Crypto Wars: Bürgerrechtler wollen Licht in "Going Dark"-Arbeitsgruppe bringen

Die EU-Kommission hat eine Expertengruppe eingerichtet, um das "Problem" der Verschlüsselung zu lösen. Aus der Zivilgesellschaft kommt der Ruf nach Transparenz.

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(Bild: wk1003mike/Shutterstock.com)

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Bürgerrechtler sind besorgt über die Zielsetzung und die Geheimniskrämerei der europäischen hochrangigen Expertengruppe (HLEG), die das von EU-Innenpolitikern und Strafverfolgern schon seit Längerem ausgemachte "böse Problem" der Verschlüsselung lösen soll. Die Initiative orientiere sich "an dem gefährlich irreführenden Konzept 'Security by Design'", das die einstige schwedische Ratspräsidentschaft in ihrem ursprünglichen Rahmenpapier eingeführt habe, beklagt die Dachorganisation European Digital Rights (EDRi). Dieser Begriff nehme zwar Anleihen bei der zentralen EU-Datenschutzverpflichtung "Privacy by Design" zum Einbau von Datenschutz direkt in die Technik, scheine tatsächlich aber "entgegengesetzten Zielen zu dienen".

Mit diesem Konzept solle "der Zugriff der Strafverfolgungsbehörden auf Daten in die Entwicklung aller Technologien" einbezogen werden, moniert EDRi. Das würde "einen gravierenden Eingriff in die Privatsphäre und die Online-Sicherheit jedes Einzelnen bedeuten". Auch weitere Grundrechte wie das zur Meinungs- und Versammlungsfreiheit würden bedroht, warnt EDRi zusammen mit 20 anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen wie dem Chaos Computer Club (CCC), der Electronic Frontier Foundation (EFF) und Statewatch in einem offenen Brief. Die Initiative könnte auch unvorhergesehene negative Auswirkungen auf die Sicherheit der kritischen Infrastruktur haben, "auf die wir alle bei der Nutzung elektronischer Kommunikationsdienste und digitaler Geräte angewiesen sind".

Die EU-Kommission hat die Arbeitsgruppe im Sommer 2023 auf Drängen der Mitgliedsstaaten eingerichtet. Ausgangspunkt sind die laufenden Crypto Wars und die damit verknüpfte Debatte über das "Going Dark"-Szenario, wonach die zunehmende durchgängige Verschlüsselung insbesondere von Messenger-Diensten Ermittler blind und taub zu machen droht. Wissenschaftler halten das zwar für einen Mythos, doch die Politik versucht sich weiter an der Quadratur des Kreises. Vertreter von Strafverfolgungs- und Justizbehörden aus den USA forderten bei einem Treffen mit Abgesandten der EU-Seite Mitte März 2023, mit dem Grundsatz "Lawful Access by Design" den Zugang zu unverschlüsselten Kommunikationsdaten direkt in die Technik zu integrieren.

Die Diskussionen in der HLEG fänden hinter verschlossenen Türen statt und verhinderten die Beteiligung der Zivilgesellschaft, kritisieren die Bürgerrechtler nun. "Im Oktober 2023 schlugen mehrere unserer Organisationen vor, aufgrund ihres Fachwissens und ihrer langfristigen Beschäftigung mit dem Thema als Experten und Teilnehmer" zu den Aktivitäten und Arbeitssitzungen der Gruppe beizutragen, heißt es in dem Brief. "Ihre Anträge wurden jedoch abgelehnt und sie wurden stattdessen aufgefordert, schriftliche Kommentare einzureichen." In der Zwischenzeit sei aber publik geworden, dass mehrere Industrievertreter zu den Treffen eingeladen worden seien. Dieser "undurchsichtige und ungleiche Beteiligungsprozess" könne zu einer unausgewogenen Interessenvertretung führen und den angestrebten "Austausch unterschiedlicher Perspektiven" unterminieren.

Das Vorgehen verstoße auch gegen die Transparenzanforderungen der Kommission und des Rats, betont der Zusammenschluss. Er verlangt daher einen "sorgfältigen Ansatz bei der Veröffentlichung aller möglichen Dokumente und einen proaktiven Dialog mit der Zivilgesellschaft". Das wichtige Thema dürfe nicht länger unter Ausschluss der Öffentlichkeit besprochen oder gar beschlussreif gemacht werden.

(olb)