Alle wollen den AI Act, doch Deutschland droht ihn zu blockieren

Wirtschaft, Bürgerrechtler, Künstler und Politiker fordern die Zustimmung zum AI Act. Doch das Digitalministerium stellt sich quer.

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(Bild: carlos castilla/Shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.
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Aus zahlreichen Ecken werden Stimmen zum AI Act laut. Sie alle fordern Deutschland auf, dem AI Act an diesem Freitag zuzustimmen. Denn ausgerechnet das deutsche Digitalministerium scheint die KI-Verordnung noch platzen lassen zu können. Volker Wissing soll mit der Enthaltung drohen. Das könnte zum Zünglein an der Waage werden.

Es ist mitnichten so, dass alle Menschen mit der Ausformulierung des AI Acts zufrieden wären. Eigentlich haben sogar alle Kritikpunkte. Doch einig sind sich viele Politiker verschiedenster Parteien, Bürgerrechtsorganisationen, Kreative und die Wirtschaft, dass kein AI Act keine bessere Lösung wäre. Sie sagen, man brauche die Sicherheit und Orientierung, die ein solches Gesetz geben kann. Auch, wenn vieles noch konkreter ausgearbeitet werden müsse.

Am Wochenende veröffentlichten Vertreter der Kultur-, Kreativ- und Medienwirtschaft einen offenen Brief, in dem sie die Bundesregierung bitten, dem vorliegenden Entwurf der KI-Grundverordnung zuzustimmen, "im Sinne einer nachhaltigen, wirtschaftlich tragfähigen und demokratischen Zukunft und ohne weitere Beschränkungen zulasten der Künstler:innen sowie Kultur- und Medienschaffenden". Zu den Unterzeichnern gehören Bundesverbände aus den Bereichen Fotografie, Journalismus, Synchronisationen, Szenografen, Musiker oder auch die Initiative Urheberrecht und viele mehr.

Das heißt, zahlreiche der Unterzeichner sind auch jene, die gegebenenfalls besorgt sind, dass KI-Modelle unrechtsmäßig mit ihren Werken trainiert worden sein könnten. Es gibt Rechtsstreits dazu – stellvertretend den großen Streit zwischen der New York Times und OpenAI. Außerdem werden Menschen aus der Kreativbranche sich verstärkt mit generativer KI auseinandersetzen müssen und sie benutzen. Auch dieser Einsatz bedarf rechtlicher Sicherheit.

Seitens der Wirtschaft hat sich der KI Bundesverband geäußert. Die Organisation, der zahlreiche KI-Unternehmen aus Deutschland angehören, schreibt: "Der KI Bundesverband nimmt mit einiger Verwunderung die aktuelle Dynamik um die Zustimmung der Bundesregierung zum AI Act zur Kenntnis." Man sehe zwar Kritikpunkte, etwa was die Definition von KI anbelangt, glaube aber, dass ein mögliches Scheitern des AI Acts zu "größeren Kollateralschäden" führen könnte. "Eine Verzögerung durch die anstehenden Europawahlen und die anschließende Bildung einer neuen EU-Kommission könnte zu monatelanger Unsicherheit bei der Implementierung von KI-Produkten in der konventionellen Wirtschaft führen."

Ein weiterer offener Brief geht von verschiedenen Organisationen und Universitäten aus, die sich mit KI beschäftigen. Er trägt den Titel: "Stimmen Sie für den AI Act!". Auch da heißt es, man müsse für Rechtssicherheit sorgen. "Sollte der AI Act nicht angenommen werden, wäre das ein hohes Risiko für die Innovationskraft und den Grundrechtsschutz in Europa mit internationalen Auswirkungen." Es haben unter anderem unterzeichnet: Mozilla, die Bertelsmann Stiftung, Verbraucherzentrale Bundesverband, zahlreiche Professoren aus dem Bereich KI, außerdem Organisationen wie der TÜV und KI-Startups.

Nun könnte man meinen, alle seien zufrieden. Dem ist mitnichten so. Es gibt weiterhin Kritik, auch von den Unterzeichnern. Zu ungenau seien zahlreiche Abschnitte, zu viele Ausnahmen – das sei sowohl rechtlich schwierig als auch inhaltlich. Der Einsatz biometrischer Daten zur Echtzeitüberwachung stößt vielen auf. Wie Wasserzeichen oder andere Marker in mit KI generierte Produkte integriert werden können, ist fragwürdig. Dass die Kommission die Überwachung von General-Purpose-AI-Anbietern (GPAI) obliegt, passt manchen nicht. Die Liste ist lang, vielleicht auch länger als üblich bei einem solchen Verfahren und der Abstimmung. Als die Verordnung ausgearbeitet wurde, war von generativer KI in der heutigen Form noch keine Spur zu sehen. Zumindest dieser Teil musste nachträglich eingepflegt werden.

Fraglich ist dennoch, was genau das deutsche Digitalministerium und damit Volker Wissing dazu bewegt, sich am Freitag eventuell zu enthalten, statt zuzustimmen. Dokumente, die LobbyControll veröffentlicht hat, zeigen zumindest eine deutliche Nähe zu Aleph Alpha, Deutschlands wohl größtem KI-Unternehmen.

Lehnen auch Frankreich und Italien ab, die beide bereits damit gedroht haben, würde noch ein viertes Land fehlen, um den AI Act in dieser Form zu kippen. Frankreich möchte die Verordnung noch weiter lockern. Offensichtlich machen sich dort das KI-Unternehmen Mistral AI und die Wirtschaft besonders stark. Italien hat gerade erst wieder gezeigt, dass sie mit ChatGPT und Co. nicht einfach so einverstanden sind – sie meinen, OpenAI verstößt gegen europäische Datenschutzregeln.

Update

Deutschland will dem AI Act zustimmen, das wurde aus Ministerkreisen bekannt.

(emw)