Amazons Margen schmelzen

Amazon investiert kräftig, baut seine Versandzentren aus, der Personalbestand steigt, während die Margen für die verkauften Produkte sinken. Im kommenden Quartal könnte sogar ein Verlust entstehen. Die Börse reagiert vergrätzt.

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Im ersten Quartal des Jahres hat Amazon den Umsatz um 22 Prozent auf gut 16 Milliarden US-Dollar steigern können. Dies ist der höchste Wert in einem Nicht-Weihnachtsquartal in der Unternehmensgeschichte und der dritthöchste Quartalsumsatz insgesamt. Der Gewinn ist allerdings von 130 Millionen Dollar im Vorjahresquartal auf nunmehr 81 Millionen geschrumpft. Und davon entfallen 46 Millionen auf einen steuerrechtlichen Einmaleffekt.

Auch Amazons Prognose für das laufende zweite Quartal stimmt die Anleger nicht glücklich: Der Umsatz soll zwischen 14,5 und 16,2 Milliarden Dollar liegen, immerhin ein Zuwachs von 13 bis 26 Prozent im Jahresabstand. Dabei droht allerdings ein Nettoergebnis von höchstens 10 Millionen Dollar Gewinn – oder gar ein Verlust von bis zu 340 Millionen Dollar. Amazons Bilanz wird dabei mit etwa 340 Millionen Dollar Aktienboni und Abschreibungen auf immaterielle Vermögenswerte belastet werden. Im nachbörslichen Handel fiel die Amazon-Aktie um 3,2 Prozent und lag schließlich 6,6 Prozent unter ihrem Allzeithoch.

Die Zahl der von und über Amazon verkauften Produkte (inklusive Downloads) ist im ersten Quartal um 30 Prozent gestiegen. Dies verriet Amazons Finanzchef Tom Szkutak in einer Telefonkonferenz mit Finanzanalysten. Da der Umsatzzuwachs geringer ausgefallen ist (22 Prozent in US-Dollar beziehungsweise 24 Prozent in lokalen Währungen), lässt sich daraus ableiten, dass der Durchschnittspreis pro Stück gesunken ist.

Immerhin konnte Amazon seine Versandkosten optimieren. Während die tatsächlichen Kosten um 24 Prozent gestiegen sind, zahlten die Kunden 37 Prozent mehr Versandgebühren. Der Verlust aus Versandaufwendungen ist somit nur um 14 Prozent größer geworden – deutlich weniger, als der relative Zuwachs bei Umsatz und Stückzahlen.

Diese Statistik unterstützt also Amazon Strategie, laufend neue Versandzentralen zu eröffnen. Auf der anderen Seite steht der damit verbundene Personalaufwand: 91.300 Personen arbeiteten Ende März direkt für Amazon, Leiharbeiter und nur vorübergehend beschäftigtes Personal sind da noch nicht mitgerechnet. Ein Jahr davor waren es nur 65.600 Festangestellte gewesen. Angesichts dessen weigert sich Amazon etwa in Deutschland in den Auseinandersetzungen mit den Gewerkschaften um Arbeitsbedingungen und Löhne hartnäckig, die Bedingungen für die Belegschaft zu verbessern – was dazu führt, dass Amazon hierzulande erstmals Streiks drohen.

Amazon investiert in einigen Bereichen kräftig. 1,4 Milliarden Dollar wurden für den Kauf der bislang gemieteten Firmenzentrale und zusätzlicher Büros in Seattle ausgegeben. Neue Produkte, neue Dienstleistungen, neue Märkte sind geplant – und alles mit Amazons Spezialität, nämlich sehr geringen Margen. Ein Beispiel: Seit ihrer Eröffnung 2006 gab es bei Amazon Web Services (AWS) 31 Preissenkungen, sieben davon seit Jahresbeginn.

In Nordamerika läuft es für Amazon besser als außerhalb, wo Amazon nicht nur mit langsamerem Umsatzwachstum leben muss, sondern sogar in die Verlustzone gerutscht ist. Es gab einen operativen Verlust von 16 Millionen US-Dollar, nach einem operativen Gewinn von 49 Millionen US-Dollar vor einem Jahr.

Besonders deutlich ist der Unterschied im Segment "Media", welches Bücher, Musik, Filme, Computerspiele, Spielkonsolen, Software und Downloads umfasst. Außerhalb Nordamerikas stellt dieses Segment ein deutlich größeres Stück vom Umsatzkuchen, als in den USA und Kanada. Und während der Media-Umsatz in Nordamerika um 14 Prozent zugelegt hat, gab es international mit plus einem Prozent kaum Bewegung. Auch in lokalen Währungen gerechnet ist der relative Zuwachs mit sieben Prozent nur halb so hoch.

Vielleicht kurbelt ja der größere Kindle Fire HD mit 8,9 Zoll Diagonale den Umsatz mit Downloads an. Das Tablet ist seit Mitte März in Deutschland, vier weiteren europäischen Ländern und Japan erhältlich. (jk)