Zur Besetzung des Datenschutzbeauftragten: "Peinlich für das Parlament​"

Auch die Ampel hat kein echtes Interesse an Datenschutz. Das zeigt sich auch am Vorgehen zur Neubesetzung des Bundesdatenschutzbeauftragten, meint Falk Steiner.

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Ulrich Kelber am Schreibtisch

(Bild: Jens Gyarmaty)

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Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Falk Steiner
Inhaltsverzeichnis

Das Vorgehen des Bundestages bei der Wiederwahl oder Neubesetzung des Bundesbeauftragten für Datenschutz und Informationssicherheit (BfDI) schädigt nicht nur dessen Amt, sondern auch das Ansehen des Parlamentes. Denn seit der Wahl Ulrich Kelbers steht fest, wann seine erste Amtsperiode endet. Und genauso lange steht fest, dass bis dahin eigentlich eine Entscheidung getroffen sein sollte, ob er eine zweite Amtszeit ausüben darf oder ein neuer Kandidat antritt.

Doch das hat, trotz monatelangen Vorlaufs, nicht funktioniert: Das Parlament hat es schlicht vergeigt. Dabei gab es ausreichend Warnungen aus dem politischen Betrieb.

Ein Kommentar von Falk Steiner

Falk Steiner ist Journalist in Berlin. Er ist als Autor für heise online, Tageszeitungen, Fachnewsletter sowie Magazine tätig und berichtet unter anderem über die Digitalpolitik im Bund und der EU.

Eigentlich dürfte es jedoch überhaupt kein Problem geben: Kelber saß 19 Jahre lang für die SPD im Bundestag. 19 Jahre, in denen man sich nicht nur Freunde macht, aber Kelber war eine kompetente Wahl und es wurden in der Vergangenheit schon viel weniger themenaffine Bundesdatenschutzbeauftragte vom Bundestag ernannt.

Dass die SPD-Bundestagsfraktion Kelber fallen ließ, ist möglicherweise eine persönlich gemeinte Retourkutsche dafür, dass er seine Amtsführung als unabhängiger Beauftragter ernst nahm und auch SPD-geführte Ministerien und Ämter nicht schonte. Da kam es wohl gelegen, dass die Zahl der Beauftragten, die von der SPD gestellt werden, überproportional hoch war und das ganze machtpolitisch aufgeladen wurde, wie Grünen und FDP auffiel.

Die SPD zieht sich im Parlament nun darauf zurück, dass der Datenschutz ein Herzensanliegen von FDP und Grünen sei. Sich auf diese Art aus der Affäre zu ziehen, ist reiner Machttaktik geschuldet. Die Sozialdemokraten haben die beiden kleineren Koalitionspartner vor eine unlösbare Aufgabe gestellt: Entweder sie schlagen jetzt einen SPD-Mann für eine zweite Amtszeit vor, können der SPD dann aber nicht mehr vorwerfen, zu viele Beauftragte zu stellen – oder sie suchen eine eigene Besetzung und werden dafür kritisiert, dass Kelber nicht weitermachen darf.

Die Zahl der überhaupt ernsthaft geeigneten Kandidaten für diese Rolle ist ausgesprochen klein – und mit den jetzigen Ereignissen dürfte sie noch kleiner werden. Es ist unklar, ob sich eine qualifizierte Nachfolgerin oder ein Nachfolger findet, der bereit ist, unter diesen Umständen das Amt anzutreten und auszufüllen. Nach den Vorgängen um Kelbers Wiederwahl muss jeder Nachfolger damit rechnen, beim nächsten Mal ebenfalls ausgewechselt zu werden – vollkommen unabhängig von Parlamentsmehrheiten.

Damit käme eigentlich nur noch infrage, wer das Amt – wie bei den Wehrbeauftragten üblich – mit einer Amtsperiode als die finale Tätigkeit in der eigenen Karriere übernimmt. Doch so viele Datenschutzexperten auf dem Weg in die Rente, die zum grün-gelben Anforderungsprofil mit Duldung der SPD passen, gibt es nicht.

Tatsächlich zeigt sich in dem ganzen Vorgang ein Grundproblem der Ampel: Sie hatte sich zwar mehr Datenschutz in den Koalitionsvertrag geschrieben – doch gelebt wird er in weiten Teilen nicht oder nur mit geringen Änderungen. Die FDP, in der klassische Bürgerrechtler schon lange den Wirtschaftsliberalen zahlenmäßig unterlegen sind, sieht den Datenschutz oft als Innovationshindernis und Bürokratiewust.

Und auch unter der amtierenden Ministerriege der Grünen ist kein einziger dabei, der wirksam für Datenschutz streitet – ob bei der Energiewende oder bei anderen Themen: Immer gibt es ein noch viel wichtigeres Ziel, weshalb der Datenschutz nicht berücksichtigt werden kann. Bei der SPD-Ministerriege trägt sich weiter, was seit Jahrzehnten so läuft: Zwei Herzen wohnen in ihrer Brust, und das für den Datenschutz hat auffällig häufig Rhythmusstörungen, wenn es nicht um Schaufensteranträge auf Parteitagen geht.

So kommt es, dass das Ampelkabinett für Datenschützer wenig Zuneigung empfindet. Das mag der Natur des Exekutivhandelns geschuldet sein. Doch genau aus diesem Grund ist der BfDI eben nicht der "Datenschutzbeauftragte der Bundesregierung", sondern das, was das Amt ist: ein vom Parlament gewählter, unabhängiger Bundesdatenschutzbeauftragter.

Wo exekutives Handeln auf kurzfristige Effekte setzt und derzeit den Trend zur Datenhaltungsmaximierung mit ganz viel Hoffnung auf Künstliche Intelligenz setzt, ist der Bundesdatenschutzbeauftragte der langfristigen, informationellen Selbstbestimmung verpflichtet. Er ist ein notwendiges Korrektiv zum hektischen exekutiven und teils auch legislativen Geschehen. Nur haben das viele im Parlament offenkundig nicht verstanden – bis heute muss jeder BfDI darum kämpfen, bei Gesetzesvorhaben überhaupt gehört zu werden und wird konsequent spät in Vorhaben eingebunden.

Ulrich Kelber hat als BfDI konsequent gezeigt, wo sich die Akteure nicht an Gesetze halten, per Gesetz Grundrechte übermäßig einschränken und dabei regelmäßig bessere Lösungen aufgezeigt. Und er hat sich beschwert, wenn es angemessen war. Er hat Rechtsauffassungen nicht nur öffentlich vertreten, sondern auch den Rechtsweg beschritten. So wie es die gesetzlichen Grundlagen auf EU- und Bundesebene vorsehen.

Die von Kelber genervten Ministerien und Ämter könnten sich also brutal verrechnen: Statt Kelber könnte jemand folgen, der ihnen und dem Parlament nun noch viel mehr, lauter und effektiver auf die Füße tritt, wenn sie in KI-Wünschen schwelgen und von Datenräumen träumen, statt sich sachlich um Digitalisierung zu kümmern. Und die Abgeordneten des Deutschen Bundestages und insbesondere die Fraktionsführungen müssen sich die Frage stellen lassen, ob sie die Würde des Parlaments achten, wenn sie ohne jede Not solche Probleme erzeugen.

(mack)