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Von
  • Christian Kirsch

Nichts gegen Vorurteile wie die EU sei ein überbürokratischer, dem Regelungswahn verfallener Moloch. Ab und an gibt es jedoch die Gelegenheit, solche lieb gewordenen Ansichten zu prüfen. Das Vorhaben der EU-Kommission, elektronische den herkömmlichen Rechnungen gleichzustellen, ist so eine Gelegenheit.

Damit beendet die Kommission ein Experiment, das selbst bei Fans der digitalen Signatur zumindest im privaten Gespräch nur Kopfschütteln ausgelöst hatte: Wer seine Rechnungen digital sendete, musste sie auch digital unterschreiben. Bei herkömmlichen Rechnungen hingegen verzichtet dieselbe Direktive 2006/112/EC in Artikel 229 sogar ausdrücklich auf eine Unterschrift.

Deutschland war, wie so oft, besonders gründlich bei der Umsetzung der EU-Vorschriften: Statt der verlangten fortgeschrittenen fordert das hiesige Finanzamt die qualifizierte Signatur. Und schon ein Fax kann bei uns eine elektronische Rechnung sein, wenn es nämlich ein Computer versendet oder empfangen hat. Zur Begründung hieß es immer wieder, der Umsatzsteuerbetrug müsse eingedämmt werden. Was allerdings hätte wohl Kriminelle davon abhalten sollen, weiterhin Papierrechnungen dafür zu benutzen?

Rechnungsversender mussten sich zum Signieren entweder Smartcards mit qualifiziertem Zertifikat samt passender Software kaufen oder einen Dienstleister beauftragen. Empfänger bekamen die Verpflichtung aufgehalst, die Signaturen zu prüfen und das Prüfprotokoll zusammen mit dem Dokument digital zu archivieren. All dies übrigens nur, um dem Umsatzsteuergesetz Genüge zu tun – Ausgaben lassen sich mit jeder Art von Rechnung geltend machen.

Geht es nach der EU-Kommission, können Unternehmen in Zukunft wieder zum Alltag zurückkehren: Wer eine Rechnung bekommt, prüft sie ohnehin auf Plausibilität, bevor er sie bezahlt. Eine Signatur, gleich welcher Art, braucht man dafür nicht. Von dieser Vereinfachung erhofft sich die Kommission, dass die elektronische Rechnungstellung sich in Europa endlich durchsetzt – die bisherigen Vorschriften seien "zu kompliziert und uneinheitlich" gewesen.

Allerdings dürfte diese Änderung, wenn ihr denn der Ministerrat und das EU-Parlament zustimmen, das zarte Pflänzchen "Signaturwirtschaft" arg zausen. Denn bislang war die elektronische Rechnung die einzige Anwendung der qualifizierten Signatur mit nennenswerten Umsätzen. Bürger ließen sich nach wie vor nicht überzeugen, die aufwendige Technik für Behördenkontakte zu nutzen. Freiwillig verwenden auch Unternehmen die qualifizierte Signatur kaum: Nur gesetzlicher Zwang, etwa in der Entsorgung, bei der Vergabe oder beim Stromhandel, kann sie durchsetzen. E-Mail-Verkehr findet unter weitgehendem Verzicht auf jede Signatur statt.

Das alles hält den Staat nicht davon ab, immer neue Smartcards für die qualifizierte Signatur vorzubereiten: Gesundheitskarte, Jobcard und jetzt der Personalausweis. Vielleicht findet sich doch noch ein Problem, das man mit dieser Technik lösen kann.

(ole)