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Was war. Was wird.

Ja, es hat schon was Beschwerliches, das mit dem Glücklichsein, stimmt Hal Faber zu. Vollkörperkontakt mit Politikern allerdings gehört definitiv nicht dazu. Da sei ... ach, wer noch gleich ... vor? Der Towel Day tröstete auch nicht wirklich.

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Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Ach ja, es ist ein eigen Ding mit dem Glücklichsein. In aller Regel hilft dabei gute Musik. Oder eine gute Geschichte: "Bodenkontrolle an Major Tom: schmeiß deine Pillen ein und setz den Helm auf. " Die Bedeutung des kleinen Youtube-Videos, das den Astronauten Chris Hadfield zum Internet-Star gemacht hat, kann gar nicht groß genug eingeschätzt werden, allen rechtlichen Bedenken zum Trotz. Die illustrieren höchsten, wie das jüngste DRM-Debakel, die Reformbedürftigkeit eines völlig veralteten Rechtssystems. Man denke nur an die wunderbare, weltumspannende TV-Show Our World, die allen Menschen der Welt gewidmet ist, aber im GEMA-Wahnsinn gesperrt ist. Auf ihre Weise hatte die kleine blaue Erde Glück, dass Fountain in the Park so alt ist, dass sich kein Rechte-Zar befleißigt fühlte, den ersten Raum-Song der Welt auf der Mission von Apollo 17 zu sperren.

*** "Dies ist Major Tom an Bodencontrolle" heißt es zum Austritt aus der Blechbüchse und David Bowie twitterte "Hello Spaceboy" zurück, ein Lied, dass ihn dereinst an die Doors erinnerte. Das passt traurigerweise zum Tod von Ray Manzarek in Rosenheim, das ist das Ende. Irgendwann wird der blaue Bus jeden von uns mitnehmen von der blauen Erde, nur nicht Major Tom, der draußen blieb. Die Menschen nehmen kein LSD mehr. Was schrieb William Burroughs dazu in Electronic Revolution: "Betrachten wir den menschlichen Körper und das menschliche Nervensystem als Entschlüsselungsgerät. /../ Drogen wie LSD oder Dim-N können dieses Gerät aktivieren, sodass der Betreffende Codesignale entschlüsselt. Es könnte sein, dass die Massenmedien in Millionen Menschen den Mechanismus in Gang setzen, der der verschlüsselte versionen ein und derselben Nachricht empfängt und entschlüsselt. Dabei ist folgendes zu bedenken: Wenn das menschliche Nervensystem eine verschlüsselte Nachricht empfängt und entschlüsselt, wird dem Betroffenen diese Nachricht wie sein eigener Gedanke erscheinen, der ihm gerade in den Kopf gekommen ist - und das ist er auch in der Tat." Break on through, to the other side.

*** Doch halt, wir steigen wieder auf und wenn es nur ein Kommunikationsrelais für die Drohnensteuerung mit 311 MBit/s ist. Während Deutschland schwer mit dem EuroHawk beschäftigt ist, basteln die ach so nichtsahnenden Amerikaner an der nächsten Variante herum. Der Triton der US-Navy absolvierte seinen ersten Testflug und dürfte bald über den Wassern unseres blauen Planeten seine Überwachungsflüge absolvieren – außerhalb der 12-Meilen-Zone der Staaten, wo Luftfahrtzulassungen und anderes Gedöns keine Rolle spielen. Insbesondere nicht das Gedöns, was derzeit auf Bundespressekonferenzen gesprochen wird, wo die Regierung hofft, dass der Auftraggeber deutsche Zeitungen liest und so Informationen bei ihm ankommen. Das Ganze nennt sich dann Stille Post aus dem seit 2009 herumlavierenden Verteidigungsministerium.

