Breitbandausbau: Der Bürgermeister muss dahinterstehen

Die Glasfaser ist der wichtigste Standortfaktor für Unternehmen, war eine der Erkenntnisse der Konferenz des DIHK zu Synergien beim Breitbandausbau. Eine zweite: Wenn Kommunen das Verlegen antreiben, funktioniert der Ausbau besser als anderswo.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 166 Kommentare lesen
Lesezeit: 5 Min.
Inhaltsverzeichnis

Eineinhalb Jahre nach Inkrafttreten der jüngsten Reform des Telekommunikationsgesetzes (TKG) sind Netzbetreiber, Kommunen und alternative Anbieter wie Energieversorger nach wie vor auf der Suche nach den vielbeschworenen "Synergien beim Breitbandausbau", und das besonders im ländlichen Raum. "Es geht immer um das leidige Thema, die Tiefbaukosten zu reduzieren", erklärte Stephan Albers vom Bundesverband Breitbandkommunikation (Breko) am Dienstag auf einer Konferenz des DIHK in Berlin. Das gehe nur gemeinsam entlang der neuen TKG-Vorgaben, sodass man in einem "sehr frühem Stadium die Leute an einen Tisch holen" müsse.

"Der Glasfaserausbau ist der Standortfaktor Nummer eins gerade für den Mittelstand", bekräftigte Albers. Viele Kommunen seien unter Druck geraten, stärker tätig zu werden, nachdem Unternehmer mit dem Wegzug gedroht hätten. Im Vergleich zu früher seien kommunale Betreiber wie Stadtnetzbetreiber und übergeordnete "Energieversorger 2.0" jedoch viel stärker daran interessiert, zu kooperieren. Dies bringe aber wenig, wenn der Bürgermeister nicht dahinterstehe. Sonst könne es bei den vielen einzuholenden Genehmigungen schnell zu Verzögerungen kommen.

Generell ist sich Albers sicher, dass der Breitbandausbau vor allem über den regionalen Ansatz unter Einbezug vieler auch kleiner Akteure vorankommt. Dahinter stehe auch keine deutsche Eigenbrötlerei. Die EU-Kommission befinde sich daher mit ihrem Vorschlag für einen gemeinsamen Telekommunikationsmarkt "auf dem Holzweg", da sie in diesem Bereich auf "drei oder vier" große Alt-Monopolisten setze.

Bernd Holter vom Breitbandkompetenzzentrum Mecklenburg-Vorpommern bezeichnete es als schwierigste Hürde, "die Verwaltung für das Thema zu sensibilisieren". Neben dem Rathaus-Chef müssten Bauabteilungen, Kreisverwaltungen und Ministerien eingebunden werden, um eine "gemeinsame Sprache" zu finden und das Synergiepotenzial deutlich zu machen. Wenn jedoch das Verlegen von Hochgeschwindigkeitsleitungen einmal von kommunalen Vertretern angetrieben wird, dann "funktioniert es besser als anderswo", befand der Vertriebsexperte Hans-Joachim Giegerich.

Synergien beispielhaft genutzt: Einen zuvor weitgehend weißen Versorgungsfleck entlang der Mosel bindet jetzt eine 245 Kilometer lange Tiefbautrasse per Breitbandleitungen ans Internet an.

Zwei Beispiele für erfolgreiche Gemeinschaftsprojekte mit der öffentlichen Hand brachte der Bauunternehmer Marco Weigand. Seine Firma hat ihm zufolge eine 245 Kilometer lange Tiefbautrasse entlang der Mosel zwischen Perl und Koblenz mit Breitbandleitungen aufgerüstet in einem Gebiet, das vorher weitgehend als "weißer Versorgungsfleck" gegolten habe und in dem auch die Funkversorgung sehr lückenhaft sei. In Kooperation mit dem Wasserschifffahrtsamt seien dann etwa 15 Schleusen angebunden worden, deren Anlagen nun übers Internet fernüberwacht werden könnten. Zusätzlich habe man RWE ins Boot geholt, die Wasserkraftwerke des Energiekonzerns mit Glasfaser versorgt sowie regionale Stadtwerke und Trassen von Kabel Deutschland angebunden.

