Aufholjagd bei Hitachi: Neue Digitalstrategie will US-Entlassungswelle ausnutzen

Das japanische Konglomerat Hitachi expandiert. Eine Digitalstrategie soll 30.000 Arbeitsplätze schaffen – und Entlassungen bei Google, Twitter und Co. nutzen.

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(Bild: Mizantroop/Shutterstock.com)

Lesezeit: 3 Min.

Hitachi ist ein japanisches Konglomerat, das breitgefächert Automobil-, Infrastruktur-, IT- und Telekommunikations-Unternehmen vereint. Der Chef plant nun ein Einstellungsmodell, das von amerikanischen Firmen entlassene Talente auffangen soll. In Kombination mit Übernahmen und Fusionen von Unternehmen aus dem Silicon Valley und anderen IT-Standorten möchte sich Hitachi dadurch im IT-Bereich behaupten.

Das hat der Geschäftsführer Keiji Kojima in einem Interview mit der Financial Times gesagt. Darin definiert er die Entlassungswellen in Amerika als einen "Rückenwind" und eine "große Chance" für Hitachi. "Von denen, die entlassen wurden, möchten wir sehr gutes Personal einstellen", sagte er. Das Einstellungsmodell für Talente aus amerikanischen Firmen ist Teil einer neuen Digitalstrategie. Diese soll bis zum März 2025 etwa 500 Milliarden Yen (3,5 Milliarden Euro) in den IT-Zweig des Konglomerats investieren – und 30.000 neue Arbeitsplätze schaffen.

In der Weltfinanzkrise schrieb Hitachi im Geschäftsjahr 2009 einen Umsatzrückgang von 787 Milliarden Yen (5,5 Milliarden Euro), der bis dahin größte Jahresverlust einer japanischen Firma. Nach eigenen Entlassungswellen und dem Verkauf und Zusammenschluss von 22 Tochtergesellschaften, vor allem im Automobilbereich, rettete sich Hitachi aus der Krise. Seitdem strukturiert Hitachi sich um: Das Unternehmen transformiert zu einem IT- und Infrastruktur-Konglomerat. Im April 2021 kaufte Hitachi beispielsweise den amerikanischen Software-Dienstleister GlobalLogic für 9,6 Milliarden Dollar (9,1 Milliarden Euro). Zudem investierte das Konglomerat weiterhin in sein eigenes Software- und IoT- Unternehmen namens Lumada.

Mit der neuen Digitalstrategie zielt Hitachi darauf ab, Humankapital in die Firma zu bringen. Dieses soll auch veraltete Technologien im Automobilsektor erneuern. Keiji Kojima sagt: "Die Entwicklung von Elektroautos ist im vollem Gang, ohne weitere Investitionen sowie Forschung und Entwicklung wird unser Unternehmen nicht überleben können". Deswegen rekrutiert GlobalLogic 1000 neue Mitarbeiter monatlich. Der Hauptteil davon stammt aus Osteuropa und Lateinamerika.

Die jetzige Entlassungswelle aus amerikanischen Tech-Unternehmen kommt der Strategie von Hitachi gelegen. Denn Big Tech hat zuletzt weit mehr als 50.000 Angestellte entlassen. Diese Entlassungswelle ebbt noch nicht ab: Twitter hat erst dieses Wochenende neue Entlassungen angekündigt, auch bei Meta stehen weitere Stellenstreichungen an. Dadurch steigert sich im IT-Bereich das Angebot von hochqualifiziertem Personal – genau das, was Hitachi sucht. Trotzdem zeigt der Geschäftsführer Vorsicht bei der Übernahme von Mitarbeitern, die von Meta, Twitter und anderen amerikanischen Firmen entlassen wurden. Er sagt: "Natürlich müssen wir sehr selektiv sein, weil die Gehälter von den Mitarbeitern dieser Unternehmen üblicherweise sehr hoch sind".

Ein zweites Ziel in der Digitalstrategie von Hitachi ist die mögliche Übernahme von Unternehmen aus dem Silicon Valley und anderen IT-Standorten. Im Interview sagt Kojima: "Von jetzt an werden wir in organisches Wachstum investieren, jedoch werden wir auch Fusionen und Übernahmen benutzen, um dieses Wachstum zu katalysieren". Zudem suche Hitachi momentan aktiv nach Übernahmen von amerikanischen Cloud-Dienstleistern.

Kojima selbst hat einen amerikanischen Hintergrund: Bevor er im Juni 2021 Geschäftsführer wurde, absolvierte er als Angestellter bei Hitachi ein Auslandsjahr an der Carnegie Mellon Universität. Danach arbeitete er für das Konglomerat im Silicon Valley. Dort war er für den Forschungs- und Entwicklungs-Zweig zuständig und arbeitete an Projekten im Infrastruktur- und IT-Bereich, aus dem unter anderem Lumada hervorging.

(szo)