Bundestag beschließt Regulierung von Scoring zur Kreditwürdigkeit

Mit dem Vorstoß im Rahmen einer Reform des Bundesdatenschutzgesetzes soll das zunehmend in der Wirtschaft eingesetzte Scoring für die Kreditwürdigkeit transparenter werden. Ein Antrag der Grünen zu "Datenschutz ins Grundgesetz" wurde abgelehnt.

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Der Bundestag hat am heutigen Freitag mit der Mehrheit der großen Koalition den umstrittenen Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Regulierung von Auskunfteien mit Änderungen (PDF-Datei) verabschiedet, die der Innenausschuss empfohlen hatte. Die von der Regierung befürwortete, besonders umkämpfte Klausel, wonach Auskunfteien Wohnortdaten in die Ermittlung der Scorewerte zur Prüfung der Kreditwürdigkeit einbeziehen dürfen, hat das Parlament eingeschränkt. Verboten wird demnach die "ausschließliche" Nutzung von Anschriftendaten für die entsprechende Wahrscheinlichkeitsberechnung. Zusätzliche Informationen über Angaben zum Wohnorten dürfen auch nicht mit einer "verschwindend geringen Gewichtung" in einen Scorewert einfließen.

Unternehmen, die Informationen über die tatsächliche oder vermeintliche Zahlungsfähigkeit von Privatpersonen sammeln und verkaufen, müssen laut dem Entwurf künftig Auskünfte über das Zustandekommen von Scorewerten einzelfallbezogen und in allgemein verständlicher Form erteilen. Dazu soll Interessenten etwa auch die Skala möglicher Scorewerte erschlossen werden. Weggefallen ist die vom Bundesinnenministerium und von Datenschützern geforderte Verpflichtung, die zur Berechnung der Wahrscheinlichkeitswerte genutzten Datenarten "in absteigender Reihenfolge ihrer Bedeutung für das im Einzelfall berechnete Ergebnis aufzuführen". Laut der CDU-Innenpolitikerin Beatrix Philipp sollen damit konkrete mathematische Formeln nicht "durch absurde Offenlegungspflichten" gefährdet werden. Wie die Daten genau gewertet werden, sei Sache der Auskunfteien.

Eingefügt hat der Bundestag eine Klarstellung, dass die Dienstleister den Betroffenen auf Verlangen die wesentlichen Gründe einer für sie ungünstigen automatisierten Entscheidung mitzuteilen und zu erläutern haben. Der Kunde soll so in die Lage versetzt werden, mit einem Sachbearbeiter in Kontakt zu treten und seine Interessen womöglich doch noch durchzusetzen. Zudem folgten die Abgeordneten einem Vorschlag des Bundesrates, demzufolge etwa Kreditinstitute Tatsachen wie eine vorzeitige Schuldenrückzahlung bei Auskunfteien nachmelden müssen, durch die ein Scorewert positiv beeinflusst werden könnte. Verstöße gegen diese "Nachberichtspflicht" werden mit einem Bußgeld belegt. Nicht durchsetzen konnte sich die SPD mit ihrem Anliegen, Scoring auf tatsächlich kreditrelevante Belange zu beschränken. So dürfen nun etwa auch Vermieter oder Versicherungen weiter zu diesem Mittel greifen. Auch weitere Korrekturvorschläge der Länder blieben unberücksichtigt. Inkrafttreten sollen die Regelungen Anfang April 2010.

Eigentlicher Anlass der 90-minütigen Debatte war ein Antrag der Grünen, den Datenschutz im Grundgesetz festzuschreiben. Damit könne ein quasi "totes" Grundrecht wiederbelebt werden, warb die grüne Innenexpertin Silke Stokar für die von Schwarz-Rot aber letztlich zurückgewiesene Initiative. Ein einfacher Blick in die Verfassung müsse ausreichen, damit der Bürger seine Grundrechte klar erkennen könne. Es sei ihm nicht zuzumuten, erst Urteile heranzuziehen oder Ableitungen aus den Verfassungsartikeln vorzunehmen. Der Koalition unterstellte Stokar, "Datenschutz-Muffel" zu sein und es bei Ankündigungen etwa bei der Abschaffung des Listenprivilegs beim Handel mit Adressdaten zu belassen. Auch beim Scoring bleibe der Datenschutz auf der Strecke. Dass dieses Verfahren für "alle Lebensbereiche" zugelassen bleibe und eine Bewertung des Wohnortes umfassen dürfe, "führt zu massiver sozialer Ausgrenzung".

Gisela Piltz von der FDP-Fraktion unterstützte prinzipiell den Vorstoß der Grünen. Möglichkeiten für Einschränkungen des Schutzbereichs der informationellen Selbstbestimmung müssten aber klarer als absolute Ausnahmen gefasst werden, machte die Liberale darin noch "handwerkliche Fehler" aus. Die Scoring-Regulierung schätzte Piltz als wichtig ein, auch wenn der Entwurf angesichts eines zu breit gelassenen Anwendungsbereichs der Bonitätsprüfungen "keine Begeisterung" hervorrufen könne. Die Liberalen enthielten sich bei der Abstimmung.

Die Linken lehnten die Regeln für Auskunfteien genauso wie die Grünen als nicht weitgehend genug ab. Skeptisch äußerte sich ihr Datenschutzexperte auch zu dem Begehr, den Schutz der Privatsphäre im Grundgesetz ausdrücklich zu verankern. Dies könne erst am Ende der laufenden Debatten über die Reform des Datenschutzrechts stehen. Wichtiger sei es zunächst, etwa den systematischen Schnüffeltechniken in Konzernen Einhalt zu gebieten und ein Arbeitnehmerdatenschutzgesetz zu verabschieden.

Der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Hans-Peter Uhl, betonte: "Datenschutz ist zum zentralen Anliegen unserer Gesellschaft im Informationszeitalter geworden." Angesichts einer "Datenflut" müsse der Datenschutz neu organisiert werden. Die Thematik Datenschutz sei "so kompliziert", dass ihr ein Grundrechtsartikel nicht gerecht werde. Daher sei auch ein Interessensausgleich bei der zweiten, ebenfalls seit Monaten verhandelten Datenschutznovellierung mit der geplanten Verankerung einer Einwilligungspflicht der Verbraucher in die Weitergabe von Adressdaten noch nicht gefunden worden, meinte Uhl.

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(Stefan Krempl) / (jk)