*** Im Wirtschaftsministerium geht das anderes, da wird der Vollkörperkontakt gepflegt, noch ohne die charmante Bruderküsserei, die einst im Ostblock das Zeichen besonderer Wertschätzung war. Wie war das noch mit dem Regieren, zu dem man Bild, BAMS und Glotze braucht? Ach, das war das Duo Schröder und Putin. Auf alle Fälle hat man ein schönes Motiv für ein Wahlkampfplakat – und eine herzzerreissende Geschichte vom armen gelben Freiwild gibt es als Zugabe. Bleibt nur die Frage, was Minister Rösler mit Facebooks Sheryl Sandberg gemacht hat beim Fototermin unter Verschluss. Das offizielle Bild vom Spielregelnmahner mit dem Hacker-Hinweis hinter seiner Schulter ist harmlos genug. Auf das Statement des freien Wirtschaftsministers zur erfreulich gestarteten Petition zur Netzneutralität darf man gespannt sein. Ist es nicht herzallerliebst anzusehen, das freie Spiel der Marktkräfte? Warum soll denn da der Verbraucherschutz dringend gesetzlich verankert werden?

*** Am FDP-verniebelten   Towel Day arbeiten und im Sinne von Douglas Adams etwas Nettes über die Bewohner seiner Heimatinsel zu schreiben, ohne dabei auf diesen überschätzten Fußball zu kommen, ist knifflig. Machen wir einen Umweg über den großartigen Schritt, mit dem das britische Nationalarchiv in dieser Woche 463 wichtige Dokumente aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs und des sich anbahnenden Kalten Kriegs veröffentlicht hat. Trinkgelage mit Stalin gehören zu den Dingen, die gerne in Großbritannien gelesen werden.

*** Aus deutscher Sicht ist das Glanzstück dieser Sammlung die Veröffentlichung der Verhör-Unterlagen der Nazi-Offiziere, die wiederum den Hitler-Attentäter Georg Elser verhörten, sowie eine Zusammenfassung der Ereignisse vom 20. Juli 1944. Die Erzählung, wie Elser seine Tat plante, Hitler aber früh den Bierkeller verließ, gehört zu den großen Geschichten, wie Einzelne sich widersetzen und einen Krieg zu verhindern versuchen. Was nicht jedem gefiel: Georg Elser wurde jahrelang für einen britischen Geheimdienstagenten gehalten, der erst beim Untergang des 3. Reiches in Dachau ermordet wurde.

*** Leider derzeit nicht online verfügbar ist ein langes Interview, dass die tageszeitung mit dem Whistleblower Daniel Ellsberg über den Whistleblower Bradley Manning geführt hat, dessen Hauptverfahren vor einem Militärgericht in Kürze beginnt. Das Interview ist ziemlich düster: Ellsberg sieht keine Chance, dass Manning eine kürzere Haftstrafe als lebenslänglich erhält und bezeichnet die Regierung Obama als vierte Amtszeit von George Bush. Schließlich bringt er einen Hitler-Vergleich, der die Interviewerin entsetzt fragen lässt, ob das wirklich sein muss. Am Schluss gibt es einen Appell Ellsbergs an Deutschland im Stil von Dann gibt es nur eins!. Deutschland muss lernen, nein zu sagen: "Was wäre die deutsche Reaktion auf einen amerikanischen Angriff auf den Iran? Würde Deutschland – wie im Irak – erlauben, dass sein Luftraum genutzt wird? Was würde Deutschland tun, wenn wir Atomwaffen gegen den Irak einsetzen? Bleibt Deutschland in der NATO? In einer angeblich defensiven Allianz, in einer Zeit, wo der Warschauer Pakt und die Sowjetunion nicht mehr existieren und wo das stärkste Mitglied der Allianz in einem aggressiven Krieg ist?"

Was wird.

Gesche Joost, die Zugstute der SPD entwickelt derzeit "fünf Geschichten und konkrete Bilder", dank derer die 150 Jahre alte Partei die vernetzte Gesellschaft der nächsten 150 Jahre sozialdemokratisiert. Auch ihre Forschungsergebnisse geben zu denken: "Jüngere Frauen spüren einen starken Druck, ständig auf Facebook präsent zu sein. Ältere glauben, wegen der Kinder ihr Handy nie ausschalten zu können." Und wenn sie dann telefonieren und das nicht wollen, wird eine Störgeräusche-App vor dem Abwimmeln aktiviert. Werden Frauen sich mehr für Politik interessieren, wenn zu dieser App ein Facebook-Abwimmler hinzukommt? Es bleibt spannend. Gesche Joost hat beim Quorum für die Netzneutralität mitgezeichnet. Warum diese gute Tat mit einem Bild von Lasalle illustriert ist, erschließt sich vielleicht auf den 150. Blick oder mit dieser Schwarmintelligenz, von der alle reden. (jk)