Auslieferungszustand verfügbar. Neben der Projektverwaltung bietet die webbasierte Oberfläche einen Kalender, ein Adressbuch sowie eine Arbeitszeitverwaltung.

PHProjekt 6 baut wie seine Vorgänger auf PHP und MySQL; die zur Installation benötigten Versionen und Module sind in vielen aktuellen Linux-Distributionen verfügbar und müssen somit nicht von Hand übersetzt werden. Der knapp 8 MByte große Tarball (s iX-Links) enthält außer der Anwendung und einigen Beispieldaten die notwendigen Teile des Zend Framework. Nach dem Entpacken in einem nicht per Web erreichbaren Verzeichnis muss der Administrator lediglich das Unterverzeichnis htdocs für den Browser zugänglich machen – dort erscheint beim ersten Aufruf die Installationsroutine. Nach Eingabe der notwendigen Datenbank-Zugangsdaten und eines Administratorpassworts ist die Installation beendet und das Projektmanagement-Werkzeug einsatzbereit.

In der mehrteiligen Ansicht navigiert man innerhalb eines Projekts über die Tabs rechts oben.

Beim ersten Login (siehe Abbildung) bietet sich dem PHProjekt-erfahrenen Administrator ein neues Bild: Die zweispaltige Optik des Vorgängers ist einer mehrteiligen Ansicht gewichen, die sich eher am Layout von Mailprogrammen orientiert. In einer linken Spalte sind der Projektbaum und die den Projekten zugeordneten Stichworte zu finden, während die Navigation innerhalb eines Projekts über Tabs im Hauptfenster erfolgt. Die nicht projektspezifischen Module befinden sich in einer Navigationsleiste am oberen Bildschirmrand. Diese Vielzahl an Bedienelementen stiftet bisweilen Verwirrung – dass im Hauptfenster zeitweilig mehrere Registerreiter-Ebenen für weitere Funktionen eingeblendet sind, trägt nicht zur Aufklärung bei. Web-2.0-Bedienelemente wie Schieberegler oder Drag & Drop sorgen dafür an anderer Stelle für mehr Komfort.

Hat der Benutzer sich an das Bedienkonzept gewöhnt, geht die Erstellung neuer Projekte leicht von der Hand. So kann der Projektmanager außer Name, Beschreibung, Zeitraum und Stichwörtern eine Priorität sowie ein Budget zuordnen und einen Ansprechpartner (etwa den Auftraggeber) für ein Projekt bestimmen. Über eine mehrstufige Access-Control-List (ACL) kann man weitere Nutzer als Mitarbeiter zuordnen – bis hin zu einem nicht schreibberechtigten Zugang für den Auftraggeber oder das firmeninterne Controlling. Ein gegenüber dem Vorgänger neu konzipiertes Berechtigungs-System hilft, komplexe Projektstrukturen abzubilden.

Um das Wiederfinden von Projekten, Notizen oder Aufgaben zu erleichtern, haben die Entwickler jedem Element ein Tag-Feld spendiert, dessen Inhalt die Tag-Wolke am unteren linken Fensterrand sowie die gut bedienbare Live-Suche befüllt.

PHProjekt erlaubt dem Anwender, die benutzten Module einzeln an- und abzuwählen und so etwa die Helpdesk-Funktion nur freizuschalten, wenn sie tatsächlich benötigt wird. Es stehen jeweils ein Modul zur Dateiverwaltung, für Gantt-Zeitpläne, Statistiken über im Projekt aufgewendete Arbeitszeit, Notizen, Meetingprotokolle und unerledigte Aufgaben zur Verfügung. Eine Verwaltungsmöglichkeit für Bugs oder Feature-Wünsche, wie sie Mantis oder Trac bieten, oder ein Zugang zu Versionierungssystemen sind ebenso wenig vorhanden wie eine Budget- oder Meilensteinplanung. Letztere kann der Planer in PHProjekt jedoch über Subprojekte abbilden, die sich in beliebiger Schachteltiefe in ein Projekt einfügen lassen und die Eigenschaften des Elternprojekts nicht erben. Das ist zwar sinnvoll, wenn es um Start- und Endzeitpunkt eines Unterprojekts geht, irritiert den Nutzer aber, wenn weder Berechtigungen noch Projektmodule vererbt werden.

