Arbeitsgericht: Betriebsrat darf nicht mitbestimmen über Einsatz von ChatGPT

Der Betriebsrat eines Hamburger Medizintechnik-Konzerns verlangte ein Verbot von KI-Systemen. Das Arbeitsgericht weist das aus zwei zentralen Gründen zurück.​

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Frau mit Headset gestikuliert ihren Laptop an

Arbeit mit KI fällt für das Arbeitsgericht Hamburg unter Arbeit mit Webbrowsern.

(Bild: fizkes/Shutterstock.com)

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Wenn Unternehmen Systeme mit Künstlicher Intelligenz (KI) wie ChatGPT oder Gemini einführen wollen, müssen sie nicht in jedem Fall den Betriebsrat einbeziehen. Bei einem global agierenden Hamburger Hersteller im Bereich der Medizintechnik mit rund 1600 Mitarbeitern am Stammsitz hat das Arbeitsgericht der Hansestadt entschieden, dass die Vertretung der Beschäftigten bei KI kein Mitspracherecht hat, weil sie es bereits in einer Vereinbarung über Webbrowser ausgeübt hat.

Das geht aus in einem jetzt veröffentlichten Beschluss vom 16. Januar hervor (Az. 24 BVGa 1/24). Der Betriebsrat wollte (im Rahmen einstweiligen Rechtsschutzes) den in dem Konzern seit Mitte Dezember möglichen Einsatz von ChatGPT und den weiterer KI-Lösungen verbieten lassen. Dies weisen die Hamburger Richter als teils unbegründet und teils unzulässig zurück.

Das Unternehmen wollte laut der Entscheidung für die Mitarbeiter generative KI als neues Werkzeug zur Unterstützung nutzbar machen. Erst sperrte es zwar kurz den Zugang zur Webseite von ChatGPT, doch dann veröffentlichte es auf seiner Intranet-Plattform einschlägige Richtlinien für den Dienst von OpenAI und ähnliche Services. Solche Systeme werden nicht auf den Computersystemen des Konzerns installiert. Ihre Nutzung erfolgt über Webbrowser durch ein Konto auf dem Server des jeweiligen Anbieters. Dienstliche Nutzerkonten werden zurzeit nicht eingerichtet. Etwaige Kosten müssen die Arbeitnehmer selbst tragen. Der Arbeitgeber weiß nach eigenen Angaben nicht, wer von derlei Optionen wie lange und wann Gebrauch macht und welche Daten dabei an die Systembetreiber fließen.

Der Betriebsrat verlangte, neben ChatGPT auch vergleichbare Programme zu sperren, solange eine Rahmenvereinbarung zum Thema KI nicht fertig sei. Mit der Veröffentlichung von Richtlinien zur Nutzung generativer KI würden die Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte grob verletzt. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass weitere personenbezogene Daten neben der Anmeldeinformationen eingegeben würden. Auch sei nicht ersichtlich, wie der Arbeitgeber überprüfen wolle, dass die internen Vorgaben eingehalten werden und ChatGPT nur im "Non-Training-Modus" läuft. Im schlimmsten Fall könnten Arbeitsschritte der Beschäftigten "lückenlos überwacht werden".

Nach Ansicht des Arbeitsgerichts fallen die Vorgaben zur Nutzung von ChatGPT und vergleichbarer Werkzeuge aber in diesem Fall "unter das mitbestimmungsfreie Arbeitsverhalten". Zwar werde der verwendete Browser die Nutzung des Chatbots regelmäßig aufzeichnen. Die Parteien hätten jedoch zur Nutzung solcher Navigationsmittel im Web schon eine Konzernbetriebsvereinbarung abgeschlossen; damit habe der Betriebsrat sein Mitbestimmungsrecht bereits ausgeübt.

OpenAI werde die bei ChatGPT eingegebenen Daten zwar wohl aufzeichnen. Dies führe aber nicht zu Mitbestimmung, "denn der dadurch entstehende Überwachungsdruck wird nicht vom Arbeitgeber ausgeübt". Schließlich könne der Antragsgegner auf die vom Diensteanbieter gewonnenen Informationen nicht zugreifen.

Die Arbeitsrichter erläutern noch, dass der Betriebsrat mitzubestimmen habe "in Fragen der Ordnung" der Firma "und des Verhaltens der Arbeitnehmer" in dieser. Es gehe um das "Zusammenleben und kollektive Zusammenwirken der Beschäftigten". Der Arbeitgeber habe hier "nur Anordnungen getroffen", wie die Arbeit zu leisten sei.

Die Entscheidung erfolge "konkret bezogen auf die Gegebenheiten des Einzelfalls", resümiert der Berliner Rechtsanwalt Carlo Piltz. In anderen Konstellationen könnten Richter zu unterschiedlichen Schlüssen kommen. Insgesamt seien die Erwägungen aber praxisrelevant.

Der Bundestag hat im Mai 2021 ein Betriebsrätemodernisierungsgesetz beschlossen. Demnach greifen die Rechte der Beschäftigtenvertretung bei der Gestaltung der Arbeitsumgebung und von Abläufen im Unternehmen auch dann, wenn dort algorithmische Entscheidungssysteme etwa zu Personalauswahl und -bewertung eingesetzt werden sollen. Der Betriebsrat darf einen Sachverständigen hinzuziehen, um die Einführung oder Anwendung von KI beurteilen zu können.

(ds)