Angriff auf Verschlüsselung: Empörung über neue Vorstöße von USA und EU

Tech-Vertreter und Bürgerrechtler reagieren empört auf die Initiative der USA und der EU, Sollbruchstellen für sichere Kommunikation in die Technik einzubauen.

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(Bild: wk1003mike/Shutterstock.com)

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Vertreter von Strafverfolgungs- und Justizbehörden aus den USA und der EU forderten jüngst bei einem Treffen in Stockholm, den Zugang zu unverschlüsselten Kommunikationsdaten direkt in Programme wie Messenger-Dienste zu integrieren. Sie wollen damit dem Prinzip "Datenschutz durch Technik" ("Privacy by Design") das Pendant "Lawful Access by Design" entgegensetzen. Eine denkbar schlechte Idee, wehrt sich jetzt die Global Encryption Coalition gegen diese neue Volte in den andauernden Crypto Wars: "Diese Entwicklung ist eine besorgniserregende Wiederholung früherer Versuche, die öffentliche Meinung gegen Verschlüsselung zu beeinflussen, und gefährdet die Sicherheit der privaten Daten von Milliarden von Menschen."

Die Allgemeinheit profitiere – meist unwissentlich – in der Regel mehrmals täglich von Verschlüsselung, gibt das Steuergremium der Vereinigung mit über 330 Mitgliedern zu bedenken, dem etwa die Internet Society, das Center for Democracy & Technology (CDT) und Mozilla angehören. Dies sei zum Beispiel beim Besuch von Webseiten per HTTPS, bei der Nutzung von Mobiltelefonen oder beim elektronischen Bezahlen der Fall. Es sei eine "enorme Arbeit" gewesen, Verschlüsselung allgegenwärtig zu machen. Diese stelle das "Herzstück eines vertrauenswürdigen Internets" dar, "das sowohl wirtschaftliche Vorteile als auch die Wahrung der Menschenrechte ermöglicht".

Die vorgesehene Kampagne gegen ein sicheres Netz und sichere Daten könne gerade angesichts "unüberlegter" Gesetzesinitiativen wie die zur Chatkontrolle in der EU oder für das ähnlich gelagerte Online Safety Bill Großbritanniens "weltweit fatal sein", warnt der Zusammenschluss. Der Einsatz für den Schutz von Kunden und anderen Nutzern dürfe nicht als "Heuchelei" gebrandmarkt werden, wie dies bei dem transatlantischen Treffen offenbar der Fall gewesen sei, sondern als Akzeptanz der unternehmerischen Verantwortung im Namen der Menschenrechte unabhängig von einzelnen Jurisdiktionen. Anstatt zu versuchen, die Verschlüsselung zu untergraben, sollten sich die Regierungen darauf konzentrieren, die bereits bestehenden weitreichenden Befugnisse der Strafverfolgungsbehörden angemessen auszunutzen.

Die EU und die USA seien bei ihren Konzepten für die Sicherheit in der digitalen Gesellschaft offenbar bereit, "ganz bewusst internationale Menschenrechtsstandards" zu missachten, kritisiert die Bürgerrechtsorganisation European Digital Rights (EDRi) zusammen mit acht Partnern wie dem Chaos Computer Club (CCC), Digitalcourage, Digitaler Gesellschaft und Statewatch in einem offenen Brief an die EU-Kommission und den schwedischen Vorsitz des Ministerrats. "Dies ist eine inakzeptable, klare Absicht, die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, die Privatsphäre und die Vertraulichkeit der Kommunikation zu untergraben, die für demokratische digitale Gesellschaften unerlässlich sind."

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Das langjährige Engagement in diesem Bereich zeige, dass "Lawful Access by Design" nur zu einer "systematischen Schwächung der Verschlüsselung weltweit führen kann". Damit würden alle Nutzer "unsicher und anfällig für unrechtmäßigen Zugang" zu ihrer Kommunikation. Das geleakte Protokoll "bestätigt unsere Befürchtungen", betont EDRi-Politikchef Diego Naranjo: Ein erneuter Angriff auf die Verschlüsselung sei auch eines der Ziele des Vorschlags der Kommission zur Online-Überwachung wegen sexuellen Kindesmissbrauchs. "Dies ist äußerst besorgniserregend und wird sich auf das Leben und die Aktivitäten aller auswirken, die auf Verschlüsselung angewiesen sind: Menschenrechtsaktivisten, Journalisten, junge Menschen, marginalisierte Gemeinschaften und so ziemlich jeden, der WhatsApp oder Signal nutzt."

(tiw)