Amazon hält Datensammler Phorm auf Distanz
Mit dem umstrittenen Werbesystem des britischen Unternehmens Phorm, das Nutzerdaten direkt beim Zugangsanbieter abgreift, will der Online-Händler Amazon nichts zu tun haben und fordert den Anbieter auf, Besuche auf Amazon-Websites nicht zu erfassen.
Online-Versandhändler Amazon will dem umstrittenen Werbedienstleister Phorm keine Daten zur Verfügung stellen. Das Unternehmen habe sich entschieden, nicht an dem Webwise genannten System teilnehmen zu wollen, teilte ein Amazon-Sprecher dazu am gestrigen Mittwoch mit. Sämtliche Kundenbewegungen auf Amazon-Websites sollen nicht erfasst werden. Phorm bietet Online-Anbietern die Möglichkeit, die Nutzer ihrer Plattformen komplett aus dem Werbesystem herauszuhalten.
Das britische Unternehmen Phorm bietet mit Webwise ein Verfahren zur verhaltengesteuerten, direkt auf die Surfgewohnheiten der Internetnutzer abgestimmten Online-Werbung ("Behavioural Targeting") an. Dafür greift das System Traffic-Daten direkt beim kooperierenden Zugangsanbieter ab. So kann Phorm genaue Profile über Verweildauer, Vorlieben für Shops und Produkte sowie Lesegewohnheiten einzelner, nach Unternehmensangaben anonymisierter Anschlussinhaber sammeln.
Der Ausstieg von Amazon ist ein weiterer Rückschlag für Phorm, das von Datenschützern und Internetexperten heftig kritisiert wird. Amazon.co.uk ist nach eBay die zweitgrößte E-Commerce-Plattform im Vereinigten Königreich. Phorm gehen mit dem Ausstieg Amazons auf einen Schlag viele wertvolle Daten über Konsumverhalten verloren. Sollten andere große Anbieter dem Beispiel folgen, könnten die Zugangsanbieter auf den Einsatz des Systems verzichten, meint die britische Open Rights Group. Bisher wurde Webwise – zunächst heimlich – von BT getestet, andere ISPs haben ihr Interesse bekundet.
Inzwischen sorgt Phorm auch für Verstimmung zwischen London und Brüssel. Am vergangenen Dienstag hatte die EU-Kommission angekündigt, wegen der datenschutzrechtlichen Probleme ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Großbritannien einzuleiten. Die britische Regierung hatte das Werbesystem zuvor für unbedenklich erklärt. Die zuständige EU-Kommissarin Viviane Reding sieht darin einen möglichen Verstoß gegen EU-Datenschutzrichtlinien.
Phorm erklärte dazu unterdessen, das Werbesystem entspreche britischen Gesetzen und EU-Regeln. Dies sei vom britischen Wirtschaftsministerium sowie den Aufsichtsbehörden bestätigt worden, heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme des Unternehmens. Phorm sehe in dem Vorgehen der EU-Kommission keine Beeinträchtigung der weiteren Pläne. Das Unternehmen betonte erneut, dass es den Anschlusskunden kooperierender ISPs die Möglichkeit gebe, die Teilnahme an dem System auszuschließen.
Siehe dazu auch:
- EU-Kommission geht wegen Phorm gegen Großbritannien vor
- BT startet freiwillige Internet-Vollüberwachung
- Britische Regierung hält umstrittene Werbeplattform für rechtmäßig
- EU-Kommission interessiert sich für Bespitzelung britischer Internetnutzer
- BT muss sich für Kundenbespitzelung nicht vor Gericht verantworten
- Bericht zur Ausspähung von Websurfern durch BT aufgetaucht
- Provider sollen Kunden umfassend ausgespäht haben
- Phorms Konzept für personalisierte Anzeigen unter Druck
- Anti-Spyware Coalition untersucht Praktiken für personalisierte Anzeigen
- CFP: Proteste gegen Kundenbespitzelung durch Provider
Zur Funktionsweise von Phorm siehe auf The H:
(vbr)