Hat der Verantwortliche einem Projekt Mitarbeiter zugeordnet, können die ihre Arbeitszeit über die Stempelkarte dem Projekt zuordnen. Die in Version 5 noch enthaltene Option, mit einem Klick einzustempeln und lediglich bei Pausen und Arbeitszeitende auszustempeln, ist jedoch verloren gegangen – Arbeitszeiten müssen manuell auf einer Tagesansicht mit Anfangs- und Endzeitpunkt eingetragen werden. Beim klischeehaft dokumentationsunwilligen IT-Profi dürfte das auf wenig Gegenliebe stoßen, während sich die Buchhaltung daran stoßen könnte, dass die Budgetplanung gegenüber dem Vorgänger Federn lassen musste: keine Kostenstellenverwaltung, keine Verknüpfung zwischen Arbeitszeiten und Budgetplan.

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iX-Wertung

+ hohe Modularität und Erweiterbarkeit

+ Neuimplementierung auf dem aktuellen Stand der Technik

- Benutzeroberfläche bisweilen verwirrend

- fehlende Groupware-Funktionen

Insgesamt wirkt die vorliegende Version von PHProjekt 6 spartanisch und lässt nur erahnen, wohin die Reise gehen soll. Es fehlen nicht nur zentrale Features einer Projektverwaltungs- oder Groupware-Lösung, selbst die vorhandenen Module sind bisweilen nicht sinnvoll miteinander verknüpft. Warum zwar Deadlines in der Projektverwaltung eingetragen werden können, diese aber nicht in den persönlichen Kalenderansichten der beteiligten Mitarbeiter zu sehen sind, bleibt unklar.

Erfahrene Anwender können jedoch viele der ihnen fehlenden Funktionen selber nachrüsten. PHProjekt 6 enthält einen simplen, aber mächtigen Formular-Editor, mit dem der Administrator Module schnell und ohne PHP-Kenntnisse hinzufügen kann – etwa mit wenigen Klicks die dringend benötigte Urlaubsplanung oder Personalevaluation; um Datenmodell und Speicherung kümmert sich PHProjekt selbsttätig. Mit dem Modul-Editor ist im Nu ein eigenes Modul zusammengeklickt und steht den Nutzern im selben „Look & Feel“ wie die mitgelieferten Module zur Verfügung. Anpassungen an der Benutzeroberfläche gehen ebenfalls leicht von der Hand, weil die Software MVC-konform aufgebaut ist und alle Views mit Smarty-Templates realisiert sind. Screencasts auf der Projekt-Homepage helfen dem Entwickler beim Einstieg in die Materie und zeigen einiges vom Potenzial, das in der freien Projektverwaltungs-Software schlummert.

Die Entwickler von PHProjekt haben mit der neuen Inkarnation den schwer wartbaren Quellcode der Vorgängerversion durch eine modulare frameworkbasierte Architektur ersetzt und ins Web 2.0 gehievt. Leider ging diese Rosskur zu Lasten der Leistungsfähigkeit; Neulinge und Umsteiger sollten weiter die Vorgängerversion verwenden. Erfahrene Anwender, die eigene Module entwickeln möchten, sollten schon jetzt einen Blick riskieren.

ist Geschäftsführer der Filoo GmbH und promoviert in der Fachgruppe für Distributed Computing Security der Universität Hannover.

[1] Christian Böttger; KMU-Groupware I; Groupware en miniature; Zusammenarbeit für kleinere Unternehmen; iX 4/2010, S. 74

[2] Christian Böttger; KMU-Groupware II; Im kleinen Kreis; Zusammenarbeit für Unternehmen; iX 5/2010, S. 58

iX-Link: www.ix.de/ix1006086 (hb)