Neue Verlegetechniken wie das Einbringen von Kabeln per Druckluft (Microducts), die das überarbeitete TKG unterstützt, sind Weigand zufolge beim zweiten Projekt entlang der Autobahn sowie des Rennsteigtunnels in Thüringen zum Tragen gekommen. Dazu habe man bereits vorhandene alte Leitungen "geordnet und ertüchtigt". Das Verfahre erreicht "Einblaslängen von mindestens 1500 Metern ohne zusätzliche Zwischengruben". Baugruben wurden jeweils schon am Abend nach dem Einbringen der Kabel wieder verschlossen, was größere Verkehrsbeeinträchtigungen verhinderte. Wie eine Gemeinde in Eigenregie etwa über Schmutzwasserkanäle mehrere tausend Haushalte und ein Gewerbegebiet mit Glasfaser versorgen kann, stellte ein Vertreter der Gesellschaft BreitbandInnovationen Nord aus dem niedersächsischen Ottersberg vor.

Pascal Schumacher von der Berliner Kanzlei Noerr warnte davor, das "übergesetzliche Leitziel" des vereinfachten Breitbandausbaus durch ein sich abzeichnendes Regulierungsdickicht zu unterwandern. Der Anwalt beklagte, dass die Bundesnetzagentur Einnahmen und Erlöse von Energieversorgern aus dem Telekommunikationsgeschäft zu ihren Regulierungsaufgaben zählt. Das betrifft besonders die Zweitverwertung nicht gebrauchter Kapazitäten. Eine anteilige Veranschlagung der Ausbaukosten sei zudem nur möglich, wenn noch keine "gleichwertige Breitbandinfrastruktur" in einer Region vorhanden sei. Es sei jedoch umstritten, ob etwa eine Mobilfunkversorgung mit LTE bereits dazu zu zählen ist.

Eine Erkenntnis, die die Teilnehmer der DIHK-Konferenz miteinander teilen: Die Verwaltung muss beim Breitbandausbau dahinterstehen. Im Bild: Bernd Holter, Breitbandkompetenzzentrum Mecklenburg-Vorpommern, Moderatorin Kerstin Stromberg-Mallmann vom Bundeswirtschaftsministerium und Tim Brauckmüller vom Breitbandbüro des Bundes.

Der Jurist wies zudem darauf hin, dass private und kommunale Versorger laut TKG zur Mitnutzung vorhandener Infrastrukturen wie Leerrohren nur ein "ernstzunehmendes, annahmefähiges Angebot unterbreiten" müssten. Ein entsprechender "rechtsförmlicher Anspruch" sei erst mit einer im Raum stehenden EU-Verordnung vorgesehen. Bei bundeseigenen Infrastrukturen gebe es einen solchen hierzulande bereits, trotzdem rankten sich auch darum erste Rechtsstreitigkeiten etwa mit der Deutschen Bahn (DB). Energieversorger und Stadtwerke kämen ihrer prinzipiellen Pflicht, Daten über mitnutzbare Infrastrukturen an die Regulierungsbehörde für einen einschlägigen Atlas zu liefern, nur "gemächlich" nach oder beriefen sich auf Sicherheitsbedenken.

"Wir können nur Restkapazitäten für eine Mitnutzung öffnen", stellte Johannes Berg von der Firma DB Netz klar. Deren Anteil sei "meist sehr dünn", eine Drittvermarktung nicht möglich. Allgemein diene die Telekommunikationsinfrastruktur bei dem Unternehmen "dem Eisenbahnbetrieb" und unterliege so "gewissen Restriktionen". Seit Mai 2012 habe der Konzern 51 Anfragen vor allem aus Baden-Württemberg, Hessen oder Rheinland-Pfalz zur Mitnutzung erhalten, die alle noch bearbeitet würden. Seit Juli seien einschlägige Daten der Bahn im Infrastrukturatlas des Bundes vertreten, darüber hinaus habe man "transparente Rahmenbedingungen" geschaffen, die von Nutzungsbedingungen bis zu Vorverträgen reichten. Sie sind im Web veröffentlicht.

Der Anschluss Deutschlands an breite Datenautobahnen müsse stärker als öffentliche Aufgabe wie der Straßenbau verstanden werden, nahm August Ortmeyer vom DIHK letztlich die geplante große Koalition in die Pflicht. Mit der bisher verabredeten Summe neuer Fördergelder und "Bürger-Fonds" (1 Milliarde Euro) allein sei es nicht getan. (